Freiheit und Lebensbejahung
Heimische und ukrainische Bands spielen in der Stadthalle. Die Steirer von Alle Achtung haben dabei schönste Gassenhauer im Repertoire.
Der Krieg ist in Europa zurück. Wir machen uns wahnsinnige Sorgen diesbezüglich, weil es möglich scheint, dass er sich erweitert und ins Herz unseres Kontinents vordringt. Mein persönliches Gefühl sagt mir, dass wir diesen Gedanken auf keinen Fall verdrängen dürfen“, sagt Christian Stani, Sänger der Erfolgskombo Alle Achtung.
Wie viele andere war die Band gleich mit von der Partie, als sie für ein Solidaritätskonzert für die Ukraine angefragt wurde. Dafür werden am Mittwoch etwa 10.000 Zuseher in der Wiener Stadthalle erwartet, wo u. a. auch die ukrainische Song-Contest-Gewinnerin Jamala singen wird. „Uns ist es sehr wichtig, da mitzumachen“, sagt Stani, „denn als Band stehen wir für Freiheit und Lebensbejahung. Deshalb mussten wir nicht lang überlegen, ob wir da dabei sein wollen.“
Heuer feiert die Band aus Thal bei Graz ihr zehnjähriges Bestehen. „Wir haben viel ausprobiert, auch zwei Alben Richtung Indiepop gemacht. Die ersten sechs Jahre haben wir überdies versucht, intellektuelle Texte zu machen, was nicht wirklich aufgegangen ist.
Dann haben wir herausgefunden, was wir wirklich können und wollen.“
Die Band erkannte, dass ihr Uptempo-Songs viel eher liegen. Zudem kamen die vier Steirer und ihre sizilianische Bassistin drauf, dass sie ein Händchen für Ohrwürmer haben. Stani jubiliert darüber, wie gut nun das kollektive Bemühen fruchtet. „Weil wir so heterogen zusammengesetzt sind, hat es eine gewisse Aussagekraft, wenn es bei einem Lied dann einmal für uns alle passt.“
Erster Hit war „Marie“
Eine Hitformel haben sie dennoch nicht kultiviert, dafür aber eine Idee, wie ein guter Song beschaffen sein muss. „Ein raffinierter Mix aus Rhythmus und Melodie ist unerlässlich. Wichtig ist zudem eine Botschaft im Song, und die kann durchaus profan sein. Für einen Hit sind allerdings noch ganz andere Dinge nötig, die sich nicht planen lassen. Glück etwa.“
Für Alle Achtung waren die Umstände um ihren ersten Hit „Marie“einigermaßen bizarr. „Kurios war, dass wir einen Hit im gesamten deutschsprachigen Raum hatten und dennoch damit nur vier Mal aufgetreten sind. Der Grund war die Corona-Pandemie. Die paar Konzerte damals, die passierten in seltsamen Umständen. So spielten wir etwa einmal im Innenhof eines Hotels vor ein paar Köpfen, die aus Zimmerfenstern lugten. Wir waren viel im Fernsehen in Sendungen, die normalerweise vor Publikum stattfinden und wo damals nur Techniker anwesend waren. Dennoch hat sich ,Marie‘ nicht aufhalten lassen. Das Lied hat unser Leben komplett verändert.“
Obwohl der Erfolg wie ein Tsunami kam, behielt man die Contenance. „Für mich war klar, dass, wenn wir einen Hit haben, alles von allein laufen würde. Tatsächlich war es so, dass damit die Arbeit erst wirklich begann.“Weder die Zeit noch die Mentalität erlaubten ein Abheben. „Wir sind in Thal eingebunden ins Ortsgeschehen. Allein das macht es unmöglich, dass wir abheben.“
Ihr erster Hit hat ihnen Selbstvertrauen geschenkt. „Wir spüren jetzt, dass wir gute Songs schreiben können. Und das tun wir konzentriert und mit großer Freude.“Und so tüftelt das Quintett derzeit schon an seinem ersten Album nach dem großen Durchbruch. Bei United for Ukraine werden sie ihr neues Lied „Kopenhagen“vorstellen.
„Wann fährt die letzte Straßenbahn?“, fragt der amourös gestimmte und von Gin Tonics illuminierte Protagonist darin. Vor den Aufnahmen machte Stani einen Lokalaugenschein. „Kopenhagen ist eine wahnsinnig interessante Stadt. Ich bin hingeflogen, um ein Gespür für das Lied zu bekommen. Vom Gefühl her trifft sich dort ganz Europa. Es ist eine offene, sehr freie Stadt.“Stanis Gesang ist ähnlich berückend wie im letzten Hit „Bowie“, in dem er über alte Träume vom Popstardasein sang. Hat er tatsächlich schon als Kind vom Popstardasein geträumt? „Ja, immer schon. Mein ganzes Leben lang. Ich glaube, dass muss man mitbringen, wenn man Musiker wird. Wir hatten ja sechs magere Jahre, in denen lebten wir von dieser Vision. Diesen Traum haben wir alle gehabt, und wir haben durchgehalten.“
Gut so, denn Stani kann sich ein Leben ohne Bühne nicht vorstellen. „Ich liebe diesen Moment kurz vor dem Auftritt, wo ich spüre, dass sich in mir gleich etwas verändern wird.“Seine Verwandlung in ein Bühnentier werden bei United for Ukraine auch Menschen bestaunen, die Alle Achtung noch nicht kennen. Es wird eine wechselseitige Freude werden. „Wir möchten möglichst viele Menschen aus der ukrainischen Community auf eine kleine Reise mitnehmen, in eine Welt, wie man sie sich wünscht. Wenn wir das schaffen, haben wir schon viel erreicht.“