Die Frisur bitte all-inclusive
In Wien eröffnet Influencerin Ina Holub das Haarstudio Soft & Cut, das Frauen, queeren und marginalisierten Menschen einen sicheren Hafen bietet.
Es ist so, als würde man aus dem abgedunkelten Kinosaal ins Tageslicht treten: Man muss sich kurz orientieren und die Augen erst daran gewöhnen. So verhält sich das auch, wenn man von der kahl-grauen Kaiserstraße zwei Gassen vom Urban-LorenzPlatz in den Haarsalon Soft & Cut tritt.
Alles hier ist rund und weich und in den pastelligen Farbnuancen Rosé und Mint gehalten. Ist hier, wo die Glücksbärchis wohnen? Influencerin Ina Holub zeigt sich zufrieden mit der Wahl ihrer Inneneinrichtung. „Ich hatte schon Jahre die Idee, einen Haarsalon zu eröffnen, der insbesondere marginalisierten Personen einen Safe Space bietet“, sagt sie.
Aus eigener Erfahrung ist ihr das Problem bekannt. Die 39-jährige Wienerin ist in ihren eigenen Worten „fett“und queer und setzt sich in den sozialen Medien gegen die Ausgrenzung mehrgewichtiger Menschen und für andere körperpolitische und queere Themen ein. Beim Friseurbesuch war ihr teilweise der Stuhl zu klein oder die Armlehnen waren ihr im Weg. „Die meisten Stühle in Salons sind auf 115 Kilogramm geeicht. Da bin ich schon darüber“, sagt Holub. Deshalb sind die Sessel im Salon der Friseurmeisterin breit, bequem und kommen ganz ohne Armlehne aus. Sie sind außerdem nicht fest im Boden verankert, damit sie im Handumdrehen einem Rollstuhl Platz machen können, und extra niedrig, damit sie mit Gehhilfe und für kleine Menschen leichter zu besteigen sind. Denn mit ihrem Projekt will Holub so viele marginalisierte Menschen wie möglich miteinschließen. „Es gibt viele Gruppen in Wien, die bei so etwas vermeintlich Simplem wie einem Friseurbesuch nicht mitgedacht werden.“
Sichtschutz vor Passanten
Zuvor hatte Holub an derselben Adresse ein Vintagegeschäft betrieben. Nun musste die Secondhand-Kleidung weichen. Stattdessen stehen mannshohe Spiegel an der Wand, eine kleine Einbauküche, Sofas und Sessel. Ein bodenlanger Vorhang in Rosa kann einen Sichtschutz vor Passanten auf der Straße bieten, falls etwa eine Person bei der Behandlung ihr Kopftuch abnehmen will, ohne dabei von Fremden gesehen zu werden. Eine Rampe mit weniger als sechs Prozent Steigung soll es Rollstuhlfahrenden möglich machen, den Salon ohne Assistenz zu betreten. Auch das Bad ist barrierefrei gestaltet. „Der Salon richtet sich vor allem an queere Menschen und Frauen“, so Holub. Die Preisgestaltung der Schnitte ist allerdings geschlechtsunabhängig.
„Man bezahlt für Aufwand und Haarlänge. Warum sollten Frauen mehr zahlen, obwohl sie zumeist weniger verdienen?“Ein einfacher Haarschnitt soll demnach zwischen 50 und 80 Euro kosten, mit Waschen, Föhnen und Styling zwischen 40 und 60 Euro, mit Haarefärben 70 bis 90 Euro.
Die Vorbereitung auf das Projekt war extensiv: Zum einen hat Holub ihre Meisterprüfung im Friseurberuf nachgeholt. Zum anderen hat sie verschiedene Aktivistinnen und ihre Gefolgschaft auf Instagram gebeten, ihre Traumvorstellung für einen inklusiven Salon mit ihr zu teilen. „Da waren viele Menschen darunter, die sich für verschiedene Communitys einsetzen und die strukturellen Probleme kennen, mit denen marginalisierte Menschen konfrontiert sind“, so Holub. Nicht zuletzt hat sich Holub mithilfe von Lektüre, Videos und Kontakt zu Kolleginnen fortgebildet, um auch die Haare von asiatischen und schwarzen Kundinnen richtig behandeln zu können. „In der Ausbildung zur Friseurin wird das Thema mit keinem Wort erwähnt, und auch sonst ist das Angebot an Friseursalons, die sich diesen Bevölkerungsgruppen widmen, sehr gering“, so Holub. Braids, also afroamerikanische Flechtfrisuren, wird sie allerdings keine anbieten: „Es gibt Frisuren, die ich auch aus politischen Gründen nicht machen würde.“Dafür soll es immer wieder Pop-ups geben, bei denen Menschen ihre spezifischen Skills wie etwa Nagelbehandlungen, Braiding oder Razor Cuts anbieten können, um ein noch breiteres Angebot zu liefern.
Noch ein letztes Detail zur Gestaltung: Die Wandfarbe im Haarstudio ist antiallergen, und die Farbpalette soll beruhigend auf neurodivergente Personen und Menschen im Autismus-Spektrum wirken. Am Samstag wird das Geschäft um 17 Uhr eröffnet. Neben ein paar Worten der Gastgeberin wird es ein Buffet und Musik geben. Laufkundschaft wird Holub vorerst keine annehmen: Stattdessen erfolgen die Termine montags bis samstags zwischen 9 und 19 Uhr auf Vereinbarung. Übrigens wird man künftig online auch angeben können, ob man sich Musik wünscht beim Besuch, Small Talk oder Schweigen. Damit sich auch wirklich jede und jeder wohlfühlt.