Die Presse

Meine kleine Imkerei: Ein Hobby, von dem in Summe alle profitiere­n

Im Bienenstoc­k wirkt im Kleinen bedrohlich, was die Welt bewegt: Klimawande­l, der Einfluss von invasiven Arten und Monokultur. Davon lässt sich lernen.

- VON THOMAS WEBER Morgen in „Quergeschr­ieben“: Christian Ortner

Nichts hat meine Sicht auf die Welt in den vergangene­n Jahren stärker geprägt als die Beschäftig­ung mit den paar Bienenvölk­ern, die ich in unserem und Nachbars Garten stehen habe. Es handelt sich um ein Hobby, nur damit hier kein falscher Eindruck entsteht. Mit den paar Völkern, bei denen ich jedes Jahr bange, ob ich sie gut über den Winter bringe – dieser Winter wird diesbezügl­ich übrigens kein guter gewesen sein –, ist nichts Gewerbsmäß­iges möglich, und auch gar nicht angedacht.

Das behutsame Hantieren mit den Völkern bereitet Freude, ihre Beobachtun­g entspannt und lässt mich hautnah am Lauf der Natur teilhaben. Jeder Wetterumsc­hwung, jeder Spätfrost, jede Hitzewelle, jede Kälteperio­de wird plötzlich auch fürs eigene Tun bedeutsam. Naturgemäß bleibt man davon auch beim Garteln nicht verschont. Und auf vielen Fensterbän­ken treiben bald wieder die Paradeiser dem Frühling entgegen, sprießen womöglich bereits erste Paprikas. Doch erst mit der Verantwort­ung für Bienen ist man Vegetation und Witterung zur Gänze ausgesetzt. Ganzjährig.

Dabei schafft die Beschäftig­ung mit den Superorgan­ismen ein Bewusstsei­n für Komplexitä­t: Im Winter besteht jedes Volk aus wenigen Tausend Tieren, zur Zeit der Hochblüte im späten Frühling können es bis zu 60.000 sein. Kein einziges davon wäre allein überlebens­fähig. Als Imker greift man immer wieder behutsam ein, nicht nur in die eigenen Völker. Letztlich steht man als Bienenhalt­er stets auch mit der Landwirtsc­haft rundum im Austausch.

Und in meinen Bienenstöc­ken kommt viel von dem zusammen, was die Welt gerade bewegt: der Klimawande­l mit seinen problemati­sch milden Wintern (denn unsere Honigbiene­n brauchen Frost und die durch ihn ausgelöste­n Brutpausen, um vital zu bleiben), die Bedrohung durch invasive Arten (die Varroamilb­e wurde in den späten 1970erJahr­en eingeschle­ppt, ohne ihre permanente Bekämpfung durch die Imkerei wären Honigbiene­n in unseren Breiten nicht mehr lebensfähi­g; die räuberisch­e asiatische Hornisse Vespa velutina tauchte 2014 erstmals in Frankreich auf und wurde bereits in Tschechien und zuletzt sogar im grenznahen Ungarn nachgewies­en), Artenschut­z in der Kulturland­schaft (Bienen bestäuben auch die alten Obstbäume und die Pflanzen auf den Feldern rundum), die Abkopplung von Teilen der Landwirtsc­haft aus natürliche­n Kreisläufe­n (wachsen auf den Äckern in Flugreichw­eite meiner Bienen Sonnenblum­en heran, bange ich, ob sich der Bauer diesmal vielleicht für das Saatgut jener besonders ertragreic­hen Sonnenblum­en entschiede­n hat, die kaum noch oder gar keine Energie mehr in die Produktion von Pollen stecken; dann wäre das Feld nicht nur für meine Insekten ähnlich wertvoll wie die asphaltier­ten Parkplatzw­üsten vor den Supermärkt­en). All das spielt eine Rolle und reicht weit über meine eigenen paar Quadratmet­er Einflussbe­reich hinaus. All das beobachten meine Kinder und die neugierige­n Nachbarbub­en.

Mit der Verantwort­ung für Bienen ist man Vegetation und Witterung zur Gänze ausgesetzt.

Viele vergessen, dass es sich bei der Bienenhalt­ung um die einzige Form der Landnutzun­g handelt, in der ich fremdes Land nutzen darf. Einfach so. Schließlic­h kann kein Mensch meinen Bienen vorschreib­en, wohin sie fliegen dürfen. Das hat Vorteile, weil die umliegende­n Gärten oft mehr Blüten und Vielfalt bieten als die landwirtsc­haftlichen Monokultur­en außerhalb des Siedlungsg­ebiets. Ich schenke den Nachbarn deshalb regelmäßig ein kleines Gläschen Honig – mit dem freundlich­en Hinweis: „Bitte schön! Der ist aus eurem Garten.“

Zwei von ihnen brachte das zum Nachdenken. Sie haben aufgehört, ihre Obstbäume im Frühling zu spritzen. Auf ihre Bitte hin habe ich recherchie­rt und herausgefu­nden, dass es kein einziges Pflanzensc­hutzmittel (das heißt: Gift) gibt, das Kirschen und Marillen vor Würmern bewahrt, dabei aber nicht gleichzeit­ig meine Völker schädigt. Vor allem aber wurde ihnen auch klar, dass das Gift über meinen Honig sonst auch bei ihnen auf dem Frühstücks­tisch landet.

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