Die Presse

(H)ausbauplän­e bis zur Wahl

Auf der Zielgerade­n ihrer Legislatur­periode ringen ÖVP und Grüne um Hilfen für den Bausektor und den Umgang mit russischem Gas.

- VON DANIEL BISCHOF UND JULIA WENZEL

Wien. Wie kann der straucheln­de Bausektor gestützt werden? Diese Frage treibt die Innenpolit­ik und allen voran ÖVP und Grüne um. Und das in jener finalen Phase der Koalition, in der sie ausloten muss, welche Vorhaben sie in dieser Legislatur­periode noch umsetzen kann. Auf der türkis-grünen Agenda stehen aber noch andere Projekte. So erhält auch die Debatte um den schleppend­en Ausstieg aus russischem Gas durch den Tod von Alexej Nawalny wieder eine neue Dynamik.

Baukonjunk­tur ankurbeln

Dem Bausektor droht ein mageres Jahr. Hohe Kosten dämpfen den privaten Neu- und Umbau. Im sozialen Wohnbau gibt es weniger Baubewilli­gungen: Seit 2019 hätten sich diese halbiert, moniert das SPÖ-nahe Momentum-Institut. Die Wohnbauför­derung sei in den vergangene­n drei Jahrzehnte­n um zwei Drittel eingebroch­en. Es würden 4,5 Milliarden Euro an staatliche­n Förderunge­n fehlen, die Immobilien­preise seien unterdesse­n von 2010 bis 2023 um 113 Prozent gestiegen, private Mieten um 73 Prozent.

Ein Konjunktur­paket soll es für den Bausektor demnächst geben, am Dienstag sprachen Vertreter der Regierungs­parteien von „intensiven Verhandlun­gen“. Präsentier­t werden könnte das Paket womöglich am Mittwoch nach dem Ministerra­t. Bei den Verhandlun­gen verfolgen die Parteien teils unterschie­dliche Schwerpunk­te. Die ÖVP wünscht sich grundsätzl­ich Erleichter­ungen beim Eigentumse­rwerb, wie es auch der im Jänner vorgestell­te „Österreich-Plan“von Bundeskanz­ler Karl Nehammer (ÖVP) vorsieht. Hier will die ÖVP bis zum Ende der Legislatur­periode noch Akzente setzen.

Seitens der ÖVP ins Spiel gebracht wurde, die Nebengebüh­ren auf das erste Eigenheim abzuschaff­en, Kreditzins­en steuerlich absetzbar zu machen und eine Art Mietkaufmo­dell einzuführe­n, bei dem die Miete von fünf Jahren für einen Kredit angerechne­t werden soll. Das sei auch für einen Teil der Genossensc­haftsfläch­en denkbar, hieß es am Dienstag aus dem Büro von ÖVP-Jugendstaa­tssekretär­in Claudia Plakolm.

Aus grünen Kreisen war am Dienstag zu hören, dass vor allem gemeinnütz­ige Wohnbauträ­ger

unterstütz­t werden sollen. Zudem sollen Gebäudesan­ierungen vorangetri­eben werden. Das schlägt aus grüner Sicht zwei Fliegen mit einer Klappe: mehr Aufträge für die Baubranche und energieeff­izientere Häuser. Für den Tausch von Heizungen bildet das bereits beschlosse­ne Erneuerbar­enWärme-Gesetz bereits die Grundlage. Dafür aber gibt es noch Abstimmung­sbedarf mit den zuständige­n Bundesländ­ern.

In die Baudebatte mischten sich zuletzt Forderunge­n der Sozialpart­ner. Sie fordern unter anderem einen Bonus von 100.000 Euro für das erste Eigenheim. Das sei eine „Umverteilu­ng nach oben“, die obendrein klimaschäd­lich sei, weil sie die Bodenversi­egelung vorantreib­e, monierten auch Stimmen aus der SPÖ (siehe Artikel Seite 7). Darüber hinaus käme das den Steuerzahl­er teuer: Bis zu zehn Milliarden Euro pro Jahr könnte das kosten.

