Die veraltete rot-weiß-rote Skination
Die Sieger des Wochenendes gehörten wieder zur Ü-30-Fraktion. Vor allem in der Königsdisziplin besteht Handlungsbedarf.
Die Österreicher gewinnen sehr wohl noch Skirennen, neun sind es geschlechterübergreifend in diesem Winter, nicht sonderlich viel angesichts von bisher 58 Weltcuprennen, aber allein dieses Wochenende war die Ausbeute mit vier Podestplätzen in fünf Speedrennen, darunter zwei Siege am Sonntag, beinah standesgemäß. Nur: Österreichs Weltcupsieger werden älter, Crans-Montana-Champion Stephanie Venier ist 30 Jahre alt, Kvitfjell-Gewinner Vincent Kriechmayr 32.
Weil dieser Befund nicht nur in Abfahrt und Super-G zutrifft, wo Erfahrung bekanntlich Trumpf ist, sondern längst auch in den Technikbewerben, schrillen die Alarmglocken im Österreichischen Skiverband. Es fehlt der Nachschub, die jüngste in den ÖSV-Kadern aktive Siegerin eines Weltcuprennens ist Katharina Liensberger mit ihren bald 27 Jahren – und die Vorarlbergerin ist von der Siegerstraße schon vor längerer Zeit abgebogen.
Natürlich, es gibt die Spätzünder, die erst im Laufe der Jahre zu Siegern reifen. Der Franzose Nils Allegre gewann unlängst als 30-Jähriger sein erstes Weltcuprennen, in der Schweiz zählt es sogar zur Verbandsstrategie, weniger erfolgreiche Läufer möglichst lang zu hegen und zu pflegen, auch Österreich schrieb mit Johannes Strolz vor zwei Jahren ein Comeback-Märchen. Doch dieser Athletentypus bleibt die Ausnahme. Die Stars der Szene haben schon in jungen Jahren ganz oben auf dem Stockerl gestanden: Marco Odermatt war 22 bei seinem ersten Weltcupsieg, Lara Gut-Behrami und Mikaela Shiffrin überhaupt erst 17, Petra Vlhová und Lucas Braathen waren 20, Atle Lie McGrath und Clément Noël 21, Henrik Kristoffersen 19. Zuletzt feierte mit Alexander Steen Olsen ein weiterer Norweger mit nur 21 Jahren seinen ersten Weltcupsieg. Marcel Hirscher raste übrigens als 20-Jähriger zur Siegpremiere. Und selbst der 29-jährige Cyprien Sarrazin, mit seinem Doppelsieg in Kitzbühel der Shootingstar des Winters, hat schon vor vielen Jahren erstmals aufgezeigt, als er mit 22 einen Parallel-Riesentorlauf gewann. Weil auch die erfolgreichsten Abfahrer der vergangenen Jahre bei ihrem Debütsieg in der Königsdisziplin nicht viel älter waren, Aleksander Aamodt Kilde und Dominik Paris waren 23, Sofia Goggia und Beat Feuz 24, besteht akuter Handlungsbedarf im ÖSV. „Wir haben eine veraltete Abfahrtsmannschaft“, analysierte Herrencheftrainer Marko Pfeifer in Kvitfjell, wo am Samstag zwar Vincent Kriechmayr (2.) das erste Abfahrtspodest der Saison für Österreichs Herren einfuhr, sich aber nur zwei weitere Teamkollegen in den Top 30 klassierten. Zum Vergleich: Bei den Schweizern waren es acht Läufer, beim US-Team sechs und bei den Italienern fünf. Pfeifer machte deutlich, dass es in der nächsten Saison mit der HeimWM in Saalbach-Hinterglemm nicht so weitergehen könne. „Wir müssen wirklich Gas geben, dass wir da nicht ins Hintertreffen rücken, und den Anschluss finden.“
Klare Worte also, die sich in erster Linie aber an die Routiniers im Speedteam richten. Denn in Abwesenheit der aktuell verletzten Marco Schwarz oder Daniel Hemetsberger, beide allerdings ebenfalls noch ohne Weltcupsieg in einem Speedrennen, gelang es niemanden in die Bresche zu springen. Sehr zum Ärger von Cheftrainer Pfeifer. „Bei den Arrivierten schaut es einmal so aus, als würde die Reise nach hinten gehen. Da muss man dann schon ernster werden, auch wenn wir nicht viele da haben. Da werde ich mir was überlegen, weil es kann nicht sein, dass man jenseits der 30 fährt.“Gut möglich also, dass das Betreuerteam bald neu aufgestellt wird – und die Tage des langjährigen Abfahrtschefs Sepp Brunner, 65, nach diesem Winter gezählt sind.
Neues Speedkernteam
Doch Pfeifer steht auch vor einem Dilemma. Schließlich sind es die Arrivierten wie Otmar Striedinger oder Daniel Danklmaier, die dieses Speedteam einigermaßen am Leben erhalten müssen, solang niemand aus der jüngeren Garde den Durchbruch schafft. Grundsätzlich gäbe es in der Gruppe der Mittzwanziger genug Athleten, die mittelfristig den Kern einer neu aufgestellten Speedmannschaft bilden könnten. Stefan Babinsky, 27, Raphael Haaser, 26, Andreas Ploier, 26, wären Hoffnungsträger, noch fehlen ihnen aber Abfahrtskilometer. „Ich rechne, dass die schon im Weltcup um die Plätze mitfahren, weil sonst ist es eh düster“, sagt Pfeifer. „Wir müssen schauen, dass wir da wieder etwas aufbauen.“