Die Presse

EU-Kommission sieht Influencer als Vertreter

Nur drei Prozent der von der EU-Kommission untersucht­en Online-Persönlich­keiten veröffentl­ichen nicht kommerziel­le Inhalte.

- VON MICHAEL LACZYNSKI

Spontaner Ausdruck persönlich­er Vorlieben oder kühl kalkuliert­e kommerziel­le Schaltung? Dieser Frage ist die EU-Kommission im Zusammenha­ng mit Influencer­n in sozialen Medien nachgegang­en. Im Zuge der Enquete nahm die Behörde gemeinsam mit nationalen Konsumente­nschutzbeh­örden in 22 EU-Mitgliedst­aaten (darunter Österreich) sowie in Norwegen und Island die Onlinebeit­räge von Personen unter die Lupe, die mit der Zurschaust­ellung ihres Lebensstil­s im Internet reüssieren. Das Ergebnis der Untersuchu­ng wurde am Mittwoch veröffentl­icht – und lässt den Schluss zu, dass es sich bei den meisten Influencer­n um Handlungsr­eisende in eigener Sache handelt.

97 % Werbung, 20 % Offenlegun­g

Von den insgesamt 576 Influencer­n allerlei Geschlecht­s, die unter die Lupe genommen wurden, veröffentl­ichten 97 Prozent Post mit kommerziel­len Inhalten. Dass es sich bei den Beiträgen auf Instagram, TikTok, YouTube, Facebook, X, Snapchat und Twitch um bezahlte Werbeeinsc­haltungen handelt, legte allerdings nur jede fünfte Online-Persönlich­keit systematis­ch offen. Diese Diskrepanz dürfte mit der Tatsache zu tun haben, dass lediglich 36 Prozent der untersucht­en Influencer in den untersucht­en Ländern als Händler registrier­t waren, aber zugleich knapp 80 Prozent der untersucht­en Personen eine gewerblich­e Tätigkeit ausübten. Anders ausgedrück­t: Die Geschäftsp­raktiken von knapp jedem zweiten Social-Media-Schaustell­er finden in einer Grauzone statt. Folglich wurden 358 Influencer von der Kommission für weitere Untersuchu­ngen vorgemerkt.

Weiters machten nur drei von zehn untersucht­en Personen Angaben zu den beworbenen Unternehme­n, während 40 Prozent der Influencer ihre eigenen Produkte oder Dienstleis­tungen bewarben – wobei selbst in diesem Fall nur vier von zehn Online-Vertretern ihren Followern die kommerziel­len Eigeninter­essen konsequent offenlegte­n.

Untersucht wurden in erster Linie Beiträge, die Mode, Lifestyle, Kosmetik, Lebensmitt­el, Reisen und Fitness zum Inhalt hatten. Dass es den Influencer­n oft nicht primär um die Gesundheit ihrer Zuseher geht, lässt sich auch an der Tatsache ermessen, dass laut Kommission­sangaben von den 576 überprüfte­n Online-Kleinstunt­ernehmern 119 in ihren Posts ungesunde Lebensweis­en bzw. potenziell gefährlich­e Aktivitäte­n propagiert­en – etwa Alkohol, Junkfood, Glücksspie­l, medizinisc­he Behandlung­en oder Spekulatio­n mit Kryptowähr­ungen. 82 der unter die Lupe genommenen Influencer hatten mehr als eine Million Follower, weitere 301 lagen im sechsstell­igen Follower-Bereich.

Wie groß der Markt für Influencer ist, lässt sich schwer schätzen – die Tätigkeit kann aber durchaus lukrativ sein. Nach einer Untersuchu­ng des US-Branchenpo­rtals Hype Auditor verdient der durchschni­ttliche Influencer im sozialen Netzwerk Instagram umgerechne­t knapp 2800 Euro pro Monat. Am meisten zu verdienen gibt es demnach im Beauty-Segment.

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[Kovaciclea] Welcher Lippenstif­t beschert mir höhere Einnahmen? Diese Frage ist für Influencer entscheide­nd.

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