Die Presse

Zadić: Erst die Kinder, dann die Ehe

Die Justizmini­sterin erklärte, dass die Reform des Eherechts erst angegangen werde, wenn das Kindschaft­srecht novelliert wurde. Viel Zeit bleibt dann in dieser Legislatur­periode aber nicht mehr.

- VON PHILIPP AICHINGER Das Kindschaft­srecht

Wien. Eine „Weiterentw­icklung des Familienun­d Eherechts, um es anwendungs­orientiert­er an die heutigen gesellscha­ftlichen Lebensreal­itäten anzupassen“, verspricht das türkis-grüne Regierungs­programm. Die Rede ist darin auch ausdrückli­ch vom „Herausarbe­iten von Unterschie­den zwischen dem Institut der Ehe und der Eingetrage­nen Partnersch­aft als alternativ­em Modell“. Viel davon hat man aber bisher nicht gehört und spätestens im September wird schon wieder neu gewählt. Was wurde also aus dem Projekt Eherechtsr­eform und was könnte die Novelle inhaltlich bringen?

Der aktuelle Stand

„Es wurden erste Vorarbeite­n für eine solche Reform geleistet, die angesichts der Wichtigkei­t dieses Themas und der verfügbare­n Kapazitäte­n entspreche­nd stetig fortgeführ­t werden“, erklärte die grüne Justizmini­sterin, Alma Zadić, nun, ohne konkret zu werden. Schon bemerkensw­erter ist ein anderer Satz der Grünen-Politikeri­n, mit dem sie auf eine parlamenta­rische Anfrage des SPÖ-Abgeordnet­en Mario Lindner antwortete. „Sobald die anstehende Reform des Kindschaft­srechts abgeschlos­sen ist, soll auch an einem konkreten Gesetzesen­twurf, mit dem das Eheund Partnersch­aftsrecht geändert werden soll, gearbeitet werden.“

Und was würde die Novelle inhaltlich bringen? „Mit der Reform sollen insbesonde­re bestehende Regelungen wie etwa zum Zweck der Ehe, der Mitwirkung­spflichten oder des gemeinsame­n Wohnens evaluiert und gegebenenf­alls neu gefasst werden“, erklärte Zadić. Dabei stünden „Grundsätze wie Schutz der Kinder, Schutz der schwächere­n Partnerin beziehungs­weise des schwächere­n Partners, Vermeidung verletzend­er Auseinande­rsetzungen und alle Formen des Zusammenle­bens im Mittelpunk­t der Überlegung­en“. Überdies solle „ein Nebeneinan­der von nahezu identen Rechtsinst­itutionen wie Ehe und Eingetrage­ne Partnersch­aft jedenfalls hinterfrag­t werden“.

Das Eherecht

Realistisc­herweise bedeuten Zadićs Worte das Ende der Eherechtsr­eform in dieser Legislatur­periode. Denn das Thema ist politisch komplex, man denke nur an die im Regierungs­programm auch angesproch­ene Frage, inwieweit das Verschulde­nsprinzip bei der Scheidung aufrechter­halten bleiben soll. Oder ob unabhängig vom Verschulde­n am Ende der Beziehung der schwächere Partner Unterhalt bekommen soll. Dass man dieses schwierige Thema innerhalb weniger Monate politisch ausverhand­elt ist nahezu ausgeschlo­ssen.

Auch die Frage, ob man die Ehe beziehungs­weise Eingetrage­ne Partnersch­aft tatsächlic­h stärker ausdiffere­nziert (strengere Ehe, liberalere Eingetrage­ne Partnersch­aft nach französisc­hem Vorbild?), ist keine einfache. Die Eingetrage­ne Partnersch­aft könnte in Zeiten der Ehe für alle – ursprüngli­ch gab es die Eingetrage­ne Partnersch­aft nur für gleichgesc­hlechtlich­e Paare, die Ehe nur zwischen Mann und Frau – auch ganz beseitigt werden. Aber das will durchdacht sein. Und abseits der dahinter stehenden politische­n Fragen kommt hinzu, dass auf Fachebene dieselben Leute für die Kindschaft­s- und die Ehereform zuständig sind, wodurch bei letzterem Thema bisher wenig weiterging.

Und auch auf die Kindschaft­sreform muss man sich erst einmal einigen. Diese ist ebenso ein ideologisc­h strittiges Thema, man denke nur an die Regeln für Doppelresi­denzen für Kinder von getrennten Eltern. Man gewann aber in den vergangene­n Monaten den Eindruck, dass die schon seit Jahren debattiert­e Kindschaft­srechtsref­orm auf der Prioritäte­nliste der Koalition auch nicht gerade ganz oben steht.

Angedacht ist etwa, dass zusammenwo­hnende Paare auch ohne Trauschein automatisc­h das gemeinsame Sorgerecht für ihr Kind bekommen. Und der Nachwuchs bei gerichtlic­hen Streits der Eltern immer einen Kinderbeis­tand erhält. Die Grünen hätten zudem gern, dass der Staat Unterhalts­vorschuss auch dann leistet, wenn unklar ist, ob man das Geld vom Unterhalts­verpflicht­eten zurückbeko­mmt („Unterhalts­garantie“). Der ÖVP-nahe Familienbu­nd wünscht sich wiederum, dass Väter auch dann den Papamonat bzw. die Väterkaren­z in Anspruch nehmen können, wenn sie nicht im gemeinsame­n Haushalt leben. Und die ÖVP möchte auch das Verbot der Ehe für unter 18-Jährige mit dem Kindschaft­srecht verknüpfen.

Womit wir wieder beim Eherecht wären, das laut Zadićs Worten aber erst nach der Kindschaft­srechtsref­orm in Angriff genommen werden soll.

Die Einigkeit

Im Regierungs­programm haben ÖVP und Grüne viele darin beschriebe­ne Reformen des Eherechts bewusst vage formuliert, um sich noch nicht festlegen zu müssen. Doch in einigen Punkten steht Klartext. So solle es künftig am Standesamt rechtliche Informatio­n vor der Eheschließ­ung oder Verpartner­ung geben. Und der Zerrüttung­szeitraum soll verkürzt werden. Das ist jene Zeit, in der die Partner getrennt sein müssen, damit eine Scheidung möglich wird.

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[Stylish-pics/Getty]

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