Bei Fotos nicht auf die Mutter gehört: enterbt
Kränkung. Eine Frau enterbte zwei Töchter, weil diese mit den Bildern und Filmen der Mutter anders umgingen als beim Familienessen ausgemacht. Der OGH bestätigt die Maßnahme, die Kinder hätten der Frau großes seelisches Leid zugefügt.
Wien. Sie fühlte sich um ihr künstlerisches Lebenswerk gebracht. Weil zwei ihrer Töchter mit den Tausenden Fotos und Filmen der Mutter anders umgingen als ausgemacht und sie unabgesprochen verwerteten, enterbte die Frau diese beiden Kinder. Nach dem Tod der Mutter wollten aber die zwei betroffenen Töchter das nicht auf sich sitzen lassen und gingen durch alle Gerichtsinstanzen. Doch auch der Oberste Gerichtshof (OGH) machte nun klar: Die Enterbung gilt, zu groß sei das seelische Leid, das die Kinder der Frau zu Lebzeiten zugefügt hatten.
Begonnen hatte alles mit einem Familienessen. Bei diesem übertrug die damals 77-jährige Frau ohne vorherige Ankündigung die Rechte an ihren Fotos und Filmen den zwei Töchtern. Dies unentgeltlich, aber unter der Zusicherung, dass die Mutter weiterhin die „Entscheidungshoheit“über die Verwertung und Verwaltung des Materials habe. Die zwei Töchter hielten sich aber wiederholt nicht daran, auch nicht, als die Mutter ihren Willen vehement artikulierte.
Die Töchter zeigten sich gegenüber der Mutter sogar völlig unnachgiebig. Die Mutter schaltete einen Anwalt ein und benötigte gerichtliche Hilfe. Die ältere Dame war gebrochen, erlitt eine chronische Kränkung und brach den Kontakt zu den zwei Kindern ab.
Sohn als Erben eingesetzt
Sie hatte aber auch noch einen Sohn, den setzte sie als Alleinerben ein. Denn sie sei von den zwei Töchtern unter Vorspiegelung falscher Tatsachen veranlasst worden, ihnen die Fotorechte einzuräumen, und von ihnen jahrelang unter psychischen Druck gesetzt worden.
Daneben gab es noch eine weitere Tochter, die am aktuellen Rechtsstreit nicht beteiligt war. Kommt man in einem Testament nicht vor, ohne enterbt worden zu sein, hat man immerhin noch das Recht auf den Pflichtteil. Ebendiesen forderten aber nun auch die beiden enterbten Töchter vor Gericht ein, weil die Enterbung grundlos erfolgt sei. Der Pflichtteil beträgt die Hälfte dessen, was man als gesetzlicher Erbe sonst erhalten hätte. Und um Kinder (oder etwaige andere Pflichtteilsberechtigte) enterben zu können, braucht man laut dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB) einen Grund.
Ein solcher liegt vor, wenn ein Kind „dem Verstorbenen in verwerflicher Weise schweres seelisches Leid zugefügt hat“. Der Gesetzgeber meinte damit etwa Fälle, in denen man in einer Notsituation im Stich gelassen, verächtlich gemacht oder sonst durch ein verpöntes Verhalten in eine sehr missliche Lage gebracht wurde.
Wenn man nur gelegentlich stritt oder nur manchmal mit bösen Worten um sich warf, reicht das noch nicht aus. Sehr wohl aber kann ein Enterbungsgrund vorliegen, wenn man die verstorbene Person zu Lebzeiten wiederholt beschimpft hat oder Psychoterror gegen sie ausgeübt hat. Selbst ein subtiler psychischer Druck kann zu viel sein, wenn er gezielt und lang andauernd eingesetzt wurde.
„Falsch“sagen ist zu wenig
Das Wiener Landesgericht für Zivilrechtssachen sah hier einen Anwendungsfall und entschied gegen die zwei Töchter, die ihren Bruder geklagt hatten. Das Oberlandesgericht Wien befand ebenso, dass ein Enterbungsgrund vorliegt. Auch der OGH hielt von den Argumenten der Töchter nicht viel. „Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts wird in der Revision pauschal als ,falsch‘ bezeichnet, es fehlt hingegen eine konkrete Auseinandersetzung mit Argumenten der zweiten Instanz. Damit ist die Rechtsrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt.“
Der OGH (2 Ob 228/23b) bestätigte das Urteil. Die Frauen haben ihr Erbe verspielt, weil sie den Wunsch der Mutter bezüglich ihrer Fotos und Filme ignoriert hatten.