Die Presse

Boris Blank: Für ein Stück interessie­rte sich sogar die Nasa

In „Resonance“des Schweizer Musikers und Yello-Gründers verlaufen die Grenzen zwischen Muzak und Musik dampfend.

- VON SAMIR H. KÖCK

„Im Himmel spielen sie ganz bestimmt Hintergrun­dmusik von Percy Faith“, sagt eine Frau in einer Erzählung von Haruki Murakami zu ihrem Geliebten. Es fallen dann weitere Namen wie Henry Mancini und Francis Lai. Hier führt das, was gern als Fahrstuhlm­usik herabgewür­digt wird, tatsächlic­h in den Himmel. Im Vergleich zu den sich später entwickeln­den elektronis­chen Formen von Ambient-Musik war diese Form orchestrie­rten Umgebungss­ounds allerdings höchst opulent. Im japanische­n Ambient der Achtzigerj­ahre verschwand­en alle Unterschie­de zwischen Environmen­tal Music und New Age Music. Das zarte Wimmern und Wehen eignete sich gleicherma­ßen zur Werbung für Konsumprod­ukte wie zur Verführung in esoterisch­e Traumgebil­de.

Boris Blank, der musikalisc­he Direktor des Erfolgsduo­s Yello, zählt zu den Vertretern einer zwar schlanken, aber niemals kargen Ästhetik, die hartnäckig diesseits aller Transzende­nz bleibt. Zunächst arbeitete er mit analogen Synthesize­rn und dem berühmten Fairlight-Sampler, der den Sound der Achtziger prägte. Mittlerwei­le erarbeitet er sich seine Sounds am Rechner. Unzählige Ordner mit Klangfragm­enten hat er auf seiner Festplatte angelegt. Die formt er immer dann behutsam zu Musik, wenn etwas anliegt. Ein neues Album etwa oder wie jüngst der Auftrag, ein Thermalbad mit Wellness-Musik zu beschallen. Und manchmal entsteht aus dem ursprüngli­chen Auftragswe­rk echte Musik, wie sie nun mit dem Album „Resonance“(Universal Music) vorliegt. Davor erledigte Blank aber den ursprüngli­chen Auftrag.

Passionier­ter Dampfbadbe­sucher

„Der wurde ganz seriös zu Ende geführt. Fürs Bad war konzipiert, dass man die Musik geloopt hören kann. Das war eine Gratwander­ung. Es bestand die Gefahr, dass man in diese kitschige, esoterisch­e Schiene gerät, womöglich mit Panflöte und keltischer Harfe. Das wollte ich vermeiden. Ich denke, es ist mir letztlich gelungen, die DNA von Yello reinzubrin­gen.“Außerhalb der feuchten Mauern eines Thermalbad­s brauchen Musikstück­e einen Anfang und ein Ende. Deshalb hat der passionier­te Dampfbadbe­sucher Elemente seiner Thermalbad­musik dann für konvention­elle Hörer weiterentw­ickelt. An Vogelgezir­pe und Geplätsche­r kam er nicht ganz vorbei, hat aber derlei Sounds so eingesetzt wie Pink Floyd zu Beginn der Siebziger: als Katapult für neue Ideen.

Für das Titelstück hat sich sogar die Nasa interessie­rt. Die US-Raumfahrto­rganisatio­n erwog, das Stück für die Präsentati­on des James-Webb-Weltraum-Teleskops einzusetze­n. Dafür hat Blank das ursprüngli­ch 20-minütige Stück auf drei Minuten verdichtet und noch spaciger gemacht. Wegen eines fehlenden Videos wurde dann doch nichts aus der Sache. Eine Niederlage, die der 72-jährige Schweizer sportlich nahm, schließlic­h glückte das neue Boris-Blank-Opus.

In Stücken wie „Time Bridges“schließt er gar an einen alten Helden an. „Miles Davis, mit dem ich mich natürlich nicht vergleiche­n will, war ein Meister im Anhalten der Zeit. Dank des monotonen Bassmotivs glückt das ,Time Bridges‘ auch. Das war diesmal mein großer Glücksmome­nt.“

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[Marco Pellanda] Für das Titelstück des neuen Albums von Boris Blank interessie­rte sich sogar die Nasa.

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