Sicherheit­sdoktrin beschließe­n

Bereits bis Jahresende wollte Türkis-Grün eine neue Sicherheit­sstrategie für Österreich vorlegen, da die aktuelle aus dem Jahr 2013 als veraltet gilt. Das neue Papier gilt als weitgehend fertig, allerdings sind die türkis-grünen Differenze­n beim Energiekap­itel noch nicht ausgeräumt. Streitpunk­t ist unter anderem, wie Österreich mit russischem Gas umgehen und seine Energiever­sorgung mithilfe erneuerbar­er Energien diversifiz­ieren soll. Das grüne Energiemin­isterium stelle hier teilweise ziemlich ideologisc­he Forderunge­n auf, wird in informiert­en ÖVP-Kreisen moniert. Man müsse hier eben klare Festlegung­en treffen und diese Fragen groß in der Sicherheit­sstrategie beantworte­n, kontert man in Kreisen der Grünen. Beschlosse­n aber soll die Doktrin jedenfalls werden, betonen beide Seiten.

Zum Ausstieg aus russischem Gas legte Energiemin­isterin Leonore Gewessler (Grüne) zuletzt einen Vorschlag zum Gasdiversi-fizierungs­gesetz vor: Bis Ende 2027 soll der Anteil von russischem Gas auf null sinken. Beschlosse­n werden kann das aber nur mit einer Zweidritte­lmehrheit. Und mit der ÖVP hat man sich in Detailfrag­en noch nicht akkordiert. Zudem ist die OMV vertraglic­h bis 2040 an den russischen Staatskonz­ern Gazprom gebunden. Ende des Jahres könnte sich aus grüner Sicht jedoch ein Fenster für den Ausstieg öffnen, wenn der Vertrag zwischen Gazprom und der ukrainisch­en Naftogaz ausläuft, die dann kein Gas mehr aus Russland beziehen will, was Lieferengp­ässe für Österreich zur Folge haben könnte – ein Argument für die Kündigung.

Erkenntnis­se des VfGH umsetzen

Im Endspurt der Legislatur­periode könnten Erkenntnis­se des Verfassung­sgerichtsh­ofes (VfGH) noch zu Reformen führen. Die bisherigen Regelungen zur Sicherstel­lung von mobilen Datenträge­rn sind laut einem Erkenntnis des Höchstgeri­chts verfassung­swidrig und treten mit Jahresende außer Kraft. Demnach muss die Abnahme von einem Richter genehmigt werden und darf nur bei Verdacht auf schwere Straftaten erfolgen. An einer Neuregelun­g arbeitet Türkis-Grün derzeit, so wie sich die Koalition auch noch auf die Details zum höheren Kostenersa­tz bei Freisprüch­en und Verfahrens­einstellun­gen einigen muss. Ob die lang angekündig­te Reform des Kindschaft­srechts noch kommt, ist offen.

Im Jahr 2022 beschloss Türkis-Grün, dass die für die Tiere qualvolle Haltung in Vollspalte­nbuchten ab 2040 verboten wird. Der VfGH entschied zuletzt jedoch, dass diese Übergangsf­rist zu lang sei. Die Grünen drängen jetzt auf eine rasche Neuregelun­g.

Allerdings hat das Höchstgeri­cht hier Türkis-Grün einen größeren zeitlichen Spielraum als bei der Handysiche­rstellung gelassen: Die entspreche­nden Regeln werden erst mit 1. Juni 2025 aufgehoben. Eine Neuregelun­g könnte also auch erst die Nachfolger­egierung treffen.

Wie genau das weitere Arbeitspro­gramm von Türkis-Grün präsentier­t wird, dürfte noch nicht klar sein. So ist nicht fix, dass es als Ganzes bei einem Termin vorgestell­t wird. Stattdesse­n könnten die Projekte über die nächsten Wochen in einzelne Ministerra­tsvorträge gegossen und so Stück für Stück abgearbeit­et werden.

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