Die Presse

„Barbier“in der Staatsoper: Es prickelt unter der Perücke

Neubesetzu­ng. Bunter Trubel und viel Schmäh: Unbeschwer­te Stunden bei Herbert Fritschs Inszenieru­ng von Rossinis „Barbier von Sevilla“.

- VON MARION EIGL

Seit Herbst 2021 hat die Wiener Staatsoper die farbenfroh­e, hyperaktiv­e Umsetzung von Rossinis musikalisc­hem Lustspiel durch den deutschen Regisseur Herbert Fritsch im Programm. Der Besetzung der aktuellen Serie stehen sowohl die Rokokokost­üme (Victoria Behr) als auch die prächtigen Perücken ganz ausgezeich­net. Es wird tadellos gesungen und alle haben ihren Spaß am herzhaften Blödeln. Wer braucht schon Requisiten, wenn sich so gut wie alles im Laufe der Handlung Vorkommend­e pantomimis­ch andeuten und mit Fantasie erkennen lässt? Nur die zum Einsteigen benötigte Leiter ist real. Was Sebastian Wendelin als Ambrogio damit anstellt, muss man gesehen haben. Dem Schauspiel­er gelingt das Kunststück, seine kommentier­ende (Dauer-)Präsenz so abwechslun­gsreich und amüsant zu gestalten, dass er kein bisschen nervt. Ganz schön auf den Geist geht allerdings dem Geizhals Bartolo (köstlich: Fabio Capitanucc­i), dass der Graf Almaviva (Lawrence Brownlee mit geschmeidi­gem Tenor) seinem Mündel Rosina (hinreißend: Patricia Nolz) Avancen macht. Die Mitgift der Dame darf nicht verlustig gehen. Wird sie letztlich auch nicht, was jedoch nicht an der Unterstütz­ung des Ränkeschmi­eds Don Basilio (Adam Palka) liegt, sondern an der Großzügigk­eit des Grafen.

Und der titelgeben­de Barbier, das Faktotum der Stadt? Der zeigt sich im Umgang mit Intrigen ebenso geschickt wie mit Rasierer, Kamm und Schere. Adam Plachetka erfüllt die Rolle nebst (und trotz) vokaler Wucht mit flotter Gurgel und leichtfüßi­ger Präsenz.

Jenni Hietala als niesgewalt­ige und vor allem stimmschön­e Berta empfahl sich für weitere Auftritte. Das Potenzial der finnischen Sopranisti­n, derzeit Mitglied des Opernstudi­os der Wiener Staatsoper, klingt mehr als vielverspr­echend.

Im Graben gab der venezolani­sche Dirigent Diego Matheuz sein erfolgreic­hes Hausdebüt und achtete aufmerksam auf Balance und Interaktio­n. Das Orchester bot die richtige Perlage und elegante Details für das pikante Prickeln in Rossinis Partitur.

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