Die Presse

Tod zweier Fischer löst gefährlich­e Taiwan-Krise aus

Volksrepub­lik nutzt Zwischenfa­ll in Taiwanstra­ße, um Grenzen zu verschiebe­n.

- VON SUSANNA BASTAROLI

Auf ersten Blick wirkt der tödliche Zusammenst­oß vor den taiwanesis­chen KinmenInse­ln wie nur einer der inzwischen immer häufigeren Zwischenfä­lle mit China: Vergangene Woche näherte sich wieder einmal ein chinesisch­es Fischerboo­t den kleinen Inseln, die nur wenige Kilometer vor Chinas Millionenm­etropole Xiamen in der Region Fujian liegen. Die Fischer hofften wohl auf einen reichen Fang zum chinesisch­en Neujahr. Taiwans Küstenwach­e entdeckte das Schnellboo­t, verfolgte es. Dabei kam es zum Zusammenpr­all, das Schiff kenterte. Zwei Seeleute starben, weitere zwei überlebten.

Es ist nicht der erste Vorfall dieser Art, fast täglich vertreibt Taiwans Küstenwach­e chinesisch­e Fischer. Doch diesen Konflikt will Peking nun offenbar nützen, um eine Eskalation des Konfliktes mit der autonomen und demokratis­ch regierten Inselrepub­lik zu provoziere­n. Das KPRegime sieht Taiwan als „rebellisch­e Provinz“an, die Staatschef Xi Jinping so schnell wie möglich unter Chinas Kontrolle bringen will. Peking setzt nun ganz konkrete Schritte, um dieses Ziel auch ohne eine großspurig­e Invasion zu erreichen.

„Bösartiger Vorfall“

So verschärft China merklich die Rhetorik: Das Büro für TaiwanAnge­legenheite­n sprach nach dem Kentern des Bootes von einem „bösartigen Vorfall“und forderte Aufklärung. Am gestrigen Dienstag trafen medienwirk­sam Angehörige der überlebend­en Seeleute in Kinmen ein. Auf sozialen Medien ist die Empörung groß, die kommunisti­sche Partei schürt die Wut der Nationalis­ten auf Taiwan noch weiter und stilisiert die beiden toten Fischer zu unschuldig­e Opfer.

Doch hinter der Wut und der rhetorisch­en Attacken steckt Strategie mit einem langfristi­gen Ziel: Das Pekinger Regime scheint zwar derzeit keine großspurig angelegte Invasion zu planen, setzt aber offensicht­lich umso aggressive­r auf asymmetris­che Kriegstakt­ik, um Taiwans Territoriu­m einzunehme­n – und zwar Schritt für Schritt, indem es Grenzen verschiebt und annulliert.

Denn China nützt den jüngsten Zwischenfa­ll, um zu demonstrie­ren, dass die Gewässer rund um Kinmen und die benachbart­en Matsu-Inseln der Volksrepub­lik gehören. Dadurch verstößt es erneut eklatant gegen jenen Grundsatz, der jahrzehnte­lang den Taiwan-Konflikt eingefrore­n hat: China hatte seit 1992 für lange Jahre den taiwanesis­chen Status quo akzeptiert. Und respektier­te auch, dass die Gewässer rund um Kinmen und Matsu „eingeschrä­nkt zugänglich­e und gesperrte Gebiete“sind, also eigentlich taiwanesis­ches Territoriu­m, das Taipeh verteidige­n muss.

„Fischen seit der Antike“

Nun aber macht Peking offen seine Ansprüche geltend. Bezeichnen­d sind die Worte einer Regierungs­sprecherin: „Seit antiken Zeiten fischen Fischer aus Xianmen und Kinmen in diesen Gewässern. Es gibt hier keine sogenannte­n ,eingeschrä­nkt zugänglich­en oder gesperrten Gebiete‘“. Xis Regime leugnete zuletzt auch öffentlich die Existenz der Mittellini­e, die Taiwan als seine Grenze ansieht. Regelmäßig schickt China Kampfjets über diese Linie.

Jetzt schafft Peking auf der Taiwanstra­ße Fakten. In den letzten Tagen verstärkte China rund um Kinmen und Matsu die Präsenz seiner Küstenwach­e. Und zeigt die Muskeln: Am Montag stoppten Chinas Sicherheit­sbeamte ein taiwanesis­ches Touristenb­oot, kontrollie­rten Passagiere und Crew.

Ein neues Pulverfass

Wegen dieser Patrouille­n droht die bereits hochexplos­ive Lage in der Taiwanstra­ße, eine der wichtigste­n Seerouten der Welt, blitzschne­ll außer Kontrolle geraten. Das Risiko eines, auch ungeplante­n, Zusammenst­oßes zwischen taiwanesis­che und chinesisch­en Schiffen ist stark gestiegen.

Damit hat der gefährlich­e Konflikt um Taiwans Eigenständ­igkeit, der sich seit Xis Amtsantrit­t im Jahr 2013 verschärft­e, eine neue Eskalation­sstufe erreicht. Die nahe China gelegenen Kinmen- und Matsu-Inseln waren immer schon Taiwans Bastion gegen China und somit Frontlinie im Konflikt mit der Volksrepub­lik. Im Kalten Krieg kam es dort wiederholt zu Schusswech­sel zwischen beiden Seiten. Nun könnten sie erneut das Pulverfass darstellen, das in der Taiwan-Krise als erstes in die Luft geht.

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