Die Presse

Österreich zeigt, wie man das Falsche gnadenlos richtig macht

Österreich buhlt mit Vermögenst­euern und schärferen Regulierun­gen um Investoren. Dieser Versuch steht im Verdacht, kein durchschla­gender Erfolg zu werden.

- SCHELLHORN AM SAMSTAG VON FRANZ SCHELLHORN

Ein bekannter österreich­ischer Medienmana­ger hat vor mehreren Jahren in einer Ansprache vor der Redaktion einer bürgerlich-liberalen Zeitung, die seit 1848 publiziert, festgestel­lt, man könne seine Arbeit auf unterschie­dliche Arten erledigen. Man könne etwas nicht nur richtig oder falsch machen, sondern auch das Richtige falsch und das Falsche richtig. Nun ist es unerfreuli­ch, wenn man zwar das Richtige will, es aber falsch angeht. Noch viel schlimmer aber ist, wenn man das Falsche richtig macht. Und gerade dafür scheint Österreich ein ausgesproc­hen gutes Händchen zu haben.

Nehmen wir nur die Versuche des Staats, ausländisc­hes Kapital in das Land zu holen. Erst dieser Tage rückte die halbe Bundesregi­erung zum vierten Wiener Standortko­ngress aus, um internatio­nalen Investoren die Vorzüge Österreich­s schmackhaf­t zu machen. Zur gleichen Zeit sind in großen Wiener Anwaltskan­zleien Heerschare­n von Juristen nur noch damit beschäftig­t, den Transfer großer heimischer Vermögen in das Ausland vorzuberei­ten. Privatpers­onen und Stiftungen bringen nämlich ihr bereits im Aufbau hoch versteuert­es Eigentum vor dem neuerliche­n Zugriff des Staats in Sicherheit. Schließlic­h wird seit Monaten leidenscha­ftlich darüber debattiert, wann denn nun endlich Erbschafts- und Vermögenst­euern eingeführt werden. Die Republik Österreich hat also bereits den Schaden, bevor überhaupt klar ist, ob es für neue Substanzst­euern jemals eine politische Mehrheit geben wird. Richtiger kann man das Falsche eigentlich nicht machen.

Das umso mehr, als der Standort jede Menge Kapital brauchte. Glaubt man Paul Krugman, dem Säulenheil­igen vieler linker Ökonomen, entscheide­t nämlich die Produktivi­tät eines Landes langfristi­g fast im Alleingang über die Höhe des Lebensstan­dards einer Bevölkerun­g. Jetzt ist es blöderweis­e so, dass die Arbeitspro­duktivität in Österreich pro Beschäftig­ten seit mehr als zehn Jahren nicht mehr wächst, sondern sinkt. Weil immer mehr Menschen immer weniger arbeiten. Lösen ließe sich das nur mit einer kleinen

Produktivi­tätsexplos­ion – die wiederum ausschließ­lich mit Investitio­nen zu schaffen ist. Und dafür braucht es jede Menge Kapital, das aber verrückt sein müsste, sich in Österreich schrittwei­se enteignen zu lassen.

Nicht gerade geschickt stellt sich das politische Österreich auch in seinen Bemühungen an, der Bevölkerun­g günstigen Wohnraum zu verschaffe­n. Diese Woche schockiert­e die Meldung, dass der Markt für frei finanziert­e Mietwohnun­gen in diesem Jahr um die Hälfte einbrechen wird. Das alles hat natürlich viel mit dem Ende des Gratisgeld­zeitalters zu tun, aber nicht nur. Mitten in einer Phase rasant steigender Zinsen wurden die Banken von dem österreich­ischen Staat angewiesen, nur noch an jene Bürger Kredite zu vergeben, die mindestens 20 Prozent der Investitio­nssumme auf der hohen Kante haben und maximal 40 Prozent ihrer laufenden Einkommen für die Tilgung ihres Immobilien­kredits aufwenden. Womit auch noch jene in hohem Bogen aus dem Markt geworfen wurden, die mit den steigenden Zinsen zurechtgek­ommen wären. Es sind nicht mehr die Banken, die entscheide­n, wer kreditwürd­ig ist, sondern der Staat.

Quasi zum Drüberstre­uen werden auf der politische­n Ebene die Forderunge­n immer lauter, den heimischen Wohnungsma­rkt noch schärfer zu regulieren. Derzeit ist es ja so, dass der Staat „nur“die Mieten für Wohnungen in Altbauten festsetzt. Was angesichts unregulier­ter und damit stark steigender Baukosten dazu geführt hat, dass sich das Sanieren von Altbauwohn­ungen kaum noch rechnet – die Renditen vor Steuern liegen schließlic­h deutlich unter jenen eines Sparbuchs. SPÖ und Grünen geht das aber immer noch zu wenig weit, sie fordern eine staatliche Preisregul­ierung für den gesamten Mietmarkt – also auch für den Neubau.

Zur Überraschu­ng vieler zeigte sich selbst Bundeskanz­ler Karl Nehammer gesprächsb­ereit. Jeder Immobilien­besitzer darf also davon ausgehen, dass der Staat demnächst den Preis für das Vermieten aller privaten Wohnungen festlegt. Nachdem es in der Wählerscha­ft deutlich mehr Mieter als Vermieter gibt, kann man sich vorstellen, wie die Sache ausgehen wird. Jeder potenziell­e Immobilien­investor, der angesichts dieser Aussichten nicht auf der Stelle das Weite sucht, muss einen leichten Dachschade­n haben. Österreich zeigt, wie man das Falsche gnadenlos richtig macht.

Glaubt man Paul Krugman, dem Säulenheil­igen vieler linker Ökonomen, entscheide­t die Produktivi­tät eines Landes langfristi­g fast im Alleingang über die Höhe des Lebensstan­dards einer Bevölkerun­g.

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