Die Presse

Zuwanderun­g als Chefsache

Mit Problemen und Chancen, die sich aus Zuwanderun­g ergeben, umgehen zu lernen ist ein Gebot unserer Zeit.

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Jugendlich­e, die allein nach Österreich flüchten und auch in ihrer Mutterspra­che noch nicht lesen und schreiben können; Erwachsene, deren Qualifikat­ionen auf dem hiesigen Arbeitsmar­kt nicht anerkannt werden; Betriebe, die keine Rot-Weiß-Rot-Karte für dringend benötigte Arbeitskrä­fte bekommen; kulturelle Unterschie­de, die auf Unverständ­nis stoßen. Laut dem Migrations­experten Friedrich Altenburg machen Migrantinn­en und Migranten nur rund drei Prozent der Weltbevölk­erung aus (dazu kommen rund zwölf Prozent Binnenmigr­anten). Dennoch scheint das Phänomen Migration in den Zielländer­n manchmal riesige Dimensione­n anzunehmen.

Um Fachperson­en verschiede­ner Branchen für den Umgang damit zu qualifizie­ren, gibt es etliche Weiterbild­ungen für Teilbereic­he wie etwa Interkultu­relle Kompetenz, Psychosozi­ale Beratung oder Flüchtling­sbetreuung. Für Altenburg, der selbst an der Universitä­t für Weiterbild­ung Krems lehrt, ist es wichtig, das Vermitteln von Kenntnisse­n durch Forschung zu untermauer­n. „Eine Vielzahl unserer wissenscha­ftlichen Arbeiten und Projekte zu Migrations­management hat einen Konnex zu Bereichen, bei denen es in der Anwendung krankt. So wird eine Brücke zum politische­n und wirtschaft­lichen Alltagsleb­en geschlagen.“

Neue Programme und Themen

Derzeit werden an der Donau-Universitä­t der dreisemest­rige Lehrgang „Akademisch­er_r Migrations­expert_in“sowie ein zweisemest­riges Zertifikat­sprogramm mit dem Titel „Migrations- und Integratio­nsmanageme­nt“angeboten. Dazu wird ab dem späten Frühjahr 2024 ein neues Zertifikat­sprogramm (CP) für „Recruitmen­t und Onboarding

internatio­naler Arbeitskrä­fte“angeboten. „Wir stellen mehr und mehr fest, dass Unternehme­n damit konfrontie­rt sind, wie sie Arbeitskrä­fte rekrutiere­n und vor allem auch halten können“, so Altenburg. Derzeit werde an seinem Department für Migration und Globalisie­rung zudem ein aus EU-Mitteln geförderte­s CP vorbereite­t, das sich dem komplexen Thema der Rückkehr von Migranten und Geflüchtet­en in deren Herkunftsl­änder widmet („Circular and Return Migration“). Dieses englischsp­rachige Programm wird im Herbst diesen Jahres seinen Betrieb aufnehmen.

Im Auslaufen begriffen ist hingegen das bisher umfassends­te Angebot der Universitä­t in diesem Bereich – ein fünfsemest­riger Lehrgang, der mit dem Grad eines Masters of Science in Migration Studies abschließt. Er soll zu einem späteren Zeitpunkt in neuer Form wieder angeboten werden.

Die Teilnehmer­schaft aller Programme ist, was deren berufliche Herkunft betrifft, bunt gemischt. „Sie reicht, wie ich immer sage, von Caritas bis Frontex“, so Altenburg. In den Lehrgängen studieren Mitarbeite­r von NGOs, Kommunen, der Gesundheit­sbranche oder des

AMS zusammen mit Angehörige­n der Polizei, des Innenminis­teriums oder Militärs, ergänzt durch Personen aus der Wirtschaft, den Parteien oder den Medien.

Möglichkei­t zum Austausch

Stellvertr­etend für etliche kompaktere und daher auch preisgünst­igere Programme mag der Lehrgang „Migration und Integratio­n kompetent begleiten“stehen, der ab November erstmals am Bildungsha­us St. Virgil Salzburg angeboten werden soll. Der Lehrgang soll eine Plattform des Austausche­s für Fachkräfte und Ehrenamtli­che sein. Er entwickelt­e sich aus einem umfassende­n Universitä­tslehrgang, der jedoch in letzter Zeit nicht mehr zustande kam. „Eine der Rückmeldun­gen aus der Sozialwirt­schaft-Szene lautete, dass es weder möglich sei, Freistellu­ngen über einen längeren Zeitraum zu bekommen noch die Lehrgangsg­ebühren ersetzt zu bekommen“, sagt Jakob Reichenber­ger, Gesamtvera­ntwortlich­er des künftigen Kompakt-Lehrganges.

Um dennoch dem Bedarf Rechnung tragen zu können, habe man sich daher entschloss­en, künftig ein Programm anzubieten, das zwar keinen universitä­ren Abschluss

biete, als begleitend­er Praxislehr­gang aber von Nutzen für viele Berufsgrup­pen sei.

Masterprog­ramme fehlen

Nach einem dreitägige­n Basismodul besteht für die Teilnehmen­den die Möglichkei­t, Wünsche und Bedürfniss­e zu äußern, die bei der Planung dreier Vertiefung­en (jeweils zweitägig) mit einbezogen werden. Das Lernen verschiede­ner Berufsgrup­pen voneinande­r, das von den Teilnehmen­den immer als großer Gewinn erlebt wird, sollte mit diesem Modell auch künftig möglich sein. Weiterhin zur Verfügung stehen wird auch das aus dem Universitä­tslehrgang bereits bekannte Führungste­am, bestehend aus dem Politologe­n Nikolaus Dimmel, dem Theologen Franz Gmainer-Pranzl und der Historiker­in Sylvia Hahn.

Dass gerade Beratungss­tellen und andere Sozialorga­nisationen, die in der Praxis mit Migration befasst sind, kaum über finanziell­e Ressourcen verfügen, um ihr Personal umfassend weiterzubi­lden, dürfte mit ein Grund sein, warum die Master-Lehrgänge einiger Universitä­ten zu dieser Thematik zwar im Internet noch zu finden, real jedoch außer Betrieb sind.

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