„Es ist dein Land, Molden!“ 2024 ist auch ein Molden-Jahr. Zum 100. Geburtstag des Patrioten, Journalisten und Buchmenschen Fritz Molden stiftet der nach ihm benannte Verlag ein Stipendium.
Man kann sich gut vorstellen, was der 21-jährige Fritz Molden 1945, im Frühling der Republik, gefühlt haben muss. Als „Schandfleck der deutschen Jugend“war ihm vorher sogar die Matura verweigert worden. Nun trug der österreichische Patriot eine amerikanische Uniform und war glücklich, als ihm, dem notorischen Antinazi und Widerständler, in Tirol junge und fröhliche Offiziere der US-Armee auf die Schulter klopften: „Es ist dein Land, dass du wiederbekommen hast. Vergiss uns, wir sind hier nur Staffage.“
Er erfuhr, dass seine Eltern in Wien aus der Gestapo-Haft freigekommen waren und dass in der tristen Sowjetzone im Osten des Landes sich gerade die bürgerliche ÖVP gründete. Er war dabei, als sein Bruder Otto im Tiroler Gebirgsdorf Alpbach seinen im Krieg geborenen Traum eines internationalen „College“verwirklichte. „Studieren kannst du später auch noch, mach mit, es wird spannend“, sagte ihm der Tiroler Landeshauptmann Karl Gruber, dessen Sekretär er wurde. Man brauchte den jungen Mann wegen seiner exzellenten Verbindungen zu den Amerikanern. Als Gruber Außenminister wurde, hatte Molden ein Büro am Ballhausplatz und war dabei, als ein junger Emigrant, tiefrot und jüdisch, dort angestellt wurde: Bruno Kreisky.
Er lernte die abgemagerten ehemaligen KZ-Insassen kennen, die nun das Land regieren wollten. Der junge Sekretär war unter den gestandenen Politikern der Vorkriegszeit der einzige „Amateur“. Er respektierte die Leistung dieser Leute, die jetzt wieder neu begannen. Molden war beim Versuch dabei, aus der Trümmerwelt der Nachkriegsund Besatzungsjahre wieder einen halbwegs lebensfähigen und funktionierenden Staat zu machen.
Glanz und Elend der Republik
Das war möglich, erinnerte er sich, weil die Österreicher damals in heute nicht mehr vorstellbarer Weise zusammenhielten und den ideologischen Grundlagenstreit beiseiteließen. Niemand schenkte ihnen etwas, also hielten sie zusammen. Wehleidigkeit und Klagen über die Trümmerfelder brachten nichts. Es bedrückte ihn sehr, dass Jahrzehnte später „trotz stetig wachsendem materiellen Fortschritt im Land und im Leben der Menschen eine zunehmende Müdigkeit, Gleichgültigkeit und schließlich ein fast gehässiges Auseinanderdriften der regierenden politischen Schichten festzustellen war“, wie er in seinen politischen Erinnerungen schrieb. Das waren für ihn der Glanz und das Elend der Zweiten Republik.
Sein Vater Ernst, ein gestandener Journalist, wollte für Österreich wieder so etwas, wie die „Neue Freie Presse“gewesen war, ein liberales und parteifreies Qualitätsblatt. Es sollte „Die Presse“heißen. Das bedeutete für Fritz den Abschied vom Ballhausplatz, er wurde Zeitungsjournalist, ein Familiengewerbe in bereits dritter Generation, blieb also mitten im gerade anbrechenden Kalten Krieg im Kern der Geschehnisse. Freilich bei einem armen Blatt, das nicht gerade auf festen Beinen stand. Im zarten Alter von 26 Jahren startete der junge Molden eine Geldsammelaktion in den USA, um es zu retten. Man war in dieser Redaktion Transatlantiker und fest überzeugt, dass alles getan werden musste, um Österreich aus den Fängen Stalins zu befreien. Doch der Weg dahin war spannend wie ein Krimi. Am 15. Mai 1955 schrieb Molden dann den Leitartikel in der Zeitung: „Österreichs Zukunft hat begonnen!“Er war eben ein Patriot, und das wie kaum ein anderer.
