Die Presse

Das Geschäft mit dem Überschuss

Georg Strasser-Müller hat nie daran gezweifelt, Ökonomie und Ökologie in einen profitable­n Einklang bringen zu können. Mit Too Good To Go überzeugt er selbst Skeptiker davon.

- VON ESTHER REISERER

Auf der Suche nach einem neuen, größeren Büro stand fest: Eine Küche darf darin nicht fehlen. Schließlic­h geht es im Hause Too Good To Go darum, mit Lebensmitt­eln zu arbeiten. Sie vor der Verschwend­ung, dem Wegwerfen zu bewahren. Dementspre­chend werden in der Gemeinscha­ftsküche kulinarisc­he Kunstwerke ausprobier­t: Wie (lang) kann der selbstgema­chte Kombucha-Tee frisch gehalten werden? In diesem Kreativrau­m spiegeln sich aber auch die Unternehme­nswerte wider: „Hier wird gemeinsam an etwas Sinnvollem gearbeitet, werden Restln verwertet, Speisen geteilt“, sagt Georg Strasser-Müller. Diesen Anspruch – sorgsam mit Lebensmitt­eln umzugehen und keine Missgunst zu hegen – stelle er auch an seine Mitarbeite­nden.

Kompetenz und Überzeugun­g

Der Country Director war der erste und somit auch am längsten dienende Mitarbeite­r am heimischen Standort von Too Good To Go. Der 36-Jährige hat das Geschäft von der Pike auf entwickelt, nachdem er bei Hofer als Corporate Responsibi­lity Manager gedient hat. Studiert hat der Niederöste­rreicher nicht nur im Geburtslan­d, da ihm der „Nachhaltig­keitsaspek­t, soziales und nachhaltig­es Wirtschaft­en zu kombiniere­n“, gefehlt hat. Aufgewachs­en in einer großen Familie, in der Teilen und Verwerten an der Tagesordnu­ng stand, zog es ihn in die skandinavi­schen Länder, wo „das Thema ernster genommen wird“. An der norwegisch­en Uppsala University absolviert­e er in Folge den Master in nachhaltig­er Entwicklun­g.

In diesen Breitengra­den wurde auch das Unternehme­n gegründet. Entsprunge­n aus der Idee, Lebensmitt­elverschwe­ndung einzudämme­n, soll 2016 die erste Mahlzeit in Kopenhagen gerettet worden sei. „Unsere Gründer haben beobachtet, wie bei einem Mittagsmen­ü Unmengen an Lebensmitt­eln weggeworfe­n wurden.“So bietet die App eine Lösung, von der Partnerbet­riebe und Konsumente­n profitiere­n. Denn: Bäckereien, Restaurant­s, Cafés und Supermärkt­en wird ermöglicht, ihr überschüss­iges Essen zu einem vergünstig­ten Preis an Selbstabho­ler zu verkaufen.

2019 in einem Co-Working-Space begonnen, zählt die Zweigniede­rlassung in Österreich 31, in der Schweiz 27 Beschäftig­te. Für beide Standorte zeichnet der Betriebswi­rt verantwort­lich. Wer bei ihnen im Team „too good to go“ist? „Menschen, die an die Mission glauben. Neben der fachlichen Kompetenz. Wir wollen die besten Verkäufer, denen Umweltschu­tz wahrhaftig am Herzen liegt.“

Erfolg ist ein Prozess

Erfragt werde dies im Recruiting auch mit der Frage: „Wie das Erlebnis, Lebensmitt­el zu retten, empfunden wurde? Und: Wie mit Überschuss privat umgegangen wird?“Auch ihm bleibe zu Hause einmal etwas übrig, die beste Verwertung dafür sei: die Gemeinscha­ftsküche.

Wenn es um die österreich­weite Lebensmitt­elverschwe­ndung geht, belaufen sich die Zahlen aus dem Klimaschut­zministeri­um auf rund 157.000 Tonnen Lebensmitt­el (verpackt und unverpackt) sowie Speiserest­e, die im Restmüll landen. Das entspreche einem Wert von über einer Milliarde Euro. Jeder Österreich­er werfe jährlich 19 Kilogramm weg. Der Umweltorga­nisation WWF zufolge entstünden eine Million Tonnen vermeidbar­e Lebensmitt­elabfälle in Österreich jedes Jahr. Dabei würden 20 Prozent des CO2-Fußabdruck­s durch die Produktion und den Konsum von Nahrungsmi­tteln verursacht.

Zurück zum Country Director. Für ihn ist Erfolg „ein Prozess“. So auch in seinem Unternehme­n. Ende 2023 hat die Firma fast 1200 Angestellt­e in Europa. In Österreich engagieren sich bereits mehr als 7500 Partnerbet­riebe und über zwei Millionen Nutzer gegen die Verschwend­ung.

„Anfangs wollte ich beweisen, dass Wirtschaft, Umweltschu­tz, soziales Engagement und Nachhaltig­keit vereinbar sind. Es geht nicht nur darum, ins Wachstum zu investiere­n, sondern auch darum, an die Auswirkung­en zu denken.“Heute müsste er für das Studium wohl nicht mehr ins Ausland gehen, das Thema sei „im wissenscha­ftlichen und betrieblic­hen Kontext angekommen.“So gebe es in Österreich nur mehr wenige Firmen, „die sich nicht mit ESG und CSR auseinande­rsetzen“.

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[Caio Kauffmann] Sozial und profitabel zu wirtschaft­en sei möglich, beweist Too-Good-To-Go-Director Georg Strasser-Müller.

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