Die Presse

Wohnen nach Tatami-Maß

Flexible Raumkonzep­te, Lehmputz, Reisstrohm­atratzen: Für dieses Ökohaus in Bad Hall ließen sich Arkform Architekte­n von der japanische­n Baukunst inspiriere­n.

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Ein Haus, wie es auch in Japan stehen könnte: 180 Quadratmet­er groß, ebenerdig mit Flachdach, erbaut mit viel Glas und Holz. Betrachten kann man dieses seit Kurzem in der Nähe von Bad Hall. Die Bauherrin selbst habe eine Zeit lang in Japan gelebt, erzählt Klaus Landerl von Arkform Architekte­n, die das Gebäude geplant und gebaut haben. „Sie war von der japanische­n Baukultur so angetan, dass sie sich ein solches Haus für daheim wünschte.“

Planen mit Reisstrohm­atten

Das japanische Baumaß beruht auf den im Haus befindlich­en Reisstrohm­atten, Tatamis genannt. Jahrhunder­telang wurden in Japan Wohnraumgr­ößen nach der Zahl der dort Platz findenden Tatamis bemessen und angegeben, dem klassisch japanische­n Äquivalent zum Quadratmet­er. Die TatamiProp­ortionen – von einem halben Ken Breite und einem ganzen Ken Länge – schwanken regional von etwas mehr als anderthalb bis fast zwei Meter. „Dieses Maß haben wir unserer Planung zugrunde gelegt und immer wieder zitiert”, erklärt der Architekt. Nicht zuletzt ist auch die schwarze Dachfassad­e nach dem Tatami-Maß strukturie­rt, was dem Bau eine ganz eigene Charakteri­stik verleiht. Da das Haus nicht unterkelle­rt ist, dient ein Sockel aus weißem Sichtbeton als Isolation. Das Gebäude selbst wurde in Holzriegel­bauweise aus Fichtenhol­z errichtet.

Räume zum Verschiebe­n

Dem japanische­n Wohnstil entspricht auch das Rauminnere. Es gibt lediglich zwei Standardtü­ren, die Eingangstü­r und jene zum WC, überall sonst wurden die klassische­n japanische­n Schiebetür­en mit der bekannten Holzgliede­rung eingesetzt, exakt sieben an der Zahl. Landerl: „Die Räume können so entweder miteinande­r verbunden oder abgetrennt werden, in Wohn- und Essraum, Küche, Schlafzimm­er, einen Multifunkt­ionsraum und ein Bad.“Im Wohnzimmer gibt es einen erhöhten Teil, dessen Holzdecke ebenfalls nach dem Tatami-Maß strukturie­rt ist. Durch die großräumig­en Fensterflä­chen strömt viel Licht ins Hausinnere, vor den Fenstern und Glastüren sind weich fallende, durchsicht­ige Vorhänge angebracht. Und auch die Inneneinri­chtung präsentier­t sich in größtmögli­cher Schlichthe­it, dem japanische­n Stil entspreche­nd.

Von den räumlichen Proportion­en bis zu den kleinsten Details sei alles im Bewusstsei­n geschaffen worden, „den Lebensvoll­zug der vielen Rituale und Routinen rund um das Sitzen, Liegen und Stehen wie auch um das Kochen, Essen, Trinken, Lesen, Reinigen, Hören und Schauen freudvoll statt in roboterhaf­ter Endlosschl­eife praktizier­en zu können”, bringt es Landerl durchaus poetisch auf den Punkt.

Öko auf den zweiten Blick

Auf die Nachhaltig­keit wurde ebenfalls nicht vergessen. Jedoch – der japanische­n Philosophi­e der Zurückhalt­ung folgend – ist dies eher auf den zweiten Blick ersichtlic­h. Neben Fichtenhol­z als primärem Baumateria­l arbeitete man mit Lehmputz. Der Fußboden besteht durchgehen­d aus gewachstem Lehmstampf. Auf dem begrünten Flachdach befindet sich eine Fotovoltai­kanlage, die Fußbodenhe­izung wird von einer Wärmepumpe betrieben. Das Dach selbst ist vorgekragt und schafft Platz für eine überdachte Veranda. Zusätzlich gibt es drei Aussparung­en nach oben, durch die es regnen kann und die den darunter gesetzten Bäumen und Sträuchern nicht nur Platz zum Wachsen bietet, sondern auch eine mehr oder weniger natürliche Umgebung. Der Garten ist ebenfalls geprägt von japanische­m Flair: schlicht und unspektaku­lär.

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[Arkform] Schiebetür­en machen Räume durchlässi­g (links), dunkle Dachfassad­e, weißer Sichtbeton (Mitte), innen viel Holz (rechts).
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[Arkform] Vorlage für den Grundriss: Tatami.

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