1953 war Vater Ernst Molden gestorben und sein Sohn stieg zum machtvollsten österreichischen Zeitungsverleger auf. Ihm gehörte die größte Zeitungsdruckerei des Landes. Sein jugendlich wirkender Enthusiasmus bei allen Projekten war legendär. Nicht wenige seiner Freunde zweifelten, ob dieser Fritz eigentlich je wirklich erwachsen würde. Vier Tageszeitungen wurden bei ihm gedruckt, darunter „Die Presse“und die „Kronen Zeitung“. Mit Ausnahme der „Krone“wurden alle von ihm herausgegeben, dann verkaufte er seine Zeitungen sukzessive, um das „Pressehaus“in der Muthgasse zu bauen, damals, 1963, mit siebzehn Geschossen das zweithöchste Gebäude in Wien. Vom Drucken konnte er leben, in Unabhängigkeit, denn das war sein Tick: frei und nicht von Parteien oder Banken abhängig zu sein. Nicht leicht in Österreich.
Doch das Drucken war ein biederes Geschäft, und ihm war fad. So wurde gemeinsam mit Gerd Bacher der Plan geboren, Bücher zu produzieren, am ehesten Sachbücher. Die landen nicht wie die Zeitung schon am nächsten Tag in der Abfalltonne. So schauten sich die beiden einmal die Frankfurter Buchmesse an, waren bestürzt, wie viele Verlage es gab, und nahmen auch einen guten Rat mit nach Hause: „Um Gottes willen, nur keinen Verlag! Das kann nur in einer Katastrophe enden.“
Doch Molden hatte ein Netzwerk, einen Pool von großartigen Journalisten von Hellmut
Andics bis zu Otto Schulmeister, und er kannte aus den Alpbacher Gesprächen eine Reihe von Intellektuellen. So erschien im neuen Molden Verlag gleich zu Beginn „Das blieb vom Doppeladler“von Ernst Trost, 1964 ein durchschlagender Erfolg und Longseller, und weitere 14 Titel im ersten Jahr. Anspruchsvolle Titel verkauften sich schlecht, es brauchte immer einen Bestseller, um qualitätsvolle Bücher zu subventionieren. Und sie kamen. Immer wieder: Die Memoiren der Stalin-Tochter Swetlana Allilujewa, „Der Pate“von Mario Puzo, „Papillon“von Henri Charrière, beide Autoren hatte man vorher nicht gekannt, aber Molden schwörte auf sie und taktierte bei den Abdruckrechten so geschickt, dass er sie bekam. Jeder kannte jetzt den Verlag. Die Erfolge flogen dem Verleger zu. Die Molden-Bücher sahen auch anders aus, sie hatten ein zeitgemäßes grafisches Gesamtbild, das eisern durchgezogen wurde. Der größte Erfolg war Hildegard Knefs „Der geschenkte Gaul“. Der Star brachte es fertig, die Gefühle und Erlebnisse der deutschen Frauen der Nachkriegsgeneration wiederzugeben.
Der tiefe Sturz
Das Erfolgskonzept ließ sich in der zweiten Hälfte der Verlagsgeschichte nicht mehr wiederholen. Es kam der Konkurs. „Die Sparsamkeit war meine Sache nicht“, so Molden, „mit Müh und Not war der Verlag achtzehn Jahre alt geworden; gerade großjährig, aber keineswegs ein tolles Alter – auch nicht für einen Buchverlag.“Sein Fall war tief.
Als die Villa in der Eroicagasse von den Exekutoren ausgeräumt wurde, übersiedelte die Familie nach Alpbach in Tirol. „Es war der Abschied vom Eigentum, der Abschied von einem Lebenswerk, auch der Abschied von der Macht und vom Establishment.“Der 58-jährige Mann fing wie ein 18-Jähriger noch einmal von vorn an. Ein Selfmademan amerikanischen Zuschnitts lässt sich nicht unterkriegen. Ein begnadeter Geschichte(n) erzähler war er immer schon gewesen, nun schrieb er Bücher und wurde ein begehrter Gesprächspartner. Wenigen war er gleichgültig. „Dieses Land und dieser Staat wären anders und viel ärmer, wenn es Fritz Molden nicht gegeben hätte“, schrieb Karl Schwarzenberg 1999 in einem Buch zu Moldens 75. Geburtstag.
Als er dieses Buch in die Hände bekam, so Styria-Verlagsmanager Matthias Opis, wurde ihm wieder schlagartig bewusst, „was für ein cooler Typ dieser Fritz Molden gewesen sein muss, in seiner Melange, die ihn gleichzeitig zu einem glühenden Patrioten und einem weltläufigen Überösterreicher machte“. Die Markenrechte für den Molden Verlag landeten bei der Styria, sie gibt ihm seit 2007 ein Dach in ihrer StyriabooksGruppe. Denn eines verändert sich ja nicht: Wovon Bücher auch heute leben, sind die guten Geschichten, die Lesende unterhalten, bereichern und berühren. Dafür hatte Fritz Molden einen Instinkt gehabt.