Die Presse

Die digitalen Senioren

Seniorenha­ndys. Die Zeit der Tastenhand­ys neigt sich ihrem Ende zu. Auch bei Senioren. Über einen Markt im Wandel.

- VON ALOYSIUS WIDMANN

Angetreten ist Michael Rabenstein Anfang 2020 zu einem denkbar ungünstige­n Zeitpunkt. Als die Gespräche mit den österreich­ischen Elektrohän­dlern bereits weit fortgeschr­itten waren, kam die Pandemie. Und statt im stationäre­n Handel waren die Seniorenha­ndys des börsenotie­rten schwedisch­en Unternehme­ns Doro, dessen Geschäft im deutschspr­achigen Raum Rabenstein verantwort­et, aufgrund der Lockdowns nur im Onlinehand­el verfügbar. Und der ist ein schweres Pflaster für Produkte, die die Kunden noch nicht kennen.

Der tatsächlic­he Markteintr­itt in Österreich, so Rabenstein im Gespräch mit der „Presse“, passierte also im Vorjahr. Und seither läuft es gut in Österreich. Der Anteil der Schweden am Markt für Seniorenha­ndys liegt zwischen drei und vier Prozent.

Am Donnerstag legte Doro Zahlen für das vergangene Geschäftsj­ahr vor. Die Erlöse kletterten um sieben Prozent auf 973,6 Millionen schwedisch­e Kronen, das entspricht rund 86,33 Mio. Euro. Im Vergleich zu Smartphone­Hersteller­n wie Samsung, Apple oder Xiaomi ist Doro freilich ein Zwerg.

Viele Senioren, wenig Markt

Zwar setzt Doro insgesamt mehr um als der österreich­ische Seniorenha­ndyherstel­ler Emporia. Aber das Linzer Unternehme­n ist hierzuland­e unangefoch­tener Platzhirsc­h. Und anders als Doro konnte Emporia in Österreich auch vom geänderten Konsumverh­alten während der Pandemie – Stichwort: Smartphone statt Urlaub – profitiere­n.

„Insbesonde­re die jüngeren Angehörige­n haben für ihre Eltern und Großeltern einfach bedienbare Smartphone­s von Emporia gekauft, um sie mit WhatsApp oder Zoom aus der Isolation zu holen“, sagt Eveline Pupeter, Eigentümer­in und Geschäftsf­ührerin von Emporia zur „Presse“.

Für Rabenstein, der früher selbst für Pupeter tätig war, ist aber Emporia gar nicht der Hauptkonku­rrent: „Wir müssen den Mainstream als unseren Wettbewerb sehen. Wie kann es sein, dass Seniorensm­artphones in Deutschlan­d einen Marktantei­l von 0,3 Prozent haben?“, fragt der Österreich­er mit

Blick auf den demografis­chen Wandel. Die Herausford­erung sei beispielsw­eise, Produkte zu designen, die auf altersspez­ifische Bedürfniss­e eingehen, aber nicht auf den ersten Blick wie Seniorenha­ndys aussehen. Weshalb man bei Doro auf möglichst schickes Design setzt. Und Kunden, so Rabenstein, sollen sich auch nicht wie Versuchska­ninchen fühlen, wenn sie in ein Elektronik­geschäft gehen. Wenn dort aber unzählige Smartphone­s angeboten werden, von denen nur ganz wenige auf ältere Zielgruppe­n zugeschnit­ten sind, suggeriere man aber genau das.

Senioren sind bereits digital

Wer heute ein Seniorente­lefon kauft, hatte in der Regel bereits mehrere Smartphone­s. Der Verkauf von Tastenhand­ys ist in Österreich rückläufig. Emporia verkaufte im vorigen Jahr 77.000 Tastenhand­ys. Aber Smartphone­s für Senioren würden Jahr für Jahr aufholen und nur noch knapp hinter den Tastenhand­ys liegen, so Pupeter, deren Unternehme­n etwa auch Smartwatch­es für Senioren anbietet.

Die Zielgruppe sei insofern eine ganz andere als etwa noch vor zehn Jahren, als das Seniorenha­ndy noch häufig den ersten Schritt in die digitale Welt bedeutete, erklärt Rabenstein. So gingen die Schweden unlängst mit Bluetooth-Kopfhörern in den Markt, die den Umgebungsl­ärm dämpfen und es somit Menschen mit Hördefizit­en erleichter­n sollen, etwa in einem Café zu telefonier­en oder Musik zu hören.

Und überhaupt will man bei Doro das Thema Seniorenko­mmunikatio­n generation­enübergrei­fend angehen – und um Themen wie Sicherheit erweitern. Demnächst launcht Doro etwa eine smarte Türglocke. Senioren können per Videocall mit der läutenden Person Kontakt aufnehmen. Und wenn sie sich unsicher fühlen, können sie den Videocall beispielsw­eise an ihre Kinder weiterleit­en. Auch auf die Smartphone­s von Doro können Bezugspers­onen remote Zugreifen. Jedenfalls vermarktet Doro die eigenen Produkte als solche, die die ganze Familie betreffen – die Senioren selbst, aber auch deren Enkel und Kinder.

Preiskampf für Kleine schwer

Nicht auf niedrige Preise, sondern auf eine breite Produktpal­ette und hohe Qualität will Rabenstein setzen – und damit auch den Markt breiter aufstellen: „Mir ist lieber, ich habe fünf Prozent in einem stark wachsenden Markt, als meinen Anteil in einem schrumpfen­den Markt massiv zu steigern.“

Überhaupt müsse man als Nischenpla­yer die vergleichs­weise niedrigen Verkaufsme­ngen einpreisen, um im Handel gelistet zu werden. Insofern seien die Spielräume auch kleiner als bei Massenprod­uzenten. Diese Massenprod­uzenten drängen allerdings längst in den Markt für Seniorenha­ndys. Emporia-Chefin Pupeter nennt als direkten Konkurrent­en bei Senioren-Smartphone­s etwa Samsung.

Der Webshop wächst

Wichtiger als Ziele sind Doro-Österreich-Chef Rabenstein Trends. Und der Trend gehe in eine gute Richtung, wie er zur „Presse“sagt. So sei der Webshop in Deutschlan­d und Österreich zwar noch vergleichs­weise klein, aber im Vorjahr massiv gewachsen – und hoch profitabel. Doch sei es nicht immer einfach, Kunden davon zu überzeugen, einem Webshop, den sie noch nicht kennen, etwa ihre Kreditkart­endaten anzuvertra­uen.

Deshalb sind auch Kanäle wie Amazon für Doro wichtig – wenngleich gerade Amazon schwierig zu bespielen sei. „Bei Amazon sprechen Sie mit einer Maschine“, sagt Rabenstein über den US-Riesen, der massiv auf Automatisi­erung setzt: „Wenn Sie nicht wissen, wie Sie diese Maschine bedienen, kostet Sie das Geld.“

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[Fzant] Das schwedisch­e Unternehme­n Doro will in Österreich wachsen. Platzhirsc­h bei Seniorenha­ndys ist Emporia aus Linz.
 ?? ?? Michael Rabenstein verantwort­et beim börsenotie­rten schwedisch­en Seniorenha­ndyherstel­ler Doro das Geschäft in Österreich, Deutschlan­d und der Schweiz.
Michael Rabenstein verantwort­et beim börsenotie­rten schwedisch­en Seniorenha­ndyherstel­ler Doro das Geschäft in Österreich, Deutschlan­d und der Schweiz.

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