Die ZweiStaaten-Illusion
Warum soll eine Idee, die schon unter günstigeren Bedingungen gescheitert ist, ausgerechnet jetzt Frieden bringen?
Die Rechnung der Hamas scheint aufgegangen. Eines ist mit dem 7. Oktober fulminant gelungen: die islamistisch-palästinensische Agenda ins absolute Zentrum der globalen Debatte hineinzumorden und hineinzuvergewaltigen. Das Kalkül dahinter liegt auf der Hand: Je grausamer der Terror, desto zwingender die harte militärische Antwort Israels, und je härter diese Antwort, desto lauter der Aufschrei einer vermeintlich kolonisierten Zivilbevölkerung.
Und indem sich die Hamas mit ihren militärischen Operationen hinter ziviler Infrastruktur verschanzt, verschafft sie sich einen zweifachen Vorteil: Militärisch wird der israelische Angriff gehemmt, und dort, wo der Schutz der Zivilbevölkerung nicht gelingt, können die Toten als stumme Zeugen angeblicher israelischer Genozid-Pläne dienen. All das ist Strategie.
Und sie geht auf. „From the river to the sea“lautet nun der Slogan einer globalen Intifada, die über die sozialen Netzwerke angefacht wurde, gepaart mit dem bis nach Den Haag getragenen Vorwurf eines angeblichen Genozids durch Israel. Durchaus geschickt haben die PR-Strategen der Hamas dabei ihr Narrativ an überkommenen sozialistischen Vorstellungen von Unterdrückung und Dekolonialisierung ausgerichtet. Und tatsächlich fällt dieses Narrativ im Westen ungeachtet der islamistischen Ausrichtung der Hamas auf fruchtbaren Boden: Bei den Alt-Linken, aber auch bei den neuen WokeLinken, die mangels eigener relevanter Not in der „Befreiung Palästinas“ihre revolutionäre Selbstverwirklichung suchen.
Das Problem von UNO und EU im Umgang mit der Krise ist nun, dass mit Guterres sowie Borrell eben solche Alt-Linken tonangebend sind. Indem sie die Forderung nach einem palästinensischen Staat in vermeintlich friedlicher Koexistenz aus der Mottenkiste holen, bieten sie der Hamas nicht nur eine Belohnung für Mord und Raketenterror an, sie verkennen auch die Realitäten in der Region. Warum, so fragt man sich, soll eine Idee, die schon unter weit günstigeren Bedingungen gescheitert ist, ausgerechnet jetzt, nach dem Massaker des 7. Oktober und seinen Folgen, die wundersame Zauberformel für den Frieden sein?
Das ist sie mit Sicherheit nicht. Denn sie lässt die eine, entscheidende Ursache der aktuellen Eskalation vollkommen außer Acht: das Machtstreben des despotischen Mullah-Regimes in Teheran. Es formuliert einen aggressiven geopolitischen Anspruch. Dies alles dokumentiert sich für jeden, der es sehen will, bereits seit Jahren in der Beteiligung des Iran am syrischen Bürgerkrieg mit seinen 580.000 Toten, über die Unterstützung der Hisbollah im Libanon, der Hamas in Gaza und nicht zuletzt über das eigene iranische Atomwaffen-Programm.
Friedensdynamik brechen
Es liegt doch auf der Hand: Durch die für die Region so positive Dynamik der Abraham-Accords sah Teheran seinen Anspruch massiv infrage gestellt. Taktisches Ziel des 7. Oktober war es, die Friedensdynamik zu brechen und den sich abzeichnenden Beitritt Saudiarabiens zu verhindern. Ob das final gelungen ist, darf derzeit noch bezweifelt werden. Fest steht jedoch: Solang der Machtanspruch der Mullahs nicht klar in Schranken gewiesen ist, besteht mit Sicherheit keine Aussicht auf Frieden.
Die Zwei-Staaten-Illusion ist jedenfalls heute und für die absehbare Zukunft nicht die Antwort. Solang der Iran seine Finger im Spiel hat, ist sie im besten Fall diplomatisches Spiegelfechten, im schlimmsten Fall eine Belohnung des Terrors und der Ausgangspunkt weiterer Kriege. Mit den Palästinensern unter der vom Iran kontrollierten Hamas ist jedenfalls kein Staat zu machen.