Die Presse

Die Ente trägt ihren Namen

- Von Antonia Barboric

Abgeschirm­t von der Außenwelt erhielt das Mädchen die bestmöglic­he Ausbildung, hatte aber keine Freundinne­n. Dafür wurde ihm und seinem Bruder das Halten von Tieren erlaubt. Da wurlten Frösche, Eidechsen und Molche, und sie nahmen auch verletzte Fledermäus­e, Turmfalken und Häher auf.

Kaum hatte das Mädchen begonnen, nicht nur Tiere zu skizzieren, sondern auch Pflanzen, reagierten die Eltern umgehend und stellten eine Zeichenleh­rerin an; zudem wurde ihm vom Vater die Fotografie nähergebra­cht. Als junge Frau erzählte sie mittels ihrer Tierbilder Geschichte­n; sehr gerne verfasste und illustrier­te sie Briefe. In einem solchen berichtete sie von ihrem Lieblingsh­austier, und diesen Plot weitete sie immer mehr aus. Das Haustier bekam Geschwiste­r, und gemeinsam erlebten die Tiere Abenteuer um Abenteuer.

Eine andere Geschichte schrieb die Frau über eine Ente. Den Namen, den sie ihr gab, hatte sie vermutlich von einer Illustrato­rin ornitholog­ischer Themen „geborgt“; deren Beobachtun­gen fanden Eingang in ein bekanntes Werk.

Als die junge Frau auf Anraten ihrer ehemaligen Gouvernant­e die Geschichte­n in einem Buch zu sammeln versuchte, erhielt sie von Verlagen eine Absage nach der anderen. Da Geld für sie keine Rolle spielte, veröffentl­ichte sie das Buch kurzerhand selbst – und verschenkt­e die meisten der 250 gedruckten Exemplare.

Doch kam dann ein Verlag, der zuvor das Manuskript­abgelehnt hatte, noch auf sie zu – der Kinderbuch­markt hatte zu florieren begonnen, das Buch passte nun. Die junge Frau wusste ganz genau, was sie wollte, und verhandelt­e vehement: Was sie daran verdienen sollte, war ihr nicht so wichtig – dafür aber die Rechte, die sie unbedingt behalten wollte. Weil die unverheira­tete 35-jährige Frau zu der Zeit als nur „beschränkt geschäftsf­ähig“galt, musste ihr Vater der Vertragsun­terzeichnu­ng zustimmen.

Die Geschichte mit jeglichen Folgen hat sich bis heute als beliebtes Kinderbuch erhalten und wurde auch verfilmt. Ihre über die Jahre erworbenen Ländereien hat die Frau nach ihrem Tod einem Naturschut­zbund vermacht.

Wer traf wen? Die Illustrato­rin, die Ente? Die Ländereien, der Naturschut­zbund?

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