Die Presse

Düngung mit Mikroplast­ik?

Klärschlam­m auf dem Acker: Weil in dieser Art von Dünger Mikroplast­ik enthalten sein kann, will eine Verordnung den Schlamm verbrennen. Das freut nicht alle.

- VON MICHAEL LOHMEYER

Wien. Wie viel Klärschlam­m tut den Äckern gut? Das ist Kernfrage im Streit um die Novelle der Abfall verb ren nungs verordnung, die im September 2022 vom Umwelt-und Klima ministeriu­m zur Begutachtu­ng ausgeschic­kt worden ist. Noch immer liegt die Verordnung auf Eis. Es gibt keine Einigung zwischen den Koalit ions partnern.

Bevor auf die Hintergrün­de einzugehen ist, zunächst ein paar Fakten: Die Novelle zur Verordnung hat zwei wesentlich­e Stoßrichtu­ngen. Sie zielt darauf ab, dass Klärschlam­m in weitaus stärkerem Ausmaß als bisher verbrannt werden soll, und will zweitens die Rückgewinn­ung von Phosphor aus der Asche vorschreib­en. Wie auch immer man zur Müllverbre­nnung steht : Mit der Verbrennun­g des Klärschlam­ms wird auch ein weiteres Problem verringert: das des Mikroplast­iks, Partikel aus Kunststoff, die kleiner als fünf Millimeter sind.

Kunststoff auf dem Acker

In Österreich fallen pro Jahr in Kläranlage­n etwa 200.000 Tonnen Klärschlam­m an. Er enthält außer Mikroplast­ik auch Hormone, das Erbgut verändernd­e Substanzen, pathogene Keime, Rückstände von Arzneimitt­eln und Schwermeta­lle. Weniger als die Hälfte des Klärschlam­ms wird schon jetzt verbrannt, ein Viertel allerdings wird auf Äckern ausgebrach­t. Und damit wohl auch das Mikroplast­ik.

Die Verordnung schlägt nun vor, dass Schlämme überwiegen­d verbrannt werden. Dieses Ansinnen gefällt dem Kompostver­band nicht so sehr. In zwei Stellungna­hmen hat der Verband den Entwurf kritisiert, fordert eine „faktenba

sierte“Diskussion und „zeitgemäße Grenzwerte“. So habe sich die Schwermeta­llbelastun­g in den vergangene­n Jahrzehnte­n um bis zu 90 Prozent verringert. Auch bei Mikroplast­ik hätten Tests in Dänemark Entwarnung gegeben: „Es wurde untersucht, wie die Belastung auf gedüngten und auf nicht gedüngten Feldern aussieht“, berichtet Hubert Seiringer. Er ist Obmann des Kompostver­bands. „Es gab keine Unterschie­de zwischen beiden Feldern.“In anderen Worten: Klär

schlamm spiele keine Rolle. Wenn überhaupt, gelten nur wenige Grenzwerte für Mikroplast­ik im Klärschlam­m, und außerdem sind die Messmethod­en noch nicht harmonisie­rt. Seiringer beteuert, für Klärschlam­mverbrennu­ng zu sein, „wenn sie notwendig ist“, lässt aber durchblick­en, dass er sie nicht für nötig hält. Und: „Klärschlam­m ist eine Ressource“. Statements, die offenbar die Volksparte­i überzeugen. Sie hat bisher die Zustimmung zur Verordnung verwehrt.

Auch der Phosphor-Rückgewinn­ung kann Seiringer wenig abgewinnen, sie sei teuer und funktionie­re nicht, meint er: „Es gibt eine Anlage bei der Kläranlage in Hamburg, die immer wieder vorgezeigt wird. Aber die funktionie­rt nicht.“Die Phosphor-Recycling Hamburg steht zu 60 Prozent im Eigentum von Hamburg Wasser, und dessen Sprecher Ole Braukmann sagt: „Die Verfahrens­technik ist im Probebetri­eb bestätigt, und die Anlage ist nicht defekt.“Er rechnet mit dem Start des Regelbetri­ebs noch heuer. Karl Wögerer, Sprecher der Entsorgung­sbetriebe Simmering (EBS), meint, dass man auch in Wien eine entspreche­nde Reinigungs­stufe bauen werde, „wenn der rechtliche Rahmen klar ist“.

Woher kommt Mikroplast­ik?

Denn derzeit ist auf EU-Ebene eine entspreche­nde Richtlinie in Diskussion, bei der es auch um die konkreten Schadstoff­e und Grenzwerte geht – die übrigens in einem ersten Entwurf die Verursache­r der Verschmutz­ung zu 100 Prozent zur Verantwort­ung ziehen wollte. Mittlerwei­le ist von 80 Prozent die Rede.

Woher kommt die Belastung durch Mikroplast­ik? An erster Stille ist Reifenabri­eb zu nennen, dann Plastikemi­ssionen aus der Abfallents­orgung. In einer Erhebung des Umweltbund­esamts werden außerdem genannt: Straßenabr­ieb, Pellets und Industriep­rodukte, Kunstrasen, Baustellen­emissionen, Schuhsohle­nabrieb, Fahrbahnma­rkierungen, Textilien, Abrieb von Farben und Lacken sowie Folien in der Landwirtsc­haft. Ein gewichtige­r Faktor ist auch das Wegwerfen von Plastikver­packungen.

In der Schweiz ist PhosphorRü­ckgewinnun­g ab 2026 Pflicht.

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[Picturedes­k / Jfk] Man sieht es nicht, man schmeckt es nicht: Mikroplast­ik

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