Düngung mit Mikroplastik?
Klärschlamm auf dem Acker: Weil in dieser Art von Dünger Mikroplastik enthalten sein kann, will eine Verordnung den Schlamm verbrennen. Das freut nicht alle.
Wien. Wie viel Klärschlamm tut den Äckern gut? Das ist Kernfrage im Streit um die Novelle der Abfall verb ren nungs verordnung, die im September 2022 vom Umwelt-und Klima ministerium zur Begutachtung ausgeschickt worden ist. Noch immer liegt die Verordnung auf Eis. Es gibt keine Einigung zwischen den Koalit ions partnern.
Bevor auf die Hintergründe einzugehen ist, zunächst ein paar Fakten: Die Novelle zur Verordnung hat zwei wesentliche Stoßrichtungen. Sie zielt darauf ab, dass Klärschlamm in weitaus stärkerem Ausmaß als bisher verbrannt werden soll, und will zweitens die Rückgewinnung von Phosphor aus der Asche vorschreiben. Wie auch immer man zur Müllverbrennung steht : Mit der Verbrennung des Klärschlamms wird auch ein weiteres Problem verringert: das des Mikroplastiks, Partikel aus Kunststoff, die kleiner als fünf Millimeter sind.
Kunststoff auf dem Acker
In Österreich fallen pro Jahr in Kläranlagen etwa 200.000 Tonnen Klärschlamm an. Er enthält außer Mikroplastik auch Hormone, das Erbgut verändernde Substanzen, pathogene Keime, Rückstände von Arzneimitteln und Schwermetalle. Weniger als die Hälfte des Klärschlamms wird schon jetzt verbrannt, ein Viertel allerdings wird auf Äckern ausgebracht. Und damit wohl auch das Mikroplastik.
Die Verordnung schlägt nun vor, dass Schlämme überwiegend verbrannt werden. Dieses Ansinnen gefällt dem Kompostverband nicht so sehr. In zwei Stellungnahmen hat der Verband den Entwurf kritisiert, fordert eine „faktenba
sierte“Diskussion und „zeitgemäße Grenzwerte“. So habe sich die Schwermetallbelastung in den vergangenen Jahrzehnten um bis zu 90 Prozent verringert. Auch bei Mikroplastik hätten Tests in Dänemark Entwarnung gegeben: „Es wurde untersucht, wie die Belastung auf gedüngten und auf nicht gedüngten Feldern aussieht“, berichtet Hubert Seiringer. Er ist Obmann des Kompostverbands. „Es gab keine Unterschiede zwischen beiden Feldern.“In anderen Worten: Klär
schlamm spiele keine Rolle. Wenn überhaupt, gelten nur wenige Grenzwerte für Mikroplastik im Klärschlamm, und außerdem sind die Messmethoden noch nicht harmonisiert. Seiringer beteuert, für Klärschlammverbrennung zu sein, „wenn sie notwendig ist“, lässt aber durchblicken, dass er sie nicht für nötig hält. Und: „Klärschlamm ist eine Ressource“. Statements, die offenbar die Volkspartei überzeugen. Sie hat bisher die Zustimmung zur Verordnung verwehrt.
Auch der Phosphor-Rückgewinnung kann Seiringer wenig abgewinnen, sie sei teuer und funktioniere nicht, meint er: „Es gibt eine Anlage bei der Kläranlage in Hamburg, die immer wieder vorgezeigt wird. Aber die funktioniert nicht.“Die Phosphor-Recycling Hamburg steht zu 60 Prozent im Eigentum von Hamburg Wasser, und dessen Sprecher Ole Braukmann sagt: „Die Verfahrenstechnik ist im Probebetrieb bestätigt, und die Anlage ist nicht defekt.“Er rechnet mit dem Start des Regelbetriebs noch heuer. Karl Wögerer, Sprecher der Entsorgungsbetriebe Simmering (EBS), meint, dass man auch in Wien eine entsprechende Reinigungsstufe bauen werde, „wenn der rechtliche Rahmen klar ist“.
Woher kommt Mikroplastik?
Denn derzeit ist auf EU-Ebene eine entsprechende Richtlinie in Diskussion, bei der es auch um die konkreten Schadstoffe und Grenzwerte geht – die übrigens in einem ersten Entwurf die Verursacher der Verschmutzung zu 100 Prozent zur Verantwortung ziehen wollte. Mittlerweile ist von 80 Prozent die Rede.
Woher kommt die Belastung durch Mikroplastik? An erster Stille ist Reifenabrieb zu nennen, dann Plastikemissionen aus der Abfallentsorgung. In einer Erhebung des Umweltbundesamts werden außerdem genannt: Straßenabrieb, Pellets und Industrieprodukte, Kunstrasen, Baustellenemissionen, Schuhsohlenabrieb, Fahrbahnmarkierungen, Textilien, Abrieb von Farben und Lacken sowie Folien in der Landwirtschaft. Ein gewichtiger Faktor ist auch das Wegwerfen von Plastikverpackungen.
In der Schweiz ist PhosphorRückgewinnung ab 2026 Pflicht.