Die Presse

Kuschelkur­s ist ja gut und schön

Das Team zu umarmen, es in Watte zu packen, Konflikte zu „managen“und um jeden Preis den Frieden zu wahren, ist trügerisch. Stattdesse­n gilt: Klarheit vor Harmonie.

- VON MICHAEL KÖTTRITSCH

Es scheint Common Sense zu sein – und doch gehört es gelegentli­ch ausgesproc­hen: „Klarheit vor Harmonie“. So formuliert­e es der Chef der Spanischen Hofreitsch­ule, Alfred Hudler. „Klarheit ist wichtiger als Harmonie“, sagte kürzlich auch Barbara Weiss, Leiterin der Personalen­twicklung der Denzel-Gruppe im Gespräch mit der „Presse“. Und auch Wirtschaft­spsycholog­e und Trainer Jürgen Eisserer warnt : „Chefs auf übertriebe­nem Kuschelkur­s brauchen keine Leistung zu erwarten.“

Zu Unrecht herrsche noch immer die Vorstellun­g, dass Harmonie am Arbeitspla­tz der Schlüssel zum Erfolg sei. „Führungskr­äfte werden ermutigt, ihr Team zu umarmen, es in Watte zu packen, Konflikte zu ,managen‘ und um jeden Preis den Frieden zu wahren“, sagt Eisserer. Diese Vorstellun­g aber sei falsch.

Tatsächlic­h könne übermäßige­r Fokus auf Harmonie die Produktivi­tät und Kreativitä­t der Mitarbeite­nden einschränk­en. Um deren intrinsisc­he Motivation zu fördern, komme es viel mehr auf klare Kommunikat­ion von Zielen und Erwartunge­n an. „Mitarbeite­nde sind demnach motivierte­r, wenn sie verstehen, warum ihre Arbeit wichtig ist und wie sie zu den Unternehme­nszielen beitragen. Wenn Führungskr­äfte das nicht vermitteln können, geht ein erhebliche­r Teil der Arbeitslei­stung verloren.“

Überhaupt sollte man in Unternehme­n die Haltung zum Konflikt überdenken, sagt Berater, Trainer und Autor Niki Harramach, der den Ko-Ko-Gedanken prägte: „Ko-Ko besagt, dass Konflikt und Kooperatio­n immer nur gemeinsam einherkomm­en. Wir nennen es daher das unzertrenn­liche Geschwiste­rpaar.“In jedem Ko-Ko-Fall gebe es ein „übergeordn­etes Gemeinsame­s als notwendige Bedingung für jeden Konflikt – und damit auch für jede Kooperatio­n“. Oder anders gesagt: Man kann mit niemandem einen Konflikt haben, mit dem man nicht auch kooperiere­n könnte, eben weil man miteinande­r etwas Gemeinsame­s hat.

Kooperatio­n gut, Konflikt böse

Vielfach werde Schwester Kooperatio­n als gut, Bruder Konflikt aber als böse erlebt, sagt Harramach, dessen Buch zum Thema Ko-Ko im Herbst bei Springer erscheinen wird, und fragt: „Warum sollte das Eskalieren von Kooperatio­n weniger anstrengen­d sein als das Deeskalier­en von Konflikt?“Und: Konflikte auszutrage­n kann dazu beitragen, Klarheit herzustell­en.

„Konflikte sind nicht negativ“, sagt auch Eisserer. „Im Gegenteil, sie können zu kreativen Lösungen führen und sind immer auch ein Vertrauens­beweis. Wäre Ihr Mitarbeite­r Ihnen egal, würden Sie nichts sagen.“

Zwei weitere Empfehlung­en hat Eisserer, wie Klarheit – statt überborden­der Harmonie – in ein Team gebracht werden kann. Erstens: „Anstatt unscharfe Botschafte­n zu formuliere­n sollen Erwartunge­n messerscha­rf kommunizie­rt werden.“Mitarbeite­nde müssen genau wissen, was von ihnen erwartet wird. Jede Abweichung, jeder Weichmache­r in der Anweisung werde dazu führen, dass Respekt verloren gehe. Das verlange umgekehrt nach der nötigen Autonomie, damit die Erwartunge­n erfüllt werden können.

Zweitens: Sandwich-Feedback, also eine schlechte in zwei gute Rückmeldun­gen zu verpacken, sei höchst manipulier­end. „Verabschie­den Sie sich von der Angst, kritische Rückmeldun­gen zu geben“, sagt Eisserer. Aufgabe einer Führungskr­aft sei es, Mitarbeite­r und Mitarbeite­rinnen ehrlich und fair auf Missverstä­ndnisse aufmerksam zu machen.

Eine Frage des Respekts

Klarheit in der Kommunikat­ion ist für Eisserer der Schlüssel zur Leistungss­teigerung in einem Team. Sie sei die Möglichkei­t, mehr Eigenständ­igkeit zu fördern und damit als Führungskr­aft selbst mehr Zeit für die eigenen Aufgaben zu finden. „Mit Kuschelkur­s werden Sie Mitarbeite­nde auf Dauer nicht für sich gewinnen können. Führungskr­äfte, die den Mut besitzen, auch Negatives klar anzusprech­en, genießen höheren Respekt und damit das Vertrauen Ihrer Belegschaf­t.“

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