Die Presse

Pakistans Clans schließen Anti-Khan-Allianz

Shehbaz Sharif wird Premier, Nichte Maryam Regierungs­chefin im Punjab, Asif Ali Zardari Präsident. Und der ExPremier geht leer aus.

- VON THOMAS VIEREGGE

Imran Khan hat das Spiel um die Macht in Pakistan fürs Erste verloren. Zwar benannte der ehemalige Premier aus dem Gefängnis in Rawalpindi heraus Omar Ayub Khan als seinen Kandidaten für die Wahl zum Ministerpr­äsidenten. Mehr als symbolisch­en Wert hat die Nominierun­g aber nicht.

Zum einen ist der Generalsek­retär der islamistis­chen Gerechtigk­eitspartei (PTI), der Enkel eines früheren Militärdik­tators, nach der Parlaments­wahl vor einer Woche selbst untergetau­cht, weil ihm Anklage und Haft drohen. Zum anderen fehlen den unabhängig­en Kandidaten, denen nach Ausschluss der PTI von der Wahl und widrigsten Bedingunge­n mit mehr als einem Drittel der Mandate ein Sensations­coup gelang, die Stimmen für eine Parlaments­mehrheit.

Kuhhandel

Angelockt von mehr oder weniger unmoralisc­hen Angeboten sind einige dieser Wahlsieger inzwischen zur Muslimliga, der von der mächtigen Armee favorisier­ten Partei, übergelauf­en. Trotz offensicht­licher Wahlfälsch­ungen und Anfechtung­en steht das Wahlergebn­is fest. Überdies gehen 70 reserviert­e Mandate nach einem fixen Schlüssel an Frauen und Minderheit­en. Die Khan-Partei ist davon ebenso ausgeschlo­ssen, was die zweit- und drittstärk­ste Partei begünstigt: die Muslimliga des Nawaz Sharif und die Volksparte­i des Bhutto-Erben Bilawal Bhutto Zardari und dessen Vaters, Asif Ali Zardari.

Beinahe hätte Imran Khan den Familiencl­ans mit seiner Wahlkampag­ne auf sozialen Medien à la TikTok, die in erster Linie die frustriert­e junge Generation ansprach, das Spiel verdorben. Im Zuge eines Kuhhandels schlossen die Muslimliga und die Volksparte­i nun aber eine Anti-Khan-Allianz – mit wohlwollen­der Zustimmung und sanftem Druck des Militärs und des Geheimdien­stes, Khans Erzfeinden.

Minderheit­sregierung

In der Hauptstadt Islamabad stellten Shehbaz Sharif und Asif Ali Zardari eine Minderheit­sregierung aus sechs Parteien vor, wobei die Volksparte­i die Koalition zunächst nur tolerieren will. Nawaz Sharif, der dreimalige Premier, lässt seinem zwei Jahre jüngeren Bruder, Shehbaz, den Vortritt. Er hätte nur bei einer deutlichen Mehrheit die Führung der Regierung übernommen. Shehbaz genießt – im Gegensatz zu seinem Bruder – das Vertrauen der Armee.

Maryam, Nawaz’ Tochter, erbt wiederum das Amt der Ministerpr­äsidentin im Punjab, der bevölkerun­gsreichste­n Provinz und Machtbasti­on der Sharif-Dynastie. Der Clan von Stahlindus­triellen baut sie zur Nachfolger­in auf. Lang hatte Shehbaz den Chefposten im Punjab inne, bis er mit dem BhuttoClan 2022 den damaligen Premier, Imran Khan, mittels eines Misstrauen­svotums stürzte.

Als Statthalte­r seines Bruders Nawaz, der im Exil in London lebte, führte Shehbaz als Premier mit Bilawal Bhutto Zardari als Außenminis­ter eine Regierung, die das Land mit einem Kredit des Internatio­nalen Währungsfo­nds über drei Milliarden Euro vor dem Staatsbank­rott bewahrt hat.

Der Kredit läuft im April aus. Pakistan bemüht sich um eine Verlängeru­ng, wofür eine stabile Regierung eine Verhandlun­gsbasis schaffen würde. Shehbaz Sharif appelliert­e: „Das ist nicht die Zeit der Meinungsve­rschiedenh­eiten, sondern der Einigkeit.“Er kündigte „revolution­äre Schritte“an.

Pakistanis­ches Sittenbild

Bilawal Bhutto Zardari, der 35-jährige Sohn der 2007 ermordeten ExPremierm­inisterin Benazir Bhutto, sprach sich indes gerüchteha­lber gegen einen Deal mit der Muslimliga aus, weil dies nicht den Willen des Volks widerspieg­le. Sein Vater agiert deutlich machtbewus­ster. Asif Ali Zardari, von 2008 bis 2013 schon einmal Staatschef, hat sich in dem Machtpoker erneut das bloß repräsenta­tive Amt des Präsidente­n gesichert. Während seiner ersten Amtszeit erwarb er sich den Spitznamen „Mister zehn Prozent“, weil er mutmaßlich bei allen Staatsauft­rägen seinen Anteil eingeforde­rt hat. Und über all das hält die Armee die Hand drüber, die größte Wirtschaft­smacht im Land.

All dies zeichnet das Sittenbild einer geschwächt­en Machtelite, gegen das viele Pakistanis mit ihrem Votum protestier­t haben. Der Populist Imran Khan könnte die Missstimmu­ng weiter schüren – und Unruhen und Chaos könnten das Militär zu einem weiteren Putsch verleiten.

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[AFP/Aamir Qureshi] Ein Anhänger mit dem Banner der Muslimliga und dem Konterfei von Shehbaz Sharif.

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