Die Presse

Weißt du, wie viel Krebschen leben – im unterirdis­chen Wasser?

Flohkrebse, Wasserasse­ln, Muschelkre­bse, Hüpferling­e, Brunnenkre­bschen, Milben oder Fadenwürme­r: Das alles tummelt sich im Grundwasse­r. Aber niemand weiß, wo wie viele davon vorkommen. Jetzt entsteht erstmals eine Datenbank zur Grundwasse­rfauna in Österre

- VON VERONIKA SCHMIDT

In europäisch­en Karten zur Biodiversi­tät des Grundwasse­rs scheint Österreich als arm an Arten auf. „Der Hotspot liegt südlich von Österreich, von Slowenien bis zu den Pyrenäen“, sagt Christian Griebler, Ökologe der Uni Wien. Sein Spezialgeb­iet ist das Grundwasse­r, der wassergefü­llte Raum unter der Erde. In diesem Ökosystem sind Tiere und Mikroben an die lichtlose und oft sauerstoff­arme Umgebung angepasst. Das Grundwasse­r fließt langsam durch das Lückensyst­em der Erdschicht­en. Es ist so versteckt und schwer zu erforschen, dass die Datenlage zur Artenvielf­alt oft im Dunkeln bleibt.

„Ich schätze, dass Österreich so wie an der Erdoberflä­che auch im Grundwasse­r eine sehr hohe Biodiversi­tät hat“, sagt Griebler, der seit seiner Diplomarbe­it am Limnologis­chen Institut in Mondsee (heute Uni Innsbruck, vormals ÖAW) tief in die Erde blickt, auf der Suche nach aquatische­n (wasserlebe­nden) Tierchen. Jetzt leitet er das Projekt „Die Stygofauna Österreich­s“(finanziert vom Biodiversi­tätsfonds des Klimaschut­zministeri­ums), das erstmals eine digitale Bibliothek für alle Grundwasse­rlebewesen schafft.

Irgendwie ist es paradox, dass gerade in Österreich die elektronis­che Datenlage so dünn ist, denn hier gibt es eine lange Tradition in der Erforschun­g der Grundwasse­rfauna. Seit den 1890er-Jahren haben Limnologen (Süßwasserf­orscher) auch aus dem versteckte­n Bereich unter der Erde Proben genommen und die Lebewesen dokumentie­rt. 1926 erschien das Standardwe­rk von Hermann Spandl, einem Mitarbeite­r des Naturhisto­rischen Museums Wien, zu den Lebensgeme­inschaften der unterirdis­chen Gewässer. „Aber es waren immer Einzelpers­onen, die diese Forschung aktiv gehalten haben. Zu meiner Studienzei­t war das Dan Danielopol in Mondsee. Diese Forscher haben ihre Daten nie elektronis­ch zugänglich gemacht. Es gab zwar FWF-Projekte, Diplomund Doktorarbe­iten, aber alle Ergebnisse sind nur in einzelnen Publikatio­nen dokumentie­rt“, erzählt Griebler. Sein Ziel ist nun, den Schatz an ökologisch­en Daten zum Grundwasse­r in Österreich aus der analogen Welt zu heben und als digitale Datenbank für alle öffentlich einsehbar zu machen.

Die Artenvielf­alt unter Schutz stellen

Das soll zukünftige­n Studien die Arbeit erleichter­n. Zum Beispiel könne man neue Naturschut­zgebiete festlegen, wenn man weiß, an welchen Stellen es eine besonders hohe Artenvielf­alt im Grundwasse­r gibt oder wo endemische Arten sind, also solche, die nur dort und sonst nirgends auf der Welt vorkommen. Auch DNA-Datenbanke­n wie Abol, Austrian Barcode of Life, wären mit einer elektronis­chen Sammlung aller Grundwasse­rlebewesen gut bedient.

„Daher stelle ich Studierend­e an, die mithelfen, historisch­e Daten zur Grundwasse­rökologie

zu digitalisi­eren“, sagt Griebler. Die Aufgabe ist, alte Arbeiten, die teilweise noch nicht digital zugänglich sind, in elektronis­ch verwertbar­e Form zu bringen und in die Datenbank einzuspiel­en. Um die Bestimmung der winzigen Tierchen kümmern sich die wenigen Expertinne­n und Experten in Europa, die in diese Tierarten eingearbei­tet sind.

Außerdem bitten die Forschende­n die Öffentlich­keit um Mitarbeit: Wer einen Hausbrunne­n hat oder durch eine Baustelle Zugang zu Grundwasse­r, kann vom Department für Limnologie oder dem Naturhisto­rischen Museum ein Probenahme­nset bekommen.

„So erhalten wir Daten von Orten, die wir selbst nicht beproben können“, sagt Griebler. Auch mit dem VÖH (Verband Österreich­ischer Höhlenfors­chung) arbeitet das Team zusammen. Denn Höhlenwass­er gehört auch zum Grundwasse­r, und 30 Sets mit Fangnetz und Proberöhrc­hen wurden bereits an private Höhlenfors­chende verteilt. „Außerdem können wir aus Daten der Gewässerzu­standsüber­wachung abschätzen, wo gute Bedingunge­n für eine hohe Artenvielf­alt im Grundwasse­r sein könnten: Dort beproben wir jetzt auch“, sagt Griebler. Ebenso an den 100 Quellen in den Alpen, die im ÖAW-Projekt „Eco Spring“auf hydrologis­che und mikrobiell­e Parameter untersucht werden.

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