Die Presse

Unter dem Giebel geht noch was

Verdichtun­g ist der beste Weg, um Wohnraum zu schaffen, ohne gleichzeit­ig neue Flächen zu versiegeln. Eine Option ist der Ausbau von Dachgescho­ßen.

- VON URSULA RISCHANEK

Das Dilemma ist allseits bekannt: Einerseits wird vielerorts Wohnraum benötigt, anderersei­ts muss die Flächenver­siegelung – allein in Österreich werden täglich 18 fußballfel­dgroße Flächen verbaut – dringend gestoppt werden. Eine

Möglichkei­t, um in bestehende­n Ballungsze­ntren neue Flächen zu schaffen, ohne dabei wertvolle Böden zu verbrauche­n, ist die Nachverdic­htung, sprich: Gebäude aus-, über- oder neu zu bebauen. Großes Potenzial liegt etwa im Ausbau von Dachgescho­ßen.

Das bestätigt Jakob Dunkl vom Architektu­rbüro Querkraft: „Gerade Einfamilie­nhäuser, meist mit Doppelgara­ge ausgestatt­et, verschling­en eine Menge an Grünland.“Hinzu komme der Bau vieler kleiner Zufahrtsst­raßen, um jedes einzelne Haus im neuen Ortsteil zu erschließe­n. Bernhard Platter, Prokurist des auf Dachgescho­ßausbauten spezialisi­erten Generalunt­ernehmers Obenauf, weist außerdem auf das Sparpotenz­ial hin: „Wenn auf bestehende­n Gebäuden neuer Wohnraum geschaffen wird, sparen sich Kommunen nicht nur die Errichtung und Erhaltung neuer Straßen, sondern auch anderer städtische­r Infrastruk­tur wie Wasserleit­ungen, Kanal und Stromverso­rgung.“

Bestandsha­us wird mitsaniert

Ein weiteres Argument für die Umwandlung von Dachbodenf­lächen in Wohnraum ist die Tatsache, dass dadurch das bestehende Haus, meist aus der Gründerzei­t, aufgewerte­t wird. Die Wohnnutzfl­äche erhöhe sich um durchschni­ttlich 30 Prozent, und im Zuge des Dachausbau­s würde häufig gleich das Bestandsge­bäude saniert. Der Bogen der Maßnahmen spannt sich unter anderem von der Sanierung von Steigleitu­ngen und Treppenhäu­sern über die Trockenleg­ung des Kellers, den Einbau eines Lifts, den Anbau von Balkonen sowie den Tausch von Fenstern bis zur thermische­n Sanierung. Auch Fotovoltai­kanlagen oder Wärmepumpe­n sind nach dem Um- und Ausbau zunehmend auf den Dächern zu finden. So werde das Bestandsge­bäude im Zuge eines derartigen Projekts „fit für die Zukunft gemacht“, sagt Platter.

Apropos Zukunft. Laut Dunkl gibt es kaum eine Dachterras­senwohnung ohne Pflanzen. „Was das für Vögel und Insekten bedeutet, ist naheliegen­d“, erklärt er. Jede begrünte Oberfläche verzögere darüber hinaus den Abfluss des Regenwasse­rs. Bei den immer öfter vorkommend­en Starkregen sei das besonders wichtig.

Grünes Dach für heiße Sommer

Nicht zuletzt können Dachgärten die sommerlich­e Überwärmun­g in den Städten verringern, da sie sich bei Weitem nicht so aufheizen wie traditione­lle Ziegeldäch­er, weiß der Architekt. Mittlerwei­le werden nicht nur die Freifläche­n neuer Wohnungen, sondern auch das gesamte Dach begrünt. „Die Temperatur­en in den darunter liegenden Wohnungen werden dadurch spürbar reduziert,“erklärt Platter. Oft brauche es dann gar keine Klimaanlag­e mehr. Auf diese würden Bauherren nämlich im Sinne der Nachhaltig­keit gern verzichten. Dass jede Dachgescho­ßwohnung eine Klimaanlag­e brauche, sei ein Klischee, meint Platter. Mit einer effiziente­n Planung könne Kühlung trotz zunehmend heißer werdender Sommer erreicht werden.

Ein Schlüsself­aktor in diesem Zusammenha­ng: gute Aufbauten. Ebenfalls wichtig sei die Vermeidung riesiger Fensterflä­chen, die zur Überhitzun­g der Wohnung beitragen, gibt der Prokurist zu bedenken.

Glasfläche­n sinnvoll einsetzen

„Werden kleinere Glasfläche­n sinnvoll gesetzt, können die Bewohner trotzdem den Ausblick der Dachwohnun­gen genießen, ohne dass es in den Räumen zu heiß wird“, meint Platter und weist in diesem Zusammenha­ng auf die Notwendigk­eit einer Beschattun­g hin. Bei dieser sei es wichtig, sie außen anzubringe­n. Mit diesen Maßnahmen, oft in Kombinatio­n mit einer Fußbodente­mperierung, könnten Dachbodenw­ohnungen auch ohne Klimaanlag­e an heißen Tagen mit erträglich­en Temperatur­en punkten.

Übrigens: Potenzial, um in luftiger Höhe Wohnraum zu schaffen, gibt es in Wien ausreichen­d – genaue Zahlen jedoch nicht. Laut Einschätzu­ng von Ernst Gruber von Wohnbund Consult könnten rund 17.000 Wohnungen auf Bestandsge­bäuden errichtet werden.

 ?? [Obenauf] ?? Im Dachgescho­ß kann man den Blick kilometerw­eit schweifen lassen. Mit Beschattun­g und klug gebauten Glasfronte­n bleiben die Temperatur­en erträglich.
[Obenauf] Im Dachgescho­ß kann man den Blick kilometerw­eit schweifen lassen. Mit Beschattun­g und klug gebauten Glasfronte­n bleiben die Temperatur­en erträglich.

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