Was passiert, wenn man in die Luft schießt?
Der tragische Vorfall geschah im Vorjahr: Ein Bräutigam starb bei seiner Feier durch eine Kugel, die in die Luft gefeuert wurde. „Was passiert mit Kugeln, die man nach oben in die Luft jagt? „Ganz einfach: Sie kommen wieder herunter“, sagt Ballistik-Fachmann Armin Zotter. „Und weil das erhebliche, sogar tödliche Verletzungen oder Sachbeschädigung zur Folge haben kann, ist das Abgeben von Warn- oder Freudenschüssen in Österreich gesetzlich sehr restriktiv geregelt.“Zotter ist als Experte für den Internationalen Strafgerichtshof und die Europäische Kommission tätig, unterrichtet an diversen Universitäten und ist ein gefragter Gerichtssachverständiger, wenn es um Ballistik und das Schießwesen geht.
„Um nicht mehr herunterzukommen, also in den Weltraum zu gelangen, müsste ein Geschoß die Fluchtgeschwindigkeit von rund 11,2 Kilometern pro Sekunde überschreiten“, erklärt der Ingenieurwissenschaftler. „Eine Pistolenkugel schafft aber in der Regel nur bis zu rund 350 Meter pro Sekunde.“Sie steigt zunächst nach oben, bis ihre kinetische Energie (Bewegungsenergie) verbraucht ist. Welche Höhe sie dabei erreicht, sei unterschiedlich, sagt Zotter. „Die Kugel aus einem starken Jagdgewehr, mit dem man Wildschweine oder Hirsche schießt, hat ihren Umkehrpunkt in zwei bis drei Kilometern Höhe, eine Pistolenkugel in rund 1,3 km. Die Gefahr, ein Luftfahrzeug zu treffen, besteht jedenfalls nicht, außer in der Nähe von Flughäfen.“
Genau genommen handelt es sich selten um eine Kugel im geometrischen Sinn. Üblicherweise sind Geschoße aerodynamisch geformt, so wie bei der hierzulande meist verwendeten Pistolenmunition: Projektile mit neun Millimetern Durchmesser, einem Gewicht von acht Gramm und einem ogivalen, also spitzbogenförmig zulaufenden Kopf. Auf derartigen Geschoßen beruhen auch die Berechnungen und Messungen, für die den Forschenden technisch hochwertige Geräte wie das Zielverfolgungsradar zur Verfügung stehen. Gefährlich in weitem Umkreis
Hat ein abgefeuertes Projektil seinen höchsten Punkt erreicht, stürzt es, bedingt durch die Erdanziehungskraft, in Richtung Boden zurück und wird dabei vom Luftwiderstand gebremst. Wie schnell es wird, hängt von weiteren Faktoren ab: von der Form des Geschoßes, aber auch von der Dichte oder der Feuchtigkeit der Luft. Jedenfalls ist die Kugel schnell genug, um schwerwiegende Folgen für jemanden zu haben, der von ihr getroffen wird.
Zotter: „Eine Geschwindigkeit von etwa 40 m/s (rund 145 km/h) reicht aus, um die Haut zu durchdringen. Ab 90 m/s (rund 325 km/h) kann ein Projektil Plattenknochen durchschlagen.“Unter Laborbedingungen würde das Projektil genau dort aufschlagen, wo es abgefeuert wurde.
„In der Praxis wird aber nie exakt senkrecht nach oben geschossen, und es ist nie vollkommen windstill“, erklärt Zotter, weshalb selbst in einem Umkreis von mehr als zwei Kilometern Gefahr besteht. „Trotz strenger Gesetze stehen alljährlich Personen vor Gericht, denen nicht bewusst ist, welche Gefahr sie durch das Abgeben von solchen Schüssen erzeugt haben“, weiß der Sachverständige. Sein Tipp: „Wenn man schon durch Schüsse Lärm verursachen will, dann bitte Knallpatronen verwenden!“
„Um in den Weltraum zu gelangen, müsste ein Geschoß die Fluchtgeschwindigkeit von rund 11,2 Kilometern pro Sekunde überschreiten.“ Armin Zotter, Sachverständiger Ballistik