Tod zweier Fischer löst gefährliche Taiwan-Krise aus
Volksrepublik nutzt Zwischenfall in Taiwanstraße, um Grenzen zu verschieben.
Auf ersten Blick wirkt der tödliche Zusammenstoß vor den taiwanesischen KinmenInseln wie nur einer der inzwischen immer häufigeren Zwischenfälle mit China: Vergangene Woche näherte sich wieder einmal ein chinesisches Fischerboot den kleinen Inseln, die nur wenige Kilometer vor Chinas Millionenmetropole Xiamen in der Region Fujian liegen. Die Fischer hofften wohl auf einen reichen Fang zum chinesischen Neujahr. Taiwans Küstenwache entdeckte das Schnellboot, verfolgte es. Dabei kam es zum Zusammenprall, das Schiff kenterte. Zwei Seeleute starben, weitere zwei überlebten.
Es ist nicht der erste Vorfall dieser Art, fast täglich vertreibt Taiwans Küstenwache chinesische Fischer. Doch diesen Konflikt will Peking nun offenbar nützen, um eine Eskalation des Konfliktes mit der autonomen und demokratisch regierten Inselrepublik zu provozieren. Das KPRegime sieht Taiwan als „rebellische Provinz“an, die Staatschef Xi Jinping so schnell wie möglich unter Chinas Kontrolle bringen will. Peking setzt nun ganz konkrete Schritte, um dieses Ziel auch ohne eine großspurige Invasion zu erreichen.
„Bösartiger Vorfall“
So verschärft China merklich die Rhetorik: Das Büro für TaiwanAngelegenheiten sprach nach dem Kentern des Bootes von einem „bösartigen Vorfall“und forderte Aufklärung. Am gestrigen Dienstag trafen medienwirksam Angehörige der überlebenden Seeleute in Kinmen ein. Auf sozialen Medien ist die Empörung groß, die kommunistische Partei schürt die Wut der Nationalisten auf Taiwan noch weiter und stilisiert die beiden toten Fischer zu unschuldige Opfer.
Doch hinter der Wut und der rhetorischen Attacken steckt Strategie mit einem langfristigen Ziel: Das Pekinger Regime scheint zwar derzeit keine großspurig angelegte Invasion zu planen, setzt aber offensichtlich umso aggressiver auf asymmetrische Kriegstaktik, um Taiwans Territorium einzunehmen – und zwar Schritt für Schritt, indem es Grenzen verschiebt und annulliert.
Denn China nützt den jüngsten Zwischenfall, um zu demonstrieren, dass die Gewässer rund um Kinmen und die benachbarten Matsu-Inseln der Volksrepublik gehören. Dadurch verstößt es erneut eklatant gegen jenen Grundsatz, der jahrzehntelang den Taiwan-Konflikt eingefroren hat: China hatte seit 1992 für lange Jahre den taiwanesischen Status quo akzeptiert. Und respektierte auch, dass die Gewässer rund um Kinmen und Matsu „eingeschränkt zugängliche und gesperrte Gebiete“sind, also eigentlich taiwanesisches Territorium, das Taipeh verteidigen muss.
„Fischen seit der Antike“
Nun aber macht Peking offen seine Ansprüche geltend. Bezeichnend sind die Worte einer Regierungssprecherin: „Seit antiken Zeiten fischen Fischer aus Xianmen und Kinmen in diesen Gewässern. Es gibt hier keine sogenannten ,eingeschränkt zugänglichen oder gesperrten Gebiete‘“. Xis Regime leugnete zuletzt auch öffentlich die Existenz der Mittellinie, die Taiwan als seine Grenze ansieht. Regelmäßig schickt China Kampfjets über diese Linie.
Jetzt schafft Peking auf der Taiwanstraße Fakten. In den letzten Tagen verstärkte China rund um Kinmen und Matsu die Präsenz seiner Küstenwache. Und zeigt die Muskeln: Am Montag stoppten Chinas Sicherheitsbeamte ein taiwanesisches Touristenboot, kontrollierten Passagiere und Crew.
Ein neues Pulverfass
Wegen dieser Patrouillen droht die bereits hochexplosive Lage in der Taiwanstraße, eine der wichtigsten Seerouten der Welt, blitzschnell außer Kontrolle geraten. Das Risiko eines, auch ungeplanten, Zusammenstoßes zwischen taiwanesische und chinesischen Schiffen ist stark gestiegen.
Damit hat der gefährliche Konflikt um Taiwans Eigenständigkeit, der sich seit Xis Amtsantritt im Jahr 2013 verschärfte, eine neue Eskalationsstufe erreicht. Die nahe China gelegenen Kinmen- und Matsu-Inseln waren immer schon Taiwans Bastion gegen China und somit Frontlinie im Konflikt mit der Volksrepublik. Im Kalten Krieg kam es dort wiederholt zu Schusswechsel zwischen beiden Seiten. Nun könnten sie erneut das Pulverfass darstellen, das in der Taiwan-Krise als erstes in die Luft geht.