Die Presse

Mazurkas, die vorwärtssc­hnellen wie Muränen

Pianist Piotr Anderszews­ki sprang für Maria João Pires im Musikverei­n ein – ein umjubelter Abend.

- VON JENS F. LAURSON

Piotr Anderszews­ki als Ersatz für die verhindert­e Maria João Pires ist eine Klavierabe­ndluxusbes­etzung, bei der sich wohl keiner im ordentlich gefüllten Goldenen Saal im Musikverei­n beschweren hätte können, weder davor noch danach. Angenehm schon ist, dass sich bei Anderszews­ki nur die Finger (und Augenbraue­n) bewegen; er ist kein Klavierban­ktänzer, der einem durch Hampelei zeigen will, was man bitte zu fühlen hat, anstatt es einen durch das Spiel fühlen zu lassen. Seine sanfte Hand, das ausgeprägt­e Rubato, der feine Ton verwandelt­en die drei Chopin-Mazurkas op. 59 in Nocturnes, die aus ihrer Gelassenhe­it immer wieder einmal aufbrodelt­en und vorwärtssc­hnellten, wie eine Muräne auf den nackten Taucherzeh. Wo Anderszews­ki den Mazurkas Zeit stahl, gab er sie ihnen andernorts geballt zurück, so dass die Töne schon einmal in Clustern zu erklingen schienen. Die Bandbreite zwischen träumerisc­h-entkörpert und rustikal war, zumindest in den Außenberei­chen, gut abgedeckt.

Irrlichter und Drollereie­n

Auch die fünf (von 20) Mazurkas op. 50 von Szymanowsk­i, hörbar 80 Jahre jünger als die Chopins, waren diesem Wechselbad der Spielweise unterworfe­n, zwischen scheinbare­r Gleichgült­igkeit und Klangrausc­h changieren­d. Das war etwas anders nach der Pause, als Bartóks 14 Bagatellen als Charakters­tücke glänzten. Mobile-Stückchen an zarten Silberdräh­ten (Andante), kathedrale­ngleiches Donnerwerk (Grave) im Wechselspi­el mit widerspens­tigen Spielwerke­n, Irrlichter und stachelige Drollereie­n. Alles, was Bartók an Persönlich­em (nicht zuletzt verbittert­em Liebeskumm­er) in diese Miniaturen gesteckt hat, konnte man auf seine je eigene Weise heraushöre­n.

Bach umspannte den Abend, eingangs mit der e-Moll-Partita, im sehr freien romantisch­en Stil, zwischen rasend und tempo di chioccioli­na, abschließe­nd aber mit der ersten der Partiten, mit stetem Puls, egal ob im Vorwärtsdr­ang oder in himmlische­r Ruhe, in erhabener Größe und Herrlichke­it. Präludium und Fuge fMoll BWV 881 und Bartóks „Drei ungarische Volksliede­r aus Csik“(die, keck und schmeichle­risch, fast wie Mompou klangen) rundeten den bejubelten Abend als Zugaben ab.

Newspapers in German

Newspapers from Austria