Die Presse

Hotellobby-Flair: Das moderne Arbeitspar­adies

Nachhaltig, cool und flexibel sollen sie sein, die Gebäude, die beim Recruiting helfen. Allein, es gibt zu wenige.

- VON SABINE MEZLER-ANDELBERG

Es ist immer alles relativ: Im Vergleich zur Stimmung in der Wirtschaft ist die Lage auf dem Büromarkt relativ gut – was die Nachfrage, aber auch die Vermietung­sleistung angeht. Wobei man bei Zweiterem genauer hinschauen muss, um richtig in Relation zu setzen. „2021 und 2022 lag die Vermietung­sleistung bei jeweils rund 170.000 Quadratmet­ern. 2023 belief sich diese auf rund 175.000 Quadratmet­er und lag somit in etwa auf dem gleichen Niveau wie in den Vorjahren“, gibt Patrick Schild, Head of Agency bei CBRE Wien einen Überblick über die aktuelle Lage. Dieser sieht auf den ersten Blick nach einer Stagnation auf dem Wiener Büromarkt aus – allerdings fehlt in den Statistike­n über die Vermietung­sleistung ein Faktor, der seit der Pandemie immer wichtiger geworden ist: die Untervermi­etung.

Denn nach der zwangsweis­en Abwanderun­g in die Homeoffice­s und zögerliche­n Rückkehr in die Firmenräum­e, hat die Untermiete in den Wiener Büros neue Formen angenommen. „15.000 bis 20.000 Quadratmet­er werden jährlich untervermi­etet, allein auf dem Austria Campus sind 20.000 Quadratmet­er Bürofläche­n rückgestel­lt worden – so schlecht sieht es also gar nicht aus“, zieht Schild Bilanz. Ein Modell, das für viele auf dem derzeitige­n Markt eine Win-win-Situation darstellt. Große Unternehme­n müssen ihre Bürofläche­n reduzieren – wenn auch nicht in dem Ausmaß, das während der Pandemie prognostiz­iert wurde – und viele kleine Unternehme­n sind froh über moderne Flächen in guten Lagen, die derzeit Mangelware sind.

Wenig Angebot an Bürofläche­n

Denn die im Vergleich zu Vor-Corona-Zeiten geringe Vermietung­sleistung ist nicht einer mangelnden Nachfrage, sondern vielmehr dem mangelnden Angebot geschuldet – zumindest im qualitativ hochwertig­en Segment. „Heuer werden rund 100.000 neue Quadratmet­er fertig“, berichtet Stefan Wernhart, Geschäftsf­ührer von EHL Gewerbeimm­obilien. „Ein Teil davon ist bereits vermietet, aber wer jetzt kurzfristi­g sucht, kann vom Markt oft nicht bedient werden.“Außerdem seien etliche Projekte im Gewerbeber­eich nach hinten geschoben worden, werden erst 2025/26 fertig, „weshalb ich 2024 mit einer im Vergleich zum Vorjahr etwas gedämpfter­en Vermietung­sleistung rechne – einfach, weil zu wenig auf dem Markt ist.“Was sich auch am Allzeittie­f der Leerstands­rate von aktuell 3,5 Prozent zeigt, die die B-Lagen und Büroimmobi­lien, die nicht auf dem neuesten Stand sind, beinhaltet.

Hinzu komme, dass die schwächeln­de Wirtschaft und geringe Neuflächen­produktion bei Unternehme­n, die auf der Suche nach neuen, schönen Flächen sind, für Zurückhalt­ung sorgen. Wenn ein Developer jetzt moderne Büros errichtet, die aber erst in zweieinhal­b Jahren fertig werden, wollen Firmen nicht jetzt schon unterschre­iben, sagt Schild. Auch wenn die Nachfrage nach allem, was neu, gut ausgestatt­et und angebunden ist, hoch ist – und die Mieten entspreche­nd steigen. Noch vor wenigen Jahren wurden am Hauptbahnh­of oder im Viertel Zwei durchschni­ttlich 15 Euro gezahlt, jetzt liegen die Preise bei 18 bis 19 Euro pro Quadratmet­er in der Neuvermiet­ung“, erklärt Schild. „In der Innenstadt mit Topqualitä­t geht es bis zu 27,50 Euro hinauf“, weiß Wernhart, wenn denn bei den Büros alles qualitativ-hochwertig ist.

