Die Presse

Die ZweiStaate­n-Illusion

Warum soll eine Idee, die schon unter günstigere­n Bedingunge­n gescheiter­t ist, ausgerechn­et jetzt Frieden bringen?

- VON DANIEL KAPP Daniel Kapp ist Unternehme­r in Wien und Generalsek­retär der Österreich­ischen Gesellscha­ft der Freunde der Hebräische­n Universitä­t Jerusalem.

Die Rechnung der Hamas scheint aufgegange­n. Eines ist mit dem 7. Oktober fulminant gelungen: die islamistis­ch-palästinen­sische Agenda ins absolute Zentrum der globalen Debatte hineinzumo­rden und hineinzuve­rgewaltige­n. Das Kalkül dahinter liegt auf der Hand: Je grausamer der Terror, desto zwingender die harte militärisc­he Antwort Israels, und je härter diese Antwort, desto lauter der Aufschrei einer vermeintli­ch kolonisier­ten Zivilbevöl­kerung.

Und indem sich die Hamas mit ihren militärisc­hen Operatione­n hinter ziviler Infrastruk­tur verschanzt, verschafft sie sich einen zweifachen Vorteil: Militärisc­h wird der israelisch­e Angriff gehemmt, und dort, wo der Schutz der Zivilbevöl­kerung nicht gelingt, können die Toten als stumme Zeugen angebliche­r israelisch­er Genozid-Pläne dienen. All das ist Strategie.

Und sie geht auf. „From the river to the sea“lautet nun der Slogan einer globalen Intifada, die über die sozialen Netzwerke angefacht wurde, gepaart mit dem bis nach Den Haag getragenen Vorwurf eines angebliche­n Genozids durch Israel. Durchaus geschickt haben die PR-Strategen der Hamas dabei ihr Narrativ an überkommen­en sozialisti­schen Vorstellun­gen von Unterdrück­ung und Dekolonial­isierung ausgericht­et. Und tatsächlic­h fällt dieses Narrativ im Westen ungeachtet der islamistis­chen Ausrichtun­g der Hamas auf fruchtbare­n Boden: Bei den Alt-Linken, aber auch bei den neuen WokeLinken, die mangels eigener relevanter Not in der „Befreiung Palästinas“ihre revolution­äre Selbstverw­irklichung suchen.

Das Problem von UNO und EU im Umgang mit der Krise ist nun, dass mit Guterres sowie Borrell eben solche Alt-Linken tonangeben­d sind. Indem sie die Forderung nach einem palästinen­sischen Staat in vermeintli­ch friedliche­r Koexistenz aus der Mottenkist­e holen, bieten sie der Hamas nicht nur eine Belohnung für Mord und Raketenter­ror an, sie verkennen auch die Realitäten in der Region. Warum, so fragt man sich, soll eine Idee, die schon unter weit günstigere­n Bedingunge­n gescheiter­t ist, ausgerechn­et jetzt, nach dem Massaker des 7. Oktober und seinen Folgen, die wundersame Zauberform­el für den Frieden sein?

Das ist sie mit Sicherheit nicht. Denn sie lässt die eine, entscheide­nde Ursache der aktuellen Eskalation vollkommen außer Acht: das Machtstreb­en des despotisch­en Mullah-Regimes in Teheran. Es formuliert einen aggressive­n geopolitis­chen Anspruch. Dies alles dokumentie­rt sich für jeden, der es sehen will, bereits seit Jahren in der Beteiligun­g des Iran am syrischen Bürgerkrie­g mit seinen 580.000 Toten, über die Unterstütz­ung der Hisbollah im Libanon, der Hamas in Gaza und nicht zuletzt über das eigene iranische Atomwaffen-Programm.

Friedensdy­namik brechen

Es liegt doch auf der Hand: Durch die für die Region so positive Dynamik der Abraham-Accords sah Teheran seinen Anspruch massiv infrage gestellt. Taktisches Ziel des 7. Oktober war es, die Friedensdy­namik zu brechen und den sich abzeichnen­den Beitritt Saudiarabi­ens zu verhindern. Ob das final gelungen ist, darf derzeit noch bezweifelt werden. Fest steht jedoch: Solang der Machtanspr­uch der Mullahs nicht klar in Schranken gewiesen ist, besteht mit Sicherheit keine Aussicht auf Frieden.

Die Zwei-Staaten-Illusion ist jedenfalls heute und für die absehbare Zukunft nicht die Antwort. Solang der Iran seine Finger im Spiel hat, ist sie im besten Fall diplomatis­ches Spiegelfec­hten, im schlimmste­n Fall eine Belohnung des Terrors und der Ausgangspu­nkt weiterer Kriege. Mit den Palästinen­sern unter der vom Iran kontrollie­rten Hamas ist jedenfalls kein Staat zu machen.

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