Modedesigner zum Anfassen
Eine Handvoll Serien widmet sich derzeit den Namen hinter großen Modehäusern. Karrieren werden folgenweise nachgezeichnet, mit einer Portion Drama.
Alles schon einmal dagewesen, heißt es in der Mode oft. Und kommen wird es wieder. So will es die zyklische Natur der Branche, in der immer neue Designer der immer gleichen Brands die Archive nach Ideen ihrer Vorgänger durchforsten. Im Hause Balenciaga zitiert Chefdesigner Demna Gvasalia neben obskuren Entwürfen (das Chipssackerl als Tasche, das Handtuch als Rock) in recht regelmäßiger Manier Modelle des Gründers selbst. Modezar Karl Lagerfeld nahm seit seinem Einstieg bei Chanel 1983 mehrfach auf Coco Chanels Arbeit Bezug, und auch ihm zollte man nach seinem Ableben per Mode schon Tribut.
Wenn eine Serie den Werdegang eines großen Schöpfers abgrast, erklärt das also ein Stück weit die Mode von heute, hat somit durchaus aktuelle Relevanz. Hinzu kommt, dass eben jene Charaktere obendrein vielschichtig sind, ihr Talent beachtlich, das taugt fürs gute Drama. Und davon gibt es 2024 gleich drei: Mit einem unvollständigen Biopic von Cristóbal Balenciaga (fulminant dargestellt von Alberto San Juan) machte der Streamingdienst Disney+ den Anfang, im Februar folgte auf AppleTV+ die Serie „The New Look“über Christian Dior (Ben Mendelsohn erntete divergente Kritiken) inmitten des Zweiten Weltkriegs – wobei Coco Chanel, gespielt von Juliette Binoche, darin mindestens so viel Platz eingeräumt wird wie ihm. Auch noch heuer erscheinen soll die Serie „Kaiser Karl“, wiederum auf Disney+. Sie wird sich Karl Lagerfelds Aufstieg in der Pariser Modewelt der 1970er-Jahre widmen. Die Titelrolle übernimmt Daniel Brühl.
Ausgeschmückte Wahrheiten
Die beiden jüngst erschienenen Serien bemühen sich um ein recht umfassendes Bild der Modemacher, persönliche Eskapaden und berufliches Handeln werden in historischen Kontext gesetzt, ebenso wie das Schaffen selbst. „Cristóbal Balenciaga“zeigt die Verwicklungen des gleichnamigen Designers mit den Eliten des Franco-Regimes recht eindeutig, „The New Look“gewährt Einblicke in Chanels Affäre mit einem hochrangigen Nazi. Man möchte vermitteln, dass Mode nicht von Sozialem und Politischem getrennt werden kann – wobei in „The New Look“ein genauerer Blick auf das Vichy-Regime und die Deportation von Abertausenden Juden in Todeslager verabsäumt wird. Es geht eben nicht nur um historische Tiefe. Das Publikum ist sensationslustig.
Die Darstellung von Balenciagas heimlicher Liebelei mit seinem Geschäftspartner oder die Szene, in der Chanel Dior vor versammelter Presse in die Pfanne haut, dürften eher das Verlangen nach Klatsch stillen als jenes nach geschichtlicher Einordnung. Zumal etwa über Balenciaga recht wenig Privates bekannt ist. Er war ein medienscheuer Mann, gab in seinem Leben nur zwei Interviews, beide nach Beendigung seiner Karriere. Sein Name wird zwar heute noch getragen (gerade um Balenciaga gab es in den letzten Jahren einen Hype), wer er war, weiß aber niemand so recht. In gewissem Maße geht es also auch um mystische Figuren, die man durch Fiktion zu fassen versucht. Das kennt man schon von royalen Serien, die ebenfalls zuletzt ein Hoch verzeichnen konnten, mit „The Crown“als prominentestem Vertreter. Sie bieten Einblicke in eine bisher verborgene Welt, wenn auch nur an der Wahrheit angelehnt („inspiriert von wahren Begebenheiten“, heißt das so schön).
Damit steht das noble Modefernsehen von heute fast im diametralen Gegensatz zum nackten Reality-Format, womit lang versucht wurde, dem Laien die Branche ein Stück weit näher zu bringen. „Ich habe heute leider kein Foto für dich“, jener Satz, mit dem sich Heidi Klum seit mittlerweile 18 Jahren von ihren Models bei „Germany’s Next Topmodel“verabschiedet, hat sich zwar transgenerational ins kollektive Gedächtnis von Modehungrigen eingebrannt, über die Jahre verlor er aber maßgeblich an Bedeutung. Nicht nur, weil die Gewinnerinnen eigentlich seit Staffel drei schon keine Laufstege mehr erobern (stattdessen moderieren sie im deutschen TV oder verdienen als Influencerinnen ihr Geld). Sondern auch, weil kaum einer noch zuhört, schon gar nicht die Modehungrigen. Selbst US-amerikanische Formate kamen – sieht man von einem Zwischenhoch während der Pandemie ab – ins Straucheln.
Ein schmaler Grat
Doch sind aufwendig produzierte Prestigedramen nicht gefeit davor, ins verschmähte Terrain der Oberflächlichkeiten abzurutschen, siehe „The Crown“. Zunächst als historisches Drama verehrt, wurden die Kritiken über die Staffeln zunehmend mau. Wohl, weil die Handlung der Gegenwart immer näher kam: Eine junge Diana liefert nicht die gleiche Projektionsfläche wie eine junge Elisabeth II., da das Publikum sie zu Lebzeiten kannte und damit eine feste Vorstellung der Person hat. Weiß man wenig über die Figur, kann die harscheste Kritik nur sein, dass sich Schauspieler und Gemimter zu wenig ähnlich sehen. Dem Drehbuchautor lässt das weitgehend freie Hand. Umgekehrt aber wehe ihm, wenn jemand Altvertrautes nicht zur Zufriedenheit der Masse dargestellt wird.
Die Serie über Lagerfeld ist demnach ein Wagnis. Den Modeaffinen ist er hinlänglich bekannt, er starb ja erst 2019 (Balenciaga 1972, Dior 1957). Da hilft es, sich den Unterschied zwischen Drama und Doku in Erinnerung zu rufen. Die falschen Modeschöpfer und Royals dieser Welt dienen letztlich eben doch der Unterhaltung.