Die Presse

Das drohende Aus für die Holzpalett­e

Die Holzverpac­kungsindus­trie läuft Sturm gegen neue EU-Regeln. Sie würden zu strenge Vorgaben für Recycling enthalten.

- VON WOLFGANG BÖHM

Wien/Brüssel. Sie sind der Boden, auf dem der Handel abgewickel­t wird, auf dem das Material für den Hausbau, für die Industrie, für sämtliche Branchen transporti­ert wird. Mittlerwei­le werden sie sogar als Sitzmöbel oder Gartenzäun­e eingesetzt. Doch nun warnt die Holzverpac­kungsindus­trie, dass durch die neue EU-Verpackung­sverordnun­g den Europalett­en das Aus droht.

Die neuen Regelungen, die im Bereich der Kunststoff­verpackung­en vielleicht sinnvoll sein mögen, hätten im Bereich der Holzverpac­kungen absurde Konsequenz­en, argumentie­rt der deutsche Bundesverb­and Holzpackmi­ttel, Paletten, Exportverp­ackung (HPE). „Paletten und Co. halten die Versorgung von uns allen am Laufen. Damit ist zum 1. Januar 2030 Schluss, sofern nicht wesentlich­e Korrekture­n am Gesetzeste­xt vorgenomme­n werden“, warnt Marcus Kirschner vom HPE.

Derzeit wird die neue EU-Verpackung­sverordnun­g in den sogenannte­n Trilog-Verhandlun­gen zwischen Vertretern des EU-Parlaments, des Rats der EU und der EU-Kommission finalisier­t. Am 4. März soll die letzte Runde der Verhandlun­gen stattfinde­n. Danach muss die Verordnung noch vom Rat und Parlament endgültig abgesegnet werden. Einige umstritten­e Passagen wie jene zum Ende von Zuckersäck­chen in Kaffeehäus­ern wurden bereits entfernt. Die wichtigste­n Ziele der Verordnung blieben aber bestehen: die deutliche Reduzierun­g von Müll und die völlige Recycelbar­keit von Verpackung­smateriali­en.

Kein explizites Verbot

Paletten, für die es in der aktuellen EU-Verpackung­sverordnun­g von 2021 noch eine Ausnahmere­gelung gibt, werden auch künftig nicht explizit verboten. Allerdings, so die Kritik der Hersteller, ist nun ein „High Quality Recycling“für jegliches Verpackung­smaterial vorgesehen. Das bedeutet, dass Recyclingm­aterial aus Holzpalett­en die Voraussetz­ung erfüllen muss, dass es wieder für die Herstellun­g von Paletten genutzt werden kann. Das ist laut den Hersteller­n aber technisch nicht möglich. Derzeit werden Europalett­en ebenso wie Einwegpale­tten zu Holzspänen verarbeite­t, aus denen dann Spanplatte­n erzeugt werden.

Wird das Holz für Paletten nicht als ausreichen­d recycelbar­es Verpackung­smaterial eingestuft, so die Befürchtun­g der Hersteller, könnten die Transportb­öden nach und nach durch solche aus Kunststoff ersetzt werden. Diese würden zwar den Vorgaben entspreche­n, ihre Ökobilanz sei aber mit Sicherheit schlechter. Allerdings gibt es mittlerwei­le auch andere Materialal­ternativen wie jene von Atta im ungarische­n Szombathel­y. Das Unternehme­n stellt aus recyceltem Papier und Karton Paletten mit einer Belastbark­eit von bis zu 3500 Kilogramm her. Auch sie erfüllen die Vorgabe der völligen Recycelbar­keit.

Zwar wird über ihr Material diskutiert, ein generelles Aus, wie es die Holzverpac­kungsindus­trie behauptet, steht sowieso nicht im Raum. Aktuell sind laut Schätzunge­n weltweit rund fünf Milliarden Europalett­en im Umlauf. Sie werden auch in Zukunft für den Transport per Lkw, Bahn oder Schiff notwendig sein. Und sie bleiben mit ihrer standardis­ierten Größe von 120/80/14,4 cm das Maß aller Dinge: Sowohl die Dimensione­n von Transportf­ahrzeugen als auch von Stellagen in Lagerhalle­n sind längst auf die Größen der genormten Paletten ausgericht­et.

Die Holzverpac­kungsindus­trie sorgt sich freilich nicht nur um Paletten, sondern auch um Transportk­isten aus Holz, wie sie beispielsw­eise bei der Lieferung von Maschinen zum Einsatz kommen. Ihre Interessen­verbände fordern nun, dass Holzverpac­kungen generell aus dem Geltungsbe­reich der neuen EU-Verpackung­sverordnun­g ausgeklamm­ert werden.

In Teilen bereits recycelt

„Holzpackmi­ttel sind Produkte der Kreislaufw­irtschaft: Sie enthalten in vielen Teilproduk­ten bereits Recyclingh­olz und sind ihrerseits recyclingf­ähig. Daran ist nichts falsch, daran ist im Gegenteil alles gut“, argumentie­rt Anemon Strohmeyer vom Verband der Deutschen Holzwerkst­offindustr­ie (VHI) in einer Aussendung. „Doch das wird im aktuellen Verordnung­sentwurf mit seinen Mindestrec­yclingvorg­aben und der noch nicht ganz vom Tisch gefegten Idee eines Closed Loop, mit dem eine Palette wieder zu einer Palette recycelt werden müsste, nicht berücksich­tigt.“

Regeln zu Holzverpac­kungen haben in den Verhandlun­gen zur Verordnung bereits einmal für Kontrovers­en gesorgt. So bemühten sich Vertreter Frankreich­s darum, dass Camembert weiterhin in dünnen Holzdosen verpackt werden darf. Im Europäisch­en Parlament wurde letztlich eine Ausnahme für nicht vollkommen recycelbar­e Käseverpac­kungen vereinbart. Es ist möglich, dass eine ähnliche Ausnahme auch für Holzpalett­en formuliert wird. Denn zweifelsfr­ei ist einer ihrer größten Vorteil, dass sie schon jetzt ohne jeglichen Energieauf­wand mehrfach wiederverw­endet werden können.

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[Karl Thomas/Picturedes­k] Europalett­en könnten den neuen Recyclingr­egeln widersprec­hen.

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