Israel setzt Hamas Ultimatum bis Ramadan
Ex-Armeechef Benny Gantz droht: Entweder Freilassung der Geiseln bis zum Fastenmonat am 10. März oder Großoffensive in Rafah im Süden Gazas.
Seit Wochen kündigt Benjamin Netanjahu die Großoffensive in Rafah und Evakuierungspläne für die Zivilbevölkerung im Süden des Gazastreifens an. Seither reißen die internationalen Appelle nicht ab, die Israel vor einem humanitären Kollateralschaden warnen. Und einige schießen in ihrer Kritik übers Ziel. So verstieg sich Brasiliens Präsident Lula zum Vergleich: „Was sich im Gazastreifen abspielt, ist kein Krieg, das ist ein Genozid.“Israel erklärte ihn daraufhin zur Persona non grata.
Rafah an der ägyptischen Grenze ist die letzte Zufluchtsstätte für die palästinensischen Flüchtlinge im Gazastreifen. Hier drängen sich Schätzungen zufolge rund 1,5 Millionen Menschen – mehr als eine Million Flüchtlinge neben der Lokalbevölkerung von 300.000 Bewohnern. Zugleich ist es die letzte Hamas-Bastion.
Psychologische Kriegsführung
Verhandlungen über einen neuen Geiseldeal haben sich wegen der extremen Hamas-Forderungen nach einem Abzug der israelischen Armee und einem Waffenstillstand zerschlagen. Benny Gantz erhöht deshalb mit einem Ultimatum den Druck auf die Terrororganisation. Entweder sie lasse bis zum 10. März, dem Beginn des muslimischen Fastenmonats Ramadan, alle Geiseln frei – oder Israel beginne mit einer Großoffensive.
Der Ex-Verteidigungsminister und frühere Armeechef, der als Oppositionsführer ins Kriegskabinett eingetreten ist, übt sich in psychologischer Kriegsführung. Der 64-Jährige gilt nicht als Falke, sondern als besonnener Stratege. „Die Hamas hat die Wahl. Sie können sich ergeben, die Geiseln freilassen, und die Zivilisten in Gaza können das Ramadan-Fest feiern“, sagte er. Israel werde das militärische Vorgehen mit den USA und Ägypten abstimmen, betonte er, „um die zivilen Opfer möglichst gering zu halten“.
Ägypten stellt sich unterdessen bereits auf eine israelische Offensive an der Grenze ein. Nach einem Bericht des „Wall Street Journal“hat die ägyptische Armee Zelte für ein Lager für rund 100.000 palästinensische Flüchtlinge bereitgestellt. Zudem soll Ägypten die Errichtung eines Grenzwalls zum Gazastreifen planen – oder zumindest die Schutzmaßnahmen verstärken.
Angst vor Massenflucht
Für die Regierung in Kairo käme eine Massenflucht aus dem Gazastreifen samt Einsickern von Hamas-Kämpfern und islamischen Extremisten, die ideologisch den Muslimbrüdern nahestehen, einem Horrorszenario gleich. „Schon jetzt sind die Folgen der israelischen Offensive für die Zivilbevölkerung in ihrer Schwere ohne Vergleich im 21. Jahrhundert“, sagte Sameh Shoukry, der ägyptische Außenminister, am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz.
Premier Benjamin Netanjahu hat indessen bei einer Pressekonferenz in Jerusalem bekräftigt, Israel werde sich auch nicht von dem massiven internationalen Druck davon abbringen lassen, den Krieg gegen die Hamas zu einem Ende zu bringen. Er gab neuerlich die Parole vom „totalen Sieg“aus. Alles andere wäre ein Sieg der Hamas. Die Gefechte hatten sich zuletzt auf Khan Yunis konzentriert, samt Suchaktionen in Spitälern. Es gelang der israelischen Armee zudem, zwei Geiseln zu befreien.
„Sie haben den Kampfgeist verloren“
Verteidigungsminister Joav Gallant, auch er Mitglied im dreiköpfigen Kriegskabinett neben Netanjahu und Gantz, zog unterdessen eine Zwischenbilanz des längsten Kriegs in der jüngeren israelischen Geschichte. Zuletzt hätten sich mehr als 200 Hamas-Kämpfer in zwei Spitälern in Khan Yunis ergeben, sagte er. „Das zeigt, dass sie den Kampfgeist verloren haben.“Bisher hat die Armee nach israelischen Angaben 12.000 Hamas-Milizionäre getötet. Die Hamas schätzt die Opferzahl der eigenen Leute indes auf die Hälfte. Ursprünglich hat es geheißen, die Terrororganisation habe bis zu 30.000 Kämpfer unter Waffen.
Israel glaubt, dass sich noch sechs von 24 Bataillonen in der Region um Rafah verschanzt halten – und ihre Führer Yahya Sinwar, Mohammed Deif und Marwan Issa. Nach Meinung Gallants seien sie abgeschnitten, der Kontakt zu Sinwar sei abgerissen. In einer Entscheidungsschlacht müssten sie, so Gallant, ohne internationale Unterstützung auskommen.