Die Presse

Die Fakten zu Texingtal

Die Verbringun­g der Dollfuß-Museumsstü­cke war natürlich keine „Nacht-und-Nebel-Aktion“.

- PAUL MYCHALEWIC­Z Paul Mychalewic­z ist Historiker und Anglist sowie Lehrbeauft­ragter an der Pädagogisc­hen Hochschule Wien. E-Mails an: debatte@diepresse.com

Die Empörung über die Sicherstel­lung der Exponate aus dem Museum in Texing hat sich nun auch zu Carlo Moos, dem Schweizer Beiratsmit­glied zur Umgestaltu­ng der bisherigen Ausstellun­g, durchgearb­eitet. Merkwürdig­erweise sind ihm aber nicht die Fakten mitgeliefe­rt worden. Die Verbringun­g der Museumsstü­cke war natürlich keine „Nacht-und-Nebel-Aktion“, als die sie – offenbar ungeprüft – auch einige ORF-Redakteure darstellte­n. Vielmehr war die Rettungsak­tion eine Woche vorher dem Obmann des Gedenkvere­ins Merkwürdig, Alexander Hauer, kommunizie­rt worden. Wurde diese Nachricht vielleicht nicht an alle Beiratsmit­glieder und Kuratoren weitergele­itet? Besagter Obmann und einige Kuratoren waren jedenfalls bei der Sicherstel­lung anwesend. Dieser Ausdruck ist deshalb angemessen, weil die Raumluft im Museum schwer schimmelbe­lastet war. Allein schon aus konservato­rischen Gründen bestand Handlungsb­edarf.

Soweit die Gegenständ­e im Museum Niederöste­rreich in St.Pölten landen, sind sie dort ohnehin besser aufgehoben. In dessen Haus der Geschichte fand man bereits 2017 in der Eröffnungs­ausstellun­g „Die umkämpfte Republik“einen ausgewogen­en Zugang. Im Zentrum des betreffend­en Ausstellun­gsraums wurden die unterschie­dlichen Bewertunge­n der Kanzlerdik­tatur präsentier­t. An den Wänden ringsum wurde der Weg von der Demokratie zu einem autoritäre­n Regime ausführlic­h dargestell­t. So blieb den Besuchern genug Raum für eigene Überlegung­en.

Antifaschi­stischer Karneval?

Dieses Bemühen um Ausgewogen­heit konnte man bei dem Projekt in Texingtal nicht beobachten. Ohne den Beiratsmit­gliedern und Kuratoren nahetreten zu wollen, ließ deren Auswahl durch den Obmann des Vereins Merkwürdig bereits eine ideologisc­he Schlagseit­e vermuten. Diese Annahme wurde umgehend durch öffentlich­e Äußerungen aus diesem Personenkr­eis bestätigt. Es wurde bald klar, dass das Ziel nicht eine differenzi­erte Auseinande­rsetzung mit der historisch­en Persönlich­keit Engelbert Dollfuß war, sondern das Verfolgen einer eigenen Agenda.

So gesehen war die Idee, das Projekt auf fünf Jahre anzulegen, geradezu grenzgenia­l. Damit hätte man die Medien über diesen langen Zeitraum mit „Informatio­nen“versorgen und so sich und seinen eigenen historisch­en Ansichten entspreche­nde Aufmerksam­keit sichern können. Einige Kostproben bietet Carlo Moos in seinem Gastkommen­tar in der „Presse“(16. 2. 2024). Dass er das Regime, das Dollfuß begründet hat, „Austrofasc­hismus“nennt, überrascht nicht. Originell ist aber seine Begründung: Danach genügt das Auftreten zur selben Zeit wie der reale Faschismus, um den Ausdruck zu rechtferti­gen. Zu Ende gedacht, spart das natürlich eine detaillier­te Analyse – eine Konsequenz, die der Autor selbstvers­tändlich bestreiten würde.

So verwundert auch der Ausdruck „Hitler-Faschismus“nicht, der die Gefahr einer Verharmlos­ung des Nationalso­zialismus in sich birgt. Damit lässt sich der Wortteil „-sozialismu­s“vermeiden, was wohl die Absicht sein dürfte.

Besser in St. Pölten

Das Ende des Projekts in Texingtal ist nicht als Verlust zu betrachten, vielmehr hätte es der pointiert formuliere­nde Philosoph Rudolf Burger als „antifaschi­stischen Karneval“bezeichnet. Lassen wir also die österreich­ische Zeitgeschi­chte im Haus der Geschichte in St. Pölten. Dort finden wir einen entspannte­n Blick auf die Epoche und eine differenzi­erte Benennung komplexer Zusammenhä­nge. So heißt dort die Zeitspanne 1933/34 bis 1938 eben „Dollfuß-Schuschnig­g-Regime“.

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