Kuschelkurs ist ja gut und schön
Das Team zu umarmen, es in Watte zu packen, Konflikte zu „managen“und um jeden Preis den Frieden zu wahren, ist trügerisch. Stattdessen gilt: Klarheit vor Harmonie.
Es scheint Common Sense zu sein – und doch gehört es gelegentlich ausgesprochen: „Klarheit vor Harmonie“. So formulierte es der Chef der Spanischen Hofreitschule, Alfred Hudler. „Klarheit ist wichtiger als Harmonie“, sagte kürzlich auch Barbara Weiss, Leiterin der Personalentwicklung der Denzel-Gruppe im Gespräch mit der „Presse“. Und auch Wirtschaftspsychologe und Trainer Jürgen Eisserer warnt : „Chefs auf übertriebenem Kuschelkurs brauchen keine Leistung zu erwarten.“
Zu Unrecht herrsche noch immer die Vorstellung, dass Harmonie am Arbeitsplatz der Schlüssel zum Erfolg sei. „Führungskräfte werden ermutigt, ihr Team zu umarmen, es in Watte zu packen, Konflikte zu ,managen‘ und um jeden Preis den Frieden zu wahren“, sagt Eisserer. Diese Vorstellung aber sei falsch.
Tatsächlich könne übermäßiger Fokus auf Harmonie die Produktivität und Kreativität der Mitarbeitenden einschränken. Um deren intrinsische Motivation zu fördern, komme es viel mehr auf klare Kommunikation von Zielen und Erwartungen an. „Mitarbeitende sind demnach motivierter, wenn sie verstehen, warum ihre Arbeit wichtig ist und wie sie zu den Unternehmenszielen beitragen. Wenn Führungskräfte das nicht vermitteln können, geht ein erheblicher Teil der Arbeitsleistung verloren.“
Überhaupt sollte man in Unternehmen die Haltung zum Konflikt überdenken, sagt Berater, Trainer und Autor Niki Harramach, der den Ko-Ko-Gedanken prägte: „Ko-Ko besagt, dass Konflikt und Kooperation immer nur gemeinsam einherkommen. Wir nennen es daher das unzertrennliche Geschwisterpaar.“In jedem Ko-Ko-Fall gebe es ein „übergeordnetes Gemeinsames als notwendige Bedingung für jeden Konflikt – und damit auch für jede Kooperation“. Oder anders gesagt: Man kann mit niemandem einen Konflikt haben, mit dem man nicht auch kooperieren könnte, eben weil man miteinander etwas Gemeinsames hat.
Kooperation gut, Konflikt böse
Vielfach werde Schwester Kooperation als gut, Bruder Konflikt aber als böse erlebt, sagt Harramach, dessen Buch zum Thema Ko-Ko im Herbst bei Springer erscheinen wird, und fragt: „Warum sollte das Eskalieren von Kooperation weniger anstrengend sein als das Deeskalieren von Konflikt?“Und: Konflikte auszutragen kann dazu beitragen, Klarheit herzustellen.
„Konflikte sind nicht negativ“, sagt auch Eisserer. „Im Gegenteil, sie können zu kreativen Lösungen führen und sind immer auch ein Vertrauensbeweis. Wäre Ihr Mitarbeiter Ihnen egal, würden Sie nichts sagen.“
Zwei weitere Empfehlungen hat Eisserer, wie Klarheit – statt überbordender Harmonie – in ein Team gebracht werden kann. Erstens: „Anstatt unscharfe Botschaften zu formulieren sollen Erwartungen messerscharf kommuniziert werden.“Mitarbeitende müssen genau wissen, was von ihnen erwartet wird. Jede Abweichung, jeder Weichmacher in der Anweisung werde dazu führen, dass Respekt verloren gehe. Das verlange umgekehrt nach der nötigen Autonomie, damit die Erwartungen erfüllt werden können.
Zweitens: Sandwich-Feedback, also eine schlechte in zwei gute Rückmeldungen zu verpacken, sei höchst manipulierend. „Verabschieden Sie sich von der Angst, kritische Rückmeldungen zu geben“, sagt Eisserer. Aufgabe einer Führungskraft sei es, Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ehrlich und fair auf Missverständnisse aufmerksam zu machen.
Eine Frage des Respekts
Klarheit in der Kommunikation ist für Eisserer der Schlüssel zur Leistungssteigerung in einem Team. Sie sei die Möglichkeit, mehr Eigenständigkeit zu fördern und damit als Führungskraft selbst mehr Zeit für die eigenen Aufgaben zu finden. „Mit Kuschelkurs werden Sie Mitarbeitende auf Dauer nicht für sich gewinnen können. Führungskräfte, die den Mut besitzen, auch Negatives klar anzusprechen, genießen höheren Respekt und damit das Vertrauen Ihrer Belegschaft.“