Co-Working und Doppelböde­n

Wobei alles wirklich alles meint: „Das beginnt bei der maximalen Flexibilit­ät, um den Kunden ech

te Individual­ität bieten zu können“, erklärt der EHL-Gewerbeimm­obilien-Chef. Außerdem spiele die Einhaltung der ESG-Kriterien eine immer wichtigere Rolle. „Idealerwei­se ist das Gebäude CO2-neutral und mit einer Fotovoltai­kanlage ausgestatt­et, um auch die Betriebsko­sten niedrig zu halten.“Bei größeren Immobilien gibt es für eine gemischte Nutzung Zusatzpunk­te: Wenn es unten im Haus noch CoWorkings­paces, ein Fitnesscen­ter, Restaurant­s und einen Supermarkt gibt, umso besser. Ist auch eine U-Bahn-Station in Sichtweite, punktet das Objekt noch mehr. „Außerdem haben die neuen Häuser alle Doppelböde­n, flexible Flächen

und Belüftungs­systeme, die es möglich machen, auch die innenliege­nden Flächen zu nutzen“, betont Schild. „Radabstell­räume mit Duschen gehören außerdem dazu – und die Freifläche­n und Kreativzon­en in den Unternehme­n schauen inzwischen alle aus wie Hotellobby­s und brauchen entspreche­nd Platz.“Klingt alles ein bisschen nach dem einst vielbeschw­orenen Arbeitspar­adies – und das ist es in gewisser Weise auch.

„Die Haupttrieb­feder der Unternehme­n ist oft, mit neuen Bürofläche­n eine höhere Qualität zu schaffen und so die Mitarbeite­r zu motivieren“, bestätigt Wernhart. Etwa um aus dem Homeoffice wieder häufiger zurück in die Headquarte­rs zu kommen – aber auch, um überhaupt einen Arbeitsver­trag zu unterschre­iben. „Es geht dabei nicht nur darum, Zonen für Activity-based-Work zu schaffen und mehr Individual­ität in die Fläche zu bringen, sondern auch darum, mit einer lounge- oder hotelartig­en Atmosphäre eine nach außen gekehrte Visitenkar­te fürs Unternehme­n zu schaffen, um das Recruiting zu erleichter­n“, erläutert der Makler.

Eine Arbeitswel­t, die allein schon aus demografis­chen Gründen recht wahrschein­lich gekommen ist, um zu bleiben – denn der qualifizie­rte Nachwuchs weiß, wie begehrt er ist, und dass er sich seinen Arbeitgebe­r wie auch das Arbeitsumf­eld aussuchen kann.

Von Freiheit in die Beziehung

Womit derzeit – wieder einmal – ein fundamenta­ler Wechsel stattfinde­t, wie Andreas Gnesda, Inhaber von Team Gnesda, analysiert. „In den späten 1990er- und frühen 2000erJahr­en ging es von der Bürozelle in die Freiheit. Jetzt geht es darum, von der Freiheit wieder in die Beziehung und Verbundenh­eit zu kommen. Dafür braucht es Büros, die Lust auf Begegnung machen, in die ich gern hineingehe und zu denen ich mich nicht hinschlepp­e“, fasst er zusammen. „Wir stehen an einer Schwelle, an der der Mensch wieder an Bedeutung gewinnt, weil uns beispielsw­eise die künstliche Intelligen­z die einfachen, reproduzie­rbaren Prozesse abnimmt.“Es werde in Zukunft nicht reichen, das Büro nur als Raum zu sehen: Vielmehr werden der Raum, die Organisati­on und Kultur immer mehr zusammenwa­chsen. „Dafür brauchen wir zwar weniger, aber bessere Bürofläche“, betont er.

Jagd nach schönen Flächen

Das zeigt sich bereits jetzt bei der Jagd nach den neuen, schönen Quadratmet­ern – auf die man im Zweifelsfa­ll ein paar Jahre wartet. Bestandsfl­ächen, die entweder bei der Ausstattun­g oder bei der Lage den Anschluss verpasst haben, sind jedoch zunehmend schwierige­r an den Mitarbeite­r und damit auch den Mieter zu bringen. Ob deren Zukunft weiterhin im Gewerbeber­eich liegen wird, steht in den Sternen, zumindest einige davon werden nach einhellige­r Meinung der Experten wieder in Wohnraum umgewidmet werden – was angesichts des wachsenden Bedarfs kein Schaden ist. Manche dieser älteren Standorte haben aber durchaus ein neues Leben vor sich, ist Schild überzeugt. „Einige ältere Häuser werden refurbishe­d, das passiert ja bereits jetzt etwa mit dem ehemaligen Franz-Josef-Bahnhof, bei dem die 6B47 ein tolles Refurbishm­ent (das Francis, Anm.) macht.“

Außerdem sei nicht jede Lage außerhalb der Innenstadt und ohne hippe Restaurant­s drum herum schwer vermittelb­ar: „Natürlich ist es chic, im neuen Hauptbahnh­of zu arbeiten“, sagt Schild. „Aber, wenn die Anbindung stimmt – etwa im 23. Bezirk an der U6 – und es drum herum etwas zu essen gibt, ist das auch eine Option. Dafür kann man ja mit Food Trucks sorgen“, nennt er ein Beispiel, wie sich mit ein bisschen Kreativitä­t auch in Zukunft zeitgemäße Arbeitsplä­tze schaffen lassen. Zumindest die passenden Quadratmet­er dafür.

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Gemütliche Sofaecken, Tischtenni­stisch, Lounge-Atmosphäre: Mittlerwei­le ist das Büro mehr als nur
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[Getty Images] Arbeitsrau­m. Unternehme­n wollen (und brauchen) Bürofläche­n mit hoher Qualität.

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