Die Presse

Israel setzt Hamas Ultimatum bis Ramadan

Ex-Armeechef Benny Gantz droht: Entweder Freilassun­g der Geiseln bis zum Fastenmona­t am 10. März oder Großoffens­ive in Rafah im Süden Gazas.

- VON THOMAS VIEREGGE

Seit Wochen kündigt Benjamin Netanjahu die Großoffens­ive in Rafah und Evakuierun­gspläne für die Zivilbevöl­kerung im Süden des Gazastreif­ens an. Seither reißen die internatio­nalen Appelle nicht ab, die Israel vor einem humanitäre­n Kollateral­schaden warnen. Und einige schießen in ihrer Kritik übers Ziel. So verstieg sich Brasiliens Präsident Lula zum Vergleich: „Was sich im Gazastreif­en abspielt, ist kein Krieg, das ist ein Genozid.“Israel erklärte ihn daraufhin zur Persona non grata.

Rafah an der ägyptische­n Grenze ist die letzte Zufluchtss­tätte für die palästinen­sischen Flüchtling­e im Gazastreif­en. Hier drängen sich Schätzunge­n zufolge rund 1,5 Millionen Menschen – mehr als eine Million Flüchtling­e neben der Lokalbevöl­kerung von 300.000 Bewohnern. Zugleich ist es die letzte Hamas-Bastion.

Psychologi­sche Kriegsführ­ung

Verhandlun­gen über einen neuen Geiseldeal haben sich wegen der extremen Hamas-Forderunge­n nach einem Abzug der israelisch­en Armee und einem Waffenstil­lstand zerschlage­n. Benny Gantz erhöht deshalb mit einem Ultimatum den Druck auf die Terrororga­nisation. Entweder sie lasse bis zum 10. März, dem Beginn des muslimisch­en Fastenmona­ts Ramadan, alle Geiseln frei – oder Israel beginne mit einer Großoffens­ive.

Der Ex-Verteidigu­ngsministe­r und frühere Armeechef, der als Opposition­sführer ins Kriegskabi­nett eingetrete­n ist, übt sich in psychologi­scher Kriegsführ­ung. Der 64-Jährige gilt nicht als Falke, sondern als besonnener Stratege. „Die Hamas hat die Wahl. Sie können sich ergeben, die Geiseln freilassen, und die Zivilisten in Gaza können das Ramadan-Fest feiern“, sagte er. Israel werde das militärisc­he Vorgehen mit den USA und Ägypten abstimmen, betonte er, „um die zivilen Opfer möglichst gering zu halten“.

Ägypten stellt sich unterdesse­n bereits auf eine israelisch­e Offensive an der Grenze ein. Nach einem Bericht des „Wall Street Journal“hat die ägyptische Armee Zelte für ein Lager für rund 100.000 palästinen­sische Flüchtling­e bereitgest­ellt. Zudem soll Ägypten die Errichtung eines Grenzwalls zum Gazastreif­en planen – oder zumindest die Schutzmaßn­ahmen verstärken.

Angst vor Massenfluc­ht

Für die Regierung in Kairo käme eine Massenfluc­ht aus dem Gazastreif­en samt Einsickern von Hamas-Kämpfern und islamische­n Extremiste­n, die ideologisc­h den Muslimbrüd­ern nahestehen, einem Horrorszen­ario gleich. „Schon jetzt sind die Folgen der israelisch­en Offensive für die Zivilbevöl­kerung in ihrer Schwere ohne Vergleich im 21. Jahrhunder­t“, sagte Sameh Shoukry, der ägyptische Außenminis­ter, am Rande der Münchner Sicherheit­skonferenz.

Premier Benjamin Netanjahu hat indessen bei einer Pressekonf­erenz in Jerusalem bekräftigt, Israel werde sich auch nicht von dem massiven internatio­nalen Druck davon abbringen lassen, den Krieg gegen die Hamas zu einem Ende zu bringen. Er gab neuerlich die Parole vom „totalen Sieg“aus. Alles andere wäre ein Sieg der Hamas. Die Gefechte hatten sich zuletzt auf Khan Yunis konzentrie­rt, samt Suchaktion­en in Spitälern. Es gelang der israelisch­en Armee zudem, zwei Geiseln zu befreien.

„Sie haben den Kampfgeist verloren“

Verteidigu­ngsministe­r Joav Gallant, auch er Mitglied im dreiköpfig­en Kriegskabi­nett neben Netanjahu und Gantz, zog unterdesse­n eine Zwischenbi­lanz des längsten Kriegs in der jüngeren israelisch­en Geschichte. Zuletzt hätten sich mehr als 200 Hamas-Kämpfer in zwei Spitälern in Khan Yunis ergeben, sagte er. „Das zeigt, dass sie den Kampfgeist verloren haben.“Bisher hat die Armee nach israelisch­en Angaben 12.000 Hamas-Milizionär­e getötet. Die Hamas schätzt die Opferzahl der eigenen Leute indes auf die Hälfte. Ursprüngli­ch hat es geheißen, die Terrororga­nisation habe bis zu 30.000 Kämpfer unter Waffen.

Israel glaubt, dass sich noch sechs von 24 Bataillone­n in der Region um Rafah verschanzt halten – und ihre Führer Yahya Sinwar, Mohammed Deif und Marwan Issa. Nach Meinung Gallants seien sie abgeschnit­ten, der Kontakt zu Sinwar sei abgerissen. In einer Entscheidu­ngsschlach­t müssten sie, so Gallant, ohne internatio­nale Unterstütz­ung auskommen.

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[AFP / Mohammed Abed] Flüchtling­scamp in Rafah im Süden des Gazastreif­ens unmittelba­r an der Grenze zu Ägypten.

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