Österreichs schnellster Delfin
Martin Espernberger, 20, überrascht in Doha mit WM-Bronze über 200 Meter Delfin. Über Träume, Stil, US-Studium und die in Österreich zu oft vermisste Siegermentalität.
Doha/Wien. Fast jeder kann schwimmen, wobei es für das Gros stets beim Planschen bleibt und sehr wenige Verlangen, Kraft, Ausdauer und Geschick haben, es als Spitzensportler zu versuchen. Für den Linzer Martin Espernberger stellten sich diese Fragen erst gar nicht, seine Mutter fasste den Entschluss: um üblen Verletzungen in Teamsportarten vorzubeugen, fiel die Wahl für den agilen Sohn und seine drei Geschwister auf das Schwimmbecken.
Seit mehr als einem Jahrzehnt springt der Oberösterreicher ins Wasser, schulte sein Können bei ASV Linz und entdeckte die Vorliebe für die Delfin-Sparte. Das Säugetier fasziniert, doch für Menschen ist es schwierig, quasi so zu schwimmen. Krauler und Rückenschwimmer bewegen Beine auf und ab, holen mit den Armen einzeln aus. Beim „Butterfly“, so sagt man im englischsprachigen Raum, bleiben die Beine geschlossen, sie bewegen sich wie (Flippers) Flossen, während die Arme im Doppelschlag ausholen. Das ist extrem, kraftraubender als alles andere.
Wer über WM-Medaillengewinner sprach, nannte Markus Rogan, kannte die Jukić-Geschwister Dinko und Mirna (letzte Medaille 2009), Insidern ist Pionier Maxim Podoprigora (2001, Fukuoka) ein Begriff. Jüngere Generationen kennen Felix Auböck (Kraul). Aber Espernberger? Wer?
Parallele zu Rogan
Seit Mittwoch ist seine Boje im WM-Pool verankert: Der 20-Jährige gewann in Doha WMBronze in 1:55,16 Minuten. Als Einordnung: Zur persönlichen Bestzeit (1:54,69 Min.) fehlte viel, noch mehr auf den OSVRekord (Dinko Jukić; 1:54,35 Min.). Der Linzer hat erst im Mai 2021 bei der EM in Budapest sein erstes Großereignis bestritten, in diese WM war er als Elftschnellster gestartet und gewann mit seiner Podest-Premiere Österreichs insgesamt siebente WMMedaille (Langbahn).
Ehe nun manch Funktionär – im klassischen Stil – versucht, diese
Errungenschaft an die Verbandsfahne zu heften: Espernbergers Coup ist dem Gang ins Ausland geschuldet. „Ich war als Teenager auf einem Auslandssemester in den USA (Highschool in Jacksonville, Anm.) und bemerkte dort“, erzählte er der „Presse“in Dohas „Mixed Zone“, „welche Möglichkeiten es gibt.“Die Sprachbarriere war flott dahin, er lernte, schwamm und blieb. Ein Stipendium öffnete alle Türen, seit 2022 studiert er in Knoxville, USBundesstaat Tennessee, Elektrotechnik. Ausbildung und Topsport, in den USA ist das seit jeher kein Widerspruch.
Fortschritte und Zeit äußern sich in Zahlen: Er ist sechs Sekunden schneller geworden. Jetzt steht der Oberösterreicher als WM-Medaillengewinner dort im noch helleren Licht, warten die NCAA-Finals in Indiana im März und „mein größtes Ziel: Olympia in Paris!“
Als es der für Schwimmer eher klein anmutende Espernberger (1,81 m, Schuhgröße 40,5) aussprach, hörte man Freude, Wunsch und Traum. Freilich, das Momentum sprach in Doha für ihn, „weil große Namen fehlten“, Bronze aber nimmt ihm keiner mehr.
Wer an sich glaubt
‘‘Ich bin sicher 20 Stunden pro Woche im Pool, ich liebe das Delfinschwimmen.
Damit könne er gut umgehen, seine Karriere gleicht einem „Roller Coaster“, der täglich Überwindung darstellt mit Training („20 Stunden pro Woche im Pool“), Distanzen („Sorry, die genaue Länge weiß ich nicht“), Lernen, Campus, Haut („Passt sich an im Wasser“) oder Plänen für Heimreisen.
Wer mit ihm spricht, kommt nicht umhin, Vergleiche zu bemühen. Nicht mit Erfolgen oder Vorbildern („Rogan, keine Frage“), sondern anderen, die Talent hatten und Österreich ebenso verlassen mussten, um es zu schulen. Parallelen zu Rogan (Stanford) oder Auböck (Michigan) liegen auf der Hand, Stärken der USA und Schwächen der Heimat auch. Wer weiß, vielleicht holt er im Pariser Aquatics Centre erneut aus? Den Glauben daran hat er jedenfalls.
Martin Espernberger OSV-Schwimmer