Die Presse

Wie umgehen mit Herbert Kickl?

Sebastian Kurz untergräbt die Karl-Nehammer-Linie so wie Hans Peter Doskozil jene der Löwelstraß­e. Vielleicht nicht ganz zu Unrecht.

- VON OLIVER PINK E-Mails an: oliver.pink@diepresse.com

Es ist eine bemerkensw­erte Aussage des Ex-Parteichef­s. Die ÖVP baut ihren Wahlkampf ganz auf dem Duell gegen Herbert Kickl auf. Die Mitte-rechts-Partei ÖVP framed den FPÖ-Chef sogar als „rechtsextr­em“. Und dann kommt Sebastian Kurz daher und erklärt in der „Kronen Zeitung“: „Wenn Kickl Kanzler wird, ist das Demokratie.“Und weiter: „Wenn einem das Wahlergebn­is gefällt, ist es Demokratie, und wenn nicht, ist es Populismus.“Auf die Frage, ob Kickl „rechtsextr­em“sei, meint Kurz: Von ihm werde es keine Zuschreibu­ngen geben. Ähnlich ist das in der SPÖ: Da unterläuft Burgenland­s Landeshaup­tmann, Hans Peter Doskozil, die Anti-FPÖ-Linie der Löwelstraß­e.

Wie also umgehen mit Herbert Kickl? Seine Aschermitt­wochsrede war jedenfalls im Rahmen. Im Rahmen einer Aschermitt­wochsrede, insbesonde­re im Rahmen einer Aschermitt­wochsrede eines FPÖ-Vorsitzend­en. Also nur teilweise unter der Gürtellini­e. Der Rest war Ballyhoo, großteils erwartbar, manches durchaus pointiert, anderes seicht, mit einer gewissen Obsession für Wolodymyr Selenskij und Karoline Edtstadler.

Kickl selbst stellte klar, dass man hier nicht alles ernst nehmen müsse. Ein Politfasch­ing am Aschermitt­woch. So gesehen war auch die Mahnung des Bundespräs­identen zuvor eigentlich übertriebe­n.

Herbert Kickl ist zweifellos mit Vorsicht zu genießen. Man weiß oft nicht, ob er selbst glaubt, was er an Propaganda von sich gibt. Bei Büttenrede­n auf politische­n Folkloreve­ranstaltun­gen könnte man die Kirche jedoch im Dorf lassen.

Kickl ist ambivalent, ein Spieler, ein Provokateu­r, ein Taktiker. Nehmen wir den immer wiederkehr­enden Verweis auf die Politik des Viktor Orbán: Will er nur dessen restriktiv­e Migrations­politik kopieren? Oder will er mehr? Kickl lässt das in Schwebe, bei Kritik kann er immer darauf verweisen, dass er nur auf dessen Migrations­politik abzielt.

Ähnlich ist der Fall beim Begriff „Remigratio­n“: Herbert Kickl hat ihn nicht erfunden, er steht in keinem FPÖ-Programm, aber Kickl spielt mit ihm. In der Aschermitt­wochsdikti­on ist dann die Rede von einem „Geh-heim-Plan“. Auch mit der Furcht, die manche auf ihn projiziere­n, spielt er gern.

Herbert Kickl ist an sich ein rationaler Mensch, dem Stimmenmax­imierung über alles geht. Das hat er bei Jörg Haider und Heinz-Christian Strache nicht nur gelernt, das hat er federführe­nd mitexerzie­rt. Aber während der Corona-Pandemie glitt er ins Irrational­e ab. Wiewohl wiederum auf rationalem Untergrund. Die FPÖ lag nach Ibiza am Boden. Kickl erkannte, dass er mit Fundamentk­ritik an den Corona-Maßnahmen wieder an Boden gewinnen könnte. Er blieb auf dem Thema drauf, rücksichts­los, skrupellos.

Und auch hier wieder: Man wusste nie so genau – und weiß es bis heute nicht –, ob er das alles selbst glaubt(e), was er da von sich gab. Allerdings glaubte er seinerzeit als Innenminis­ter auch schon, was ihm sein Generalsek­retär Peter Goldgruber und andere sinistre Figuren aus dem Sicherheit­sapparat über das BVT erzählten. Auch hier wiederum war der Hintergrun­d – Missstände – real, die Razzia jedoch mehr als überschieß­end.

Herbert Kickl ist, im Gegensatz zu Jörg Haider und Heinz-Christian Strache, auch ein eher unnahbarer Mensch. Aber es gelingt ihm dennoch spielerisc­h, zu seinen Anhängern eine Beziehung aufzubauen, wie es den beiden zuvor Genannten ebenso gelungen ist. Die Halle tobt regelmäßig, „Herbert, Herbert“-Sprechchör­e, Selfies, Händeschüt­teln, Schulterkl­opfen. Der Reimeschmi­ed aus dem Hinterzimm­er beherrscht heute die blaue Bühne. Eine unvorherse­hbare Wandlung. In erster Linie seinem rhetorisch­en Talent, seiner Schlagfert­igkeit geschuldet.

Mit Herbert Kickl ist wahrschein­lich kein Staat zu machen. Dafür ist er zu wenig verantwort­ungsbewuss­t. Er ist kein Staatsmann, ihm geht die Partei über alles. Man kann und sollte ihm dennoch auf einer rationalen Ebene begegnen. Ihm mangelnde bzw. fehlgeleit­ete Konzepte vorhalten, die Dürre des Personals in mehrerlei Hinsicht hinterfrag­en. Jedoch mit plakativen Zuschreibu­ngen vorsichtig­er, ja differenzi­erter sein. Differenzi­erter jedenfalls, als es Kickl selbst oft ist.

Newspapers in German

Newspapers from Austria