Meine kleine Imkerei: Ein Hobby, von dem in Summe alle profitieren
Im Bienenstock wirkt im Kleinen bedrohlich, was die Welt bewegt: Klimawandel, der Einfluss von invasiven Arten und Monokultur. Davon lässt sich lernen.
Nichts hat meine Sicht auf die Welt in den vergangenen Jahren stärker geprägt als die Beschäftigung mit den paar Bienenvölkern, die ich in unserem und Nachbars Garten stehen habe. Es handelt sich um ein Hobby, nur damit hier kein falscher Eindruck entsteht. Mit den paar Völkern, bei denen ich jedes Jahr bange, ob ich sie gut über den Winter bringe – dieser Winter wird diesbezüglich übrigens kein guter gewesen sein –, ist nichts Gewerbsmäßiges möglich, und auch gar nicht angedacht.
Das behutsame Hantieren mit den Völkern bereitet Freude, ihre Beobachtung entspannt und lässt mich hautnah am Lauf der Natur teilhaben. Jeder Wetterumschwung, jeder Spätfrost, jede Hitzewelle, jede Kälteperiode wird plötzlich auch fürs eigene Tun bedeutsam. Naturgemäß bleibt man davon auch beim Garteln nicht verschont. Und auf vielen Fensterbänken treiben bald wieder die Paradeiser dem Frühling entgegen, sprießen womöglich bereits erste Paprikas. Doch erst mit der Verantwortung für Bienen ist man Vegetation und Witterung zur Gänze ausgesetzt. Ganzjährig.
Dabei schafft die Beschäftigung mit den Superorganismen ein Bewusstsein für Komplexität: Im Winter besteht jedes Volk aus wenigen Tausend Tieren, zur Zeit der Hochblüte im späten Frühling können es bis zu 60.000 sein. Kein einziges davon wäre allein überlebensfähig. Als Imker greift man immer wieder behutsam ein, nicht nur in die eigenen Völker. Letztlich steht man als Bienenhalter stets auch mit der Landwirtschaft rundum im Austausch.
Und in meinen Bienenstöcken kommt viel von dem zusammen, was die Welt gerade bewegt: der Klimawandel mit seinen problematisch milden Wintern (denn unsere Honigbienen brauchen Frost und die durch ihn ausgelösten Brutpausen, um vital zu bleiben), die Bedrohung durch invasive Arten (die Varroamilbe wurde in den späten 1970erJahren eingeschleppt, ohne ihre permanente Bekämpfung durch die Imkerei wären Honigbienen in unseren Breiten nicht mehr lebensfähig; die räuberische asiatische Hornisse Vespa velutina tauchte 2014 erstmals in Frankreich auf und wurde bereits in Tschechien und zuletzt sogar im grenznahen Ungarn nachgewiesen), Artenschutz in der Kulturlandschaft (Bienen bestäuben auch die alten Obstbäume und die Pflanzen auf den Feldern rundum), die Abkopplung von Teilen der Landwirtschaft aus natürlichen Kreisläufen (wachsen auf den Äckern in Flugreichweite meiner Bienen Sonnenblumen heran, bange ich, ob sich der Bauer diesmal vielleicht für das Saatgut jener besonders ertragreichen Sonnenblumen entschieden hat, die kaum noch oder gar keine Energie mehr in die Produktion von Pollen stecken; dann wäre das Feld nicht nur für meine Insekten ähnlich wertvoll wie die asphaltierten Parkplatzwüsten vor den Supermärkten). All das spielt eine Rolle und reicht weit über meine eigenen paar Quadratmeter Einflussbereich hinaus. All das beobachten meine Kinder und die neugierigen Nachbarbuben.
Mit der Verantwortung für Bienen ist man Vegetation und Witterung zur Gänze ausgesetzt.
Viele vergessen, dass es sich bei der Bienenhaltung um die einzige Form der Landnutzung handelt, in der ich fremdes Land nutzen darf. Einfach so. Schließlich kann kein Mensch meinen Bienen vorschreiben, wohin sie fliegen dürfen. Das hat Vorteile, weil die umliegenden Gärten oft mehr Blüten und Vielfalt bieten als die landwirtschaftlichen Monokulturen außerhalb des Siedlungsgebiets. Ich schenke den Nachbarn deshalb regelmäßig ein kleines Gläschen Honig – mit dem freundlichen Hinweis: „Bitte schön! Der ist aus eurem Garten.“
Zwei von ihnen brachte das zum Nachdenken. Sie haben aufgehört, ihre Obstbäume im Frühling zu spritzen. Auf ihre Bitte hin habe ich recherchiert und herausgefunden, dass es kein einziges Pflanzenschutzmittel (das heißt: Gift) gibt, das Kirschen und Marillen vor Würmern bewahrt, dabei aber nicht gleichzeitig meine Völker schädigt. Vor allem aber wurde ihnen auch klar, dass das Gift über meinen Honig sonst auch bei ihnen auf dem Frühstückstisch landet.