(H)ausbaupläne bis zur Wahl
Auf der Zielgeraden ihrer Legislaturperiode ringen ÖVP und Grüne um Hilfen für den Bausektor und den Umgang mit russischem Gas.
Wien. Wie kann der strauchelnde Bausektor gestützt werden? Diese Frage treibt die Innenpolitik und allen voran ÖVP und Grüne um. Und das in jener finalen Phase der Koalition, in der sie ausloten muss, welche Vorhaben sie in dieser Legislaturperiode noch umsetzen kann. Auf der türkis-grünen Agenda stehen aber noch andere Projekte. So erhält auch die Debatte um den schleppenden Ausstieg aus russischem Gas durch den Tod von Alexej Nawalny wieder eine neue Dynamik.
Baukonjunktur ankurbeln
Dem Bausektor droht ein mageres Jahr. Hohe Kosten dämpfen den privaten Neu- und Umbau. Im sozialen Wohnbau gibt es weniger Baubewilligungen: Seit 2019 hätten sich diese halbiert, moniert das SPÖ-nahe Momentum-Institut. Die Wohnbauförderung sei in den vergangenen drei Jahrzehnten um zwei Drittel eingebrochen. Es würden 4,5 Milliarden Euro an staatlichen Förderungen fehlen, die Immobilienpreise seien unterdessen von 2010 bis 2023 um 113 Prozent gestiegen, private Mieten um 73 Prozent.
Ein Konjunkturpaket soll es für den Bausektor demnächst geben, am Dienstag sprachen Vertreter der Regierungsparteien von „intensiven Verhandlungen“. Präsentiert werden könnte das Paket womöglich am Mittwoch nach dem Ministerrat. Bei den Verhandlungen verfolgen die Parteien teils unterschiedliche Schwerpunkte. Die ÖVP wünscht sich grundsätzlich Erleichterungen beim Eigentumserwerb, wie es auch der im Jänner vorgestellte „Österreich-Plan“von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) vorsieht. Hier will die ÖVP bis zum Ende der Legislaturperiode noch Akzente setzen.
Seitens der ÖVP ins Spiel gebracht wurde, die Nebengebühren auf das erste Eigenheim abzuschaffen, Kreditzinsen steuerlich absetzbar zu machen und eine Art Mietkaufmodell einzuführen, bei dem die Miete von fünf Jahren für einen Kredit angerechnet werden soll. Das sei auch für einen Teil der Genossenschaftsflächen denkbar, hieß es am Dienstag aus dem Büro von ÖVP-Jugendstaatssekretärin Claudia Plakolm.
Aus grünen Kreisen war am Dienstag zu hören, dass vor allem gemeinnützige Wohnbauträger
unterstützt werden sollen. Zudem sollen Gebäudesanierungen vorangetrieben werden. Das schlägt aus grüner Sicht zwei Fliegen mit einer Klappe: mehr Aufträge für die Baubranche und energieeffizientere Häuser. Für den Tausch von Heizungen bildet das bereits beschlossene ErneuerbarenWärme-Gesetz bereits die Grundlage. Dafür aber gibt es noch Abstimmungsbedarf mit den zuständigen Bundesländern.
In die Baudebatte mischten sich zuletzt Forderungen der Sozialpartner. Sie fordern unter anderem einen Bonus von 100.000 Euro für das erste Eigenheim. Das sei eine „Umverteilung nach oben“, die obendrein klimaschädlich sei, weil sie die Bodenversiegelung vorantreibe, monierten auch Stimmen aus der SPÖ (siehe Artikel Seite 7). Darüber hinaus käme das den Steuerzahler teuer: Bis zu zehn Milliarden Euro pro Jahr könnte das kosten.
Sicherheitsdoktrin beschließen
Bereits bis Jahresende wollte Türkis-Grün eine neue Sicherheitsstrategie für Österreich vorlegen, da die aktuelle aus dem Jahr 2013 als veraltet gilt. Das neue Papier gilt als weitgehend fertig, allerdings sind die türkis-grünen Differenzen beim Energiekapitel noch nicht ausgeräumt. Streitpunkt ist unter anderem, wie Österreich mit russischem Gas umgehen und seine Energieversorgung mithilfe erneuerbarer Energien diversifizieren soll. Das grüne Energieministerium stelle hier teilweise ziemlich ideologische Forderungen auf, wird in informierten ÖVP-Kreisen moniert. Man müsse hier eben klare Festlegungen treffen und diese Fragen groß in der Sicherheitsstrategie beantworten, kontert man in Kreisen der Grünen. Beschlossen aber soll die Doktrin jedenfalls werden, betonen beide Seiten.
Zum Ausstieg aus russischem Gas legte Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) zuletzt einen Vorschlag zum Gasdiversi-fizierungsgesetz vor: Bis Ende 2027 soll der Anteil von russischem Gas auf null sinken. Beschlossen werden kann das aber nur mit einer Zweidrittelmehrheit. Und mit der ÖVP hat man sich in Detailfragen noch nicht akkordiert. Zudem ist die OMV vertraglich bis 2040 an den russischen Staatskonzern Gazprom gebunden. Ende des Jahres könnte sich aus grüner Sicht jedoch ein Fenster für den Ausstieg öffnen, wenn der Vertrag zwischen Gazprom und der ukrainischen Naftogaz ausläuft, die dann kein Gas mehr aus Russland beziehen will, was Lieferengpässe für Österreich zur Folge haben könnte – ein Argument für die Kündigung.
Erkenntnisse des VfGH umsetzen
Im Endspurt der Legislaturperiode könnten Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) noch zu Reformen führen. Die bisherigen Regelungen zur Sicherstellung von mobilen Datenträgern sind laut einem Erkenntnis des Höchstgerichts verfassungswidrig und treten mit Jahresende außer Kraft. Demnach muss die Abnahme von einem Richter genehmigt werden und darf nur bei Verdacht auf schwere Straftaten erfolgen. An einer Neuregelung arbeitet Türkis-Grün derzeit, so wie sich die Koalition auch noch auf die Details zum höheren Kostenersatz bei Freisprüchen und Verfahrenseinstellungen einigen muss. Ob die lang angekündigte Reform des Kindschaftsrechts noch kommt, ist offen.
Im Jahr 2022 beschloss Türkis-Grün, dass die für die Tiere qualvolle Haltung in Vollspaltenbuchten ab 2040 verboten wird. Der VfGH entschied zuletzt jedoch, dass diese Übergangsfrist zu lang sei. Die Grünen drängen jetzt auf eine rasche Neuregelung.
Allerdings hat das Höchstgericht hier Türkis-Grün einen größeren zeitlichen Spielraum als bei der Handysicherstellung gelassen: Die entsprechenden Regeln werden erst mit 1. Juni 2025 aufgehoben. Eine Neuregelung könnte also auch erst die Nachfolgeregierung treffen.
Wie genau das weitere Arbeitsprogramm von Türkis-Grün präsentiert wird, dürfte noch nicht klar sein. So ist nicht fix, dass es als Ganzes bei einem Termin vorgestellt wird. Stattdessen könnten die Projekte über die nächsten Wochen in einzelne Ministerratsvorträge gegossen und so Stück für Stück abgearbeitet werden.