Moskau spielt Vermittler in Nahost
Russland lädt palästinensische Fraktionen nach Moskau – auch die Hamas.
Wien/München. Der russische Vorstoß kam überraschend. Nur dass er diesmal nicht militärischer Natur war wie in der Ukraine, sondern in der Form der Diplomatie. Gerade sagte Wladimir Putin noch in einem Interview, in der Ukraine gehe es für Russland um „Leben und Tod“. Im Krieg im Osten Europas zeichnet sich denn auch keine Friedensinitiative ab. Doch just im Nahen Osten schickt sich der Kreml-Chef nun an, die Vermittlerrolle zu spielen.
Nach China will nämlich auch Russland Lorbeeren erwerben für einen Frieden zwischen Israel und den Palästinensern. Wobei die Initiative zunächst einseitig ist: Am 26. Februar richtet Russland in Moskau ein Treffen der palästinensischen Fraktionen aus. Dabei sind die Fatah, die führende Partei im Westjordanland unter dem greisen Mahmud Abbas, und die Hamas einander spinnefeind. Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas hatte sich auch schon vor dem Krieg nicht mehr in den Gazastreifen gewagt. Die Palästinenser unterhalten gute Kontakte nach Moskau, die in Sowjet-Zeiten zurückreichen. Damals hat Abbas auch in Moskau studiert.
Keine Berührungsangst mit der Hamas
Vier Monate nach dem barbarischen HamasÜberfall auf Israel zeigt Palästinenser-Premier Mohammed Shtayyeh jedenfalls keine Berührungsängste zur Terrororganisation. Er merkte bei der Münchner Sicherheitskonferenz zwar an, dass die Ermordung von Zivilisten inakzeptabel sei. Zugleich plädierte der Premier für palästinensische Einigkeit und einen „Volkswiderstand“.
Dabei hielt Shtayyeh der Hamas die Tür zur PLO, der Palästinensischen Befreiungsorganisation, offen, wenn sie bestimmte Bedingungen erfülle, ohne dies allerdings näher auszuführen. „Wir wollen die Hamas auf unsere Seite ziehen“, meinte Shtayyeh, dessen Fatah im Westjordanland zuletzt dramatisch an Zustimmung verlor. „Wir sind bereit, zusammenzuarbeiten.“
„Wie Vieh“nach Ägypten treiben
Laut arabischen Medien haben die Terrororganisationen Hamas und Islamischer Jihad schon zugesagt. „Wir werden sehen, ob die Hamas bereit ist, sich mit uns zu einigen“, sagte Shtayyeh, der nach eigenen Angaben zuletzt keine Kontakte zu der islamistischen Terrororganisation hatte.
In München warf der Ökonom dem israelischen Premier Benjamin Netanjahu vor, außer mehr als 28.000 Toten, 70.000 Verletzten und 281.000 zerstörten Wohneinheiten im Gazastreifen nichts erreicht zu haben. Im Zuge der Militäroffensive in Rafah wolle Israel die Palästinenser im Gazastreifen wie Vieh nach Ägypten treiben, behauptete Shtayyeh. Die ägyptische Regierung habe jedoch klargemacht, dass sie die Grenze nicht öffnen werde. Shtayyeh forderte einen sofortigen Waffenstillstand und die Freilassung aller Geiseln, die die Hamas am 7. Oktober aus Israel entführt hat.
Der katarische Premier Mohammed alThani ließ bei der Sicherheitskonferenz durchblicken, dass die Verhandlungen über einen Geiseldeal zuletzt „nicht sehr vielversprechend“verlaufen seien. Das Emirat, das die Hamas finanziell unterstützt, hat im November eine Waffenruhe in Gaza und die Freilassung von Geiseln vermittelt. Im Gegenzug öffneten sich in Israel die Gefängnistore für dreimal so viele palästinensische Gefangene. In München traf al-Thani Jitzhak Herzog, den israelischen Präsidenten.
Israel hat zunächst nicht auf den russischen Vorstoß gegenüber den Palästinensern reagiert. In einer Pressekonferenz in Jerusalem hat Premier Netanjahu aber sehr wohl den Forderungen nach einer Waffenruhe und einem Verzicht auf eine Offensive auf Rafah im Süden des Gazastreifens eine harsche Absage erteilt. Dies käme der Deklaration einer Niederlage gleich.
Abfuhr für Palästinenserstaat
Zugleich wächst der Druck auf Israel, die Perspektive eines Palästinenserstaats ins Auge zu fassen. So ließen sogar enge Verbündete wie die USA und Großbritannien durchblicken, sie könnten einen Palästinenserstaat einseitig anerkennen. Für Israel wäre dies ein Schock. Netanjahu hat die Ablehnung eines eigenen palästinensischen Staats in Form einer Regierungserklärung bekräftigt – ein Zeichen, dass er dem massiven internationalen Druck aus einem nationalen Interesse heraus nicht nachgeben werde. Dies wäre ein „riesiger Preis für den beispiellosen Terror“. Er sieht sich darin einer Meinung mit Präsident Herzog. Nur Verhandlungen, so der Tenor, könnten zu einem Palästinenserstaat führen.