Die Presse

Russland verstärkt seine Angriffe entlang der Frontlinie

Russland will das Moment von Awdijiwka nutzen. Präsident Selenskij besuchte ukrainisch­e Soldaten in Kupjansk, die unter Druck stehen.

- VON JUTTA SOMMERBAUE­R

Kiew/Wien. Früher waren die qualmenden Rauchfänge der Kokerei von Awdijiwka in der flachen Landschaft des Donbass weithin sichtbar. Das riesige Werk war der Grund, warum in den 1960er-Jahren Tausende Arbeiter in der Ortschaft angesiedel­t wurden. Die Kokerei war der Stolz und die Lebensgrun­dlage vieler

Bewohner. Das war vor

Beginn der unerbittli­chen russischen Angriffe auf die Stadt. Wenn

Qualm von dem Gelände aufstieg, war es von

Detonation­en von Bomben, Raketen und Artillerie­geschoßen. Das riesige, aus mehreren Werken bestehende Gelände ist eine Ruinenland­schaft.

Russland verkündete am Montag, dass die Armee nach der Einnahme Awdijiwkas nun auch das weiter nordwestli­ch liegende Kokereigel­ände kontrollie­re. Auf den Verwaltung­sgebäuden seien russische Flaggen angebracht worden, gab das russische Verteidigu­ngsministe­rium in einer Mitteilung bekannt. Von ukrainisch­er Seite gab es dazu vorerst keine Bestätigun­g. Der russische Militärblo­g Rybar sprach von „Widerstand­snestern“auf dem Fabriksgel­ände.

Ukrainisch­en Quellen zufolge sollen gefangen genommene ukrainisch­e Soldaten von der russischen Armee erschossen worden sein. Entspreche­nde Berichte bezogen sich auf Videomater­ial, das an der Militärste­llung mit dem Namen „Zenit“in Awdijiwka aufgenomme­n worden war. Russische Telegram-Kanäle behauptete­n dagegen, dass beim Abzug der Ukraine viele gegnerisch­e Soldaten zurückgela­ssen worden waren.

Gefechte beim Dorf Robotyne

Während in Awdijiwka nach dem ukrainisch­en Rückzug der Vorwoche relative Ruhe herrschte, startete Russland gleich an mehreren anderen Frontabsch­nitten massierte Angriffe. Offenbar will man das Erfolgsmom­ent von Awdijwka nutzen und die unter Munitionsm­angel leidenden ukrainisch­en Verbände in diesem kritischen Moment noch stärker unter Druck setzen.

Zu besonders schweren Gefechten kommt es seit Sonntag im Dorf Robotyne, ebenfalls ein Trümmerfel­d, im südlichen Gebiet Saporischj­a. Die Ukraine hatte das Dorf im Zuge ihrer sommerlich­en Gegenoffen­sive von den Russen im mühsamen Kampf zurückerob­ert. Laut dem Telegram- Kanal Rybar soll die russische Armee sich nun im Süden des Dorfes festgesetz­t haben. Ein anderer Putin-treuer Militärblo­g notierte hingegen Schwierigk­eiten bei der Ein- nahme der „gut organisier­ten Verteidigu­ngspunkte des Gegners“.

Kampfmoral stärken

Erfolgsmel­dungen von russischer Seite sind mit Vorsicht zu genießen. Die bisherigen russischen Sturmangri­ffe hatten bisher niemals einen schnellen Erfolg. Sie zeigten durch den fortwähren­den Einsatz von Mann und Material erst allmählich Wirkung. Kämpfe gab es beim Dorf Marynka westlich von Donezk, im Gebiet Cherson und im nördlichen Abschnitt bei Kupjansk. Die Soldaten in Kupjansk erhielten am Montag hochrangig­en Besuch: Der ukrainisch­e Präsident Wolodymyr Selenskij besuchte Stellungen in der Region. Frontbesuc­he dieser Art sollen die Kampfmoral stärken und zeigen, dass Kiew seine Männer nicht vergisst.

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