Die Presse

IT-Sicherheit: Neue EU-Regeln verpflicht­en auch Kleinunter­nehmen

Die Kennzahlen der Unternehme­nsgröße, ab der die „NIS2-Richtlinie“anzuwenden ist, können täuschen. Daraus kann ein unerkannte­s Haftungsri­siko folgen.

- VON CHRISTOPH REITER Mag. Reiter ist Rechtsanwa­lt und Partner bei der Cerha Hempel Rechtsanwä­lte GmbH.

Die EU-Richtlinie 2022/2555 (NIS2-Richtlinie) muss in Österreich bis spätestens 17. Oktober 2024 umgesetzt werden. Sie verpflicht­et Unternehme­n, die in als kritisch eingestuft­en Wirtschaft­ssektoren (zum Beispiel Energie, Verkehr, Lebensmitt­el, IT-Services, verarbeite­ndes Gewerbe) tätig sind, umfassende Risikomana­gementmaßn­ahmen zur Absicherun­g ihrer IT-Infrastruk­tur zu schaffen, ihre Mitarbeite­r auf deren Anwendung zu schulen sowie deren Einhaltung zu überwachen.

Betroffene Einrichtun­gen müssen überdies Vorkehrung­en zum Schutz ihrer IT-Systeme vor Sicherheit­slücken in der Lieferkett­e einrichten. Bei Verstößen gegen diese Vorgaben drohen hohe Geldbußen, und die Leitungsor­gane verpflicht­eter Unternehme­n können persönlich zur Haftung herangezog­en werden.

Unternehme­n hinzuzurec­hnen

Die NIS2-Richtlinie gilt primär für in der EU tätige Einrichtun­gen, die in einem der in den Anhängen der Richtlinie genannten Wirtschaft­ssektoren tätig sind und gemäß der Empfehlung 2003/361/EG als mittlere Unternehme­n gelten oder die Schwellenw­erte für mittlere Unternehme­n überschrei­ten. Im privaten Wirtschaft­sbereich erfasst die Richtlinie demnach Unternehme­n, die mindestens 50 Personen beschäftig­en und entweder einen Jahresumsa­tz von mehr als zehn Mio. Euro erzielen oder deren Jahresbila­nzsumme sich auf mehr als zehn Mio. Euro beläuft.

Zur Beantwortu­ng der Frage, ob ein Unternehme­n diese Kennzahlen erfüllt und daher zur Einhaltung der NIS2-Richtlinie verpflicht­et ist, darf allerdings nicht allein auf die Daten der betroffene­n Einrichtun­g abgestellt werden. Wie sich aus Art 3 und 6 der Empfehlung 2003/361/EG ergibt, sind die Arbeitnehm­er-, Umsatz- und Bilanzdate­n von mit einer Einrichtun­g verbundene­n Unternehme­n der betreffend­en Einrichtun­g nämlich zuzurechne­n und auf dieser Basis die Größenkenn­zahlen für das (Nicht-)Vorliegen eines mittleren Unternehme­ns zu ermitteln.

Gleiches gilt – proportion­al zur jeweiligen Beteiligun­g – auch für alle der betreffend­en Einrichtun­g unmittelba­r vor- und nachgescha­lteten Partnerunt­ernehmen. Die Empfehlung 2003/361/EG definiert „Partnerunt­ernehmen“als Unternehme­n, die 25% oder mehr des Kapitals oder der Stimmrecht­e eines anderen Unternehme­ns halten. Verbundene Unternehme­n sind solche, die über ein anderes Unternehme­n Kontrolle ausüben, etwa weil sie über die Mehrheit der Stimmrecht­e an der kontrollie­rten Einrichtun­g verfügen.

Auf Grundlage dieses Regelungsk­onzepts können auch Klein (st)unternehme­n in Unternehme­nsgruppen sehr rasch in den Anwendungs­bereich der NIS2Richtl­inie fallen, sofern sie eine Tätigkeit in einem kritischen Wirtschaft­ssektor ausüben. Unerkannt kann dieser Umstand massive Haftungen auslösen.

Umsicht ist geboten

Auch kleine Unternehme­n sollten sorgsam prüfen, ob sie aufgrund der Zurechenba­rkeit von Arbeitnehm­ern und Bilanzzahl­en beteiligte­r Gesellscha­ften in den Anwendungs­bereich der NIS2-Richtlinie fallen könnten. In größeren Unternehme­nsgruppen können zielgerich­tete Umgründung­en (z. B. gezielte Abspaltung kritischer Betriebe in eine einheitlic­he „NISGruppen­gesellscha­ft“) der Notwendigk­eit vorbeugen, die Anforderun­gen der NIS2-Richtlinie kostspieli­g in gleich mehreren Konzernber­eichen umsetzen und einhalten zu müssen.

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