Pakistans Clans schließen Anti-Khan-Allianz
Shehbaz Sharif wird Premier, Nichte Maryam Regierungschefin im Punjab, Asif Ali Zardari Präsident. Und der ExPremier geht leer aus.
Imran Khan hat das Spiel um die Macht in Pakistan fürs Erste verloren. Zwar benannte der ehemalige Premier aus dem Gefängnis in Rawalpindi heraus Omar Ayub Khan als seinen Kandidaten für die Wahl zum Ministerpräsidenten. Mehr als symbolischen Wert hat die Nominierung aber nicht.
Zum einen ist der Generalsekretär der islamistischen Gerechtigkeitspartei (PTI), der Enkel eines früheren Militärdiktators, nach der Parlamentswahl vor einer Woche selbst untergetaucht, weil ihm Anklage und Haft drohen. Zum anderen fehlen den unabhängigen Kandidaten, denen nach Ausschluss der PTI von der Wahl und widrigsten Bedingungen mit mehr als einem Drittel der Mandate ein Sensationscoup gelang, die Stimmen für eine Parlamentsmehrheit.
Kuhhandel
Angelockt von mehr oder weniger unmoralischen Angeboten sind einige dieser Wahlsieger inzwischen zur Muslimliga, der von der mächtigen Armee favorisierten Partei, übergelaufen. Trotz offensichtlicher Wahlfälschungen und Anfechtungen steht das Wahlergebnis fest. Überdies gehen 70 reservierte Mandate nach einem fixen Schlüssel an Frauen und Minderheiten. Die Khan-Partei ist davon ebenso ausgeschlossen, was die zweit- und drittstärkste Partei begünstigt: die Muslimliga des Nawaz Sharif und die Volkspartei des Bhutto-Erben Bilawal Bhutto Zardari und dessen Vaters, Asif Ali Zardari.
Beinahe hätte Imran Khan den Familienclans mit seiner Wahlkampagne auf sozialen Medien à la TikTok, die in erster Linie die frustrierte junge Generation ansprach, das Spiel verdorben. Im Zuge eines Kuhhandels schlossen die Muslimliga und die Volkspartei nun aber eine Anti-Khan-Allianz – mit wohlwollender Zustimmung und sanftem Druck des Militärs und des Geheimdienstes, Khans Erzfeinden.
Minderheitsregierung
In der Hauptstadt Islamabad stellten Shehbaz Sharif und Asif Ali Zardari eine Minderheitsregierung aus sechs Parteien vor, wobei die Volkspartei die Koalition zunächst nur tolerieren will. Nawaz Sharif, der dreimalige Premier, lässt seinem zwei Jahre jüngeren Bruder, Shehbaz, den Vortritt. Er hätte nur bei einer deutlichen Mehrheit die Führung der Regierung übernommen. Shehbaz genießt – im Gegensatz zu seinem Bruder – das Vertrauen der Armee.
Maryam, Nawaz’ Tochter, erbt wiederum das Amt der Ministerpräsidentin im Punjab, der bevölkerungsreichsten Provinz und Machtbastion der Sharif-Dynastie. Der Clan von Stahlindustriellen baut sie zur Nachfolgerin auf. Lang hatte Shehbaz den Chefposten im Punjab inne, bis er mit dem BhuttoClan 2022 den damaligen Premier, Imran Khan, mittels eines Misstrauensvotums stürzte.
Als Statthalter seines Bruders Nawaz, der im Exil in London lebte, führte Shehbaz als Premier mit Bilawal Bhutto Zardari als Außenminister eine Regierung, die das Land mit einem Kredit des Internationalen Währungsfonds über drei Milliarden Euro vor dem Staatsbankrott bewahrt hat.
Der Kredit läuft im April aus. Pakistan bemüht sich um eine Verlängerung, wofür eine stabile Regierung eine Verhandlungsbasis schaffen würde. Shehbaz Sharif appellierte: „Das ist nicht die Zeit der Meinungsverschiedenheiten, sondern der Einigkeit.“Er kündigte „revolutionäre Schritte“an.
Pakistanisches Sittenbild
Bilawal Bhutto Zardari, der 35-jährige Sohn der 2007 ermordeten ExPremierministerin Benazir Bhutto, sprach sich indes gerüchtehalber gegen einen Deal mit der Muslimliga aus, weil dies nicht den Willen des Volks widerspiegle. Sein Vater agiert deutlich machtbewusster. Asif Ali Zardari, von 2008 bis 2013 schon einmal Staatschef, hat sich in dem Machtpoker erneut das bloß repräsentative Amt des Präsidenten gesichert. Während seiner ersten Amtszeit erwarb er sich den Spitznamen „Mister zehn Prozent“, weil er mutmaßlich bei allen Staatsaufträgen seinen Anteil eingefordert hat. Und über all das hält die Armee die Hand drüber, die größte Wirtschaftsmacht im Land.
All dies zeichnet das Sittenbild einer geschwächten Machtelite, gegen das viele Pakistanis mit ihrem Votum protestiert haben. Der Populist Imran Khan könnte die Missstimmung weiter schüren – und Unruhen und Chaos könnten das Militär zu einem weiteren Putsch verleiten.