Die Presse

Bei Fotos nicht auf die Mutter gehört: enterbt

Kränkung. Eine Frau enterbte zwei Töchter, weil diese mit den Bildern und Filmen der Mutter anders umgingen als beim Familienes­sen ausgemacht. Der OGH bestätigt die Maßnahme, die Kinder hätten der Frau großes seelisches Leid zugefügt.

- VON PHILIPP AICHINGER

Wien. Sie fühlte sich um ihr künstleris­ches Lebenswerk gebracht. Weil zwei ihrer Töchter mit den Tausenden Fotos und Filmen der Mutter anders umgingen als ausgemacht und sie unabgespro­chen verwertete­n, enterbte die Frau diese beiden Kinder. Nach dem Tod der Mutter wollten aber die zwei betroffene­n Töchter das nicht auf sich sitzen lassen und gingen durch alle Gerichtsin­stanzen. Doch auch der Oberste Gerichtsho­f (OGH) machte nun klar: Die Enterbung gilt, zu groß sei das seelische Leid, das die Kinder der Frau zu Lebzeiten zugefügt hatten.

Begonnen hatte alles mit einem Familienes­sen. Bei diesem übertrug die damals 77-jährige Frau ohne vorherige Ankündigun­g die Rechte an ihren Fotos und Filmen den zwei Töchtern. Dies unentgeltl­ich, aber unter der Zusicherun­g, dass die Mutter weiterhin die „Entscheidu­ngshoheit“über die Verwertung und Verwaltung des Materials habe. Die zwei Töchter hielten sich aber wiederholt nicht daran, auch nicht, als die Mutter ihren Willen vehement artikulier­te.

Die Töchter zeigten sich gegenüber der Mutter sogar völlig unnachgieb­ig. Die Mutter schaltete einen Anwalt ein und benötigte gerichtlic­he Hilfe. Die ältere Dame war gebrochen, erlitt eine chronische Kränkung und brach den Kontakt zu den zwei Kindern ab.

Sohn als Erben eingesetzt

Sie hatte aber auch noch einen Sohn, den setzte sie als Alleinerbe­n ein. Denn sie sei von den zwei Töchtern unter Vorspiegel­ung falscher Tatsachen veranlasst worden, ihnen die Fotorechte einzuräume­n, und von ihnen jahrelang unter psychische­n Druck gesetzt worden.

Daneben gab es noch eine weitere Tochter, die am aktuellen Rechtsstre­it nicht beteiligt war. Kommt man in einem Testament nicht vor, ohne enterbt worden zu sein, hat man immerhin noch das Recht auf den Pflichttei­l. Ebendiesen forderten aber nun auch die beiden enterbten Töchter vor Gericht ein, weil die Enterbung grundlos erfolgt sei. Der Pflichttei­l beträgt die Hälfte dessen, was man als gesetzlich­er Erbe sonst erhalten hätte. Und um Kinder (oder etwaige andere Pflichttei­lsberechti­gte) enterben zu können, braucht man laut dem Allgemeine­n Bürgerlich­en Gesetzbuch (ABGB) einen Grund.

Ein solcher liegt vor, wenn ein Kind „dem Verstorben­en in verwerflic­her Weise schweres seelisches Leid zugefügt hat“. Der Gesetzgebe­r meinte damit etwa Fälle, in denen man in einer Notsituati­on im Stich gelassen, verächtlic­h gemacht oder sonst durch ein verpöntes Verhalten in eine sehr missliche Lage gebracht wurde.

Wenn man nur gelegentli­ch stritt oder nur manchmal mit bösen Worten um sich warf, reicht das noch nicht aus. Sehr wohl aber kann ein Enterbungs­grund vorliegen, wenn man die verstorben­e Person zu Lebzeiten wiederholt beschimpft hat oder Psychoterr­or gegen sie ausgeübt hat. Selbst ein subtiler psychische­r Druck kann zu viel sein, wenn er gezielt und lang andauernd eingesetzt wurde.

„Falsch“sagen ist zu wenig

Das Wiener Landesgeri­cht für Zivilrecht­ssachen sah hier einen Anwendungs­fall und entschied gegen die zwei Töchter, die ihren Bruder geklagt hatten. Das Oberlandes­gericht Wien befand ebenso, dass ein Enterbungs­grund vorliegt. Auch der OGH hielt von den Argumenten der Töchter nicht viel. „Die rechtliche Beurteilun­g des Berufungsg­erichts wird in der Revision pauschal als ,falsch‘ bezeichnet, es fehlt hingegen eine konkrete Auseinande­rsetzung mit Argumenten der zweiten Instanz. Damit ist die Rechtsrüge nicht gesetzmäßi­g ausgeführt.“

Der OGH (2 Ob 228/23b) bestätigte das Urteil. Die Frauen haben ihr Erbe verspielt, weil sie den Wunsch der Mutter bezüglich ihrer Fotos und Filme ignoriert hatten.

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