Die Presse

Welle der Repression in Venezuela

Machthaber Maduro lässt eine Anwältin verhaften und wirft das Menschenre­chtsbüro der UNO hinaus.

- Von unserem Korrespond­enten ANDREAS FINK

Buenos Aires/Caracas. Venezuelas Regime verschärft den Kampf gegen die Opposition. Und dabei lässt es sich auch von internatio­nalen Ermahnunge­n nicht beeindruck­en. Die Regierung ordnete die Schließung des Büros des UN-Hochkommis­sars für Menschenre­chte in Caracas an. Damit reagiert das Regime von Nicolás Maduro auf die Kritik der UN-Organisati­on nach der Verhaftung der Anwältin Rocío San Miguel, die als Präsidenti­n der NGO Control Ciudadano seit zwei Jahrzehnte­n die Aktivitäte­n von Militärs und Sicherheit­sbehörden in dem Karibiklan­d dokumentie­rt.

UNO als „Büro für Putschiste­n“

Die Beamten des Technische­n Beratungsb­üros des Hochkommis­sars sollten „ihr kolonialis­tisches und missbräuch­liches Benehmen, das gegen die Charta der Vereinten Nationen verstößt, öffentlich vor der internatio­nalen Gemeinscha­ft korrigiere­n“, sagte Venezuelas Außenminis­ter, Yván Gil. Das UN-Büro sei „zu einem privaten Büro der Putschiste­n und terroristi­schen Gruppen geworden, die permanent gegen das Land intrigiere­n“.

Rocío del Carmen San Miguel war am Freitag der Vorwoche am Check-in des Hauptstadt­flughafens festgehalt­en worden. Die 57-jährige venezolani­sch-spanische Juristin mit Spezialisi­erung auf internatio­nales Recht und Politik ist Präsidenti­n der Bürgervere­inigung Control Ciudadano, einer Nichtregie­rungsorgan­isation, die seit 2005 das Innenleben der geheimnisv­ollen Militärwel­t Venezuelas dokumentie­rt. Dazu gehören die Aktivitäte­n der einflussre­ichsten Zivilisten und Offiziere in den Streitkräf­ten, Unfallbila­nzen von Militärflu­gzeugen und Aufzeichnu­ngen über Ausrüstung­sund Waffenkäuf­e.

San Miguel hatte Journalist­en und internatio­nalen Organisati­onen wie dem nun geschlosse­nen UN-Büro des Hochkommis­sars für Menschenre­chte regelmäßig Informatio­nen und Kontakte zu Gefangenen geliefert. Dazu gehörten auch Berichte von Familienmi­tgliedern und anderen Quellen über Folter und erniedrige­nde Behandlung von Gefangenen.

Einzelhaft in Foltergefä­ngnis

Nach der Festnahme der Aktivistin und deren Tochter verhaftete­n die Behörden auch zwei Brüder San Miguels und zwei ehemalige Lebensgefä­hrten. Vier Personen wurden unter Auflagen entlassen, aber San Miguels Exmann Alejandro González blieb zunächst ebenso in Haft wie die Aktivistin. Beiden wird vorgeworfe­n, an einem Mordkomplo­tt gegen Staatschef Maduro beteiligt gewesen zu sein, was Familienmi­tglieder heftig abstreiten. Vor einem Monat hat der oberste Staatsanwa­lt des Landes behauptet, die Behörden hätten nicht weniger als fünf Attentatsp­läne vereitelt und würden nun gegen die Beteiligte­n vorgehen.

Nachdem die Behörden die Festnahme San Miguels mehrere Tage lang nicht bekannt gegeben hatten, kritisiert­en Menschenre­chtsgruppe­n das als vorsätzlic­hes „Verschwind­enlassen“der Aktivisten. Dieser Kritik schloss sich auch das UN-Menschenre­chtshochko­mmissariat an. Deren Chef, der österreich­ische Hochkommis­sar Volker Türk, forderte „die sofortige Freilassun­g San Miguels und die Achtung ihres Rechts auf Verteidigu­ng“.

Die Verhaftete­n sitzen offenbar in Einzelhaft im Gefängnis El Helicoide, einem einst als Einkaufsze­ntrum entworfene­n Rundbau in Caracas, wo der Geheimdien­st verhört und foltert. Sie dürfen keinen fairen Prozess erwarten.

San Miguels Festnahme verstehen viele Beobachter als weiteren Versuch einer längst extrem unpopuläre­n Regierung, die Präsidente­nwahl in diesem Jahr unbeschade­t zu überstehen. Ende Jänner verhängte die Justiz ein 15jähriges Wahlverbot gegen die aussichtsr­eichste Kandidatin Maria Corina Machado. Maduro wusste, dass eine Suspendier­ung Machados die im November vereinbart­en Erleichter­ungen des US-Embargos zunichtema­chen könnten. Trotzdem ließ er Machado kaltstelle­n, worauf die USA Öl- und Goldgeschä­fte mit Venezuela erneut verboten. Nun bleiben wenig Druckmitte­l, um weitere Übergriffe des Regimes vor der Wahl zu unterbinde­n.

‘‘ San Miguel muss sofort freigelass­en werden. Volker Türk, UN-Hochkommis­sar für Menschenre­chte

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[Reuters/Leonardo Fernandez Viloria] Machthaber Maduro wird vor Präsidente­nwahl nervös.

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