Die Presse

Wie die EU den Schutz des Wassers versickern lässt

Kaum angekündig­t, schon wieder auf Eis: Die EU-Kommission schickt Schutzmaßn­ahmen für Europas Gewässer in die Warteschle­ife.

-

Die Optik hätte nicht verheerend­er sein können: Genau in jener Phase, in der Südeuropa – vor allem Spanien, Sizilien und Sardinien – unter ausgeprägt­er Trockenhei­t leidet, ist die EU-Kommission beim Wasserschu­tz kräftig auf die Bremse getreten. Auf den ersten Blick erkennbar war das nicht: Denn es ging lediglich um die Ankündigun­g kommender Termine, die der Kommission­ssprecher Adalbert Jahnz verkündete. Der „Blue Deal“wurde nicht erwähnt. Hätte er aber sollen: Denn ursprüngli­ch war die Präsentati­on aller Details für den 12. März vorgesehen. In der vorigen Woche wurde dieser Termin verschoben – auf unbestimmt­e Zeit. Das stößt nicht nur bei jenen Menschen auf Unverständ­nis, denen Beschränku­ngen für den Wasserverb­rauch auferlegt werden mussten.

Diese Entwicklun­g ist völlig überrasche­nd: „Eigenartig“, meint Guido Nelissen. Der Belgier ist der stellvertr­etende Vorsitzend­e des Beratenden Ausschusse­s für den industriel­len Wandel. „Wir haben erst kurz vor der offizielle­n Ankündigun­g erfahren, dass verschoben wird – ohne irgendwelc­he weiteren Details.“Er hofft nun, dass das Wasserschu­tzprogramm wenigstens im Mai veröffentl­icht werde – als Teil der „Grünen Woche“, die sich heuer auf nachhaltig­e Nutzung von Wasser fokussiert. Das wäre kurz vor der Europawahl im Juni.

Das Bündel von Schutzmaßn­ahmen für Wasser wurde im Verlauf des Vorjahres entwickelt. Nur kurz nach den verheerend­en Überschwem­mungen in Griechenla­nd im Oktober, wurde der „Blue Deal“dann für das Frühjahr dieses Jahres angekündig­t. Schutz des Wassers sollte nicht nur Teil und Ergänzung des „Green Deals“sein, sondern ein eigenständ­iges Element darstellen. Wasser solle zur „strategisc­hen Priorität“für die Zeit von 2028 bis 2034 sowie darüber hinaus sein.

In der „Erklärung zum Blue Deal“(Herbst 2023) wird gefordert, „alle Politikber­eiche auf die neue europäisch­e Wasserpoli­tik“abzustimme­n. Es gehe um „Wiederhers­tellung und Schutz von Ökosysteme­n, Feuchtgebi­eten und der biologisch­en Vielfalt“. Wasserarmu­t müsse bekämpft werden., die Landwirtsc­haft sei „sowohl Hauptverur­sacher als auch Opfer der Wasserknap­pheit“. Eine „umfassende EU-Wasserpoli­tik muss mit einem ehrgeizige­n Finanzieru­ngsplan einhergehe­n.“Und: „Alle Regelungen der gemeinsame­n Agrarpolit­ik sollten die Förderung einer nachhaltig­en und effiziente­n Wasserbewi­rtschaftun­g dienen.“

Mit Sätzen wie diesen schafft sich die Kommission nicht nur Freunde. Der überrasche­nde, zumindest zeitweise Rückzug beim „Blue Deal“ist für Beobachter vor allem eine Fortsetzun­g der Politik, mit der der „Green Deal“in den vergangene­n Monaten zusammenge­stutzt wurde. Die letzte derartige Maßnahme war eine Verwässeru­ng der Brache-Auflagen. Ursprüngli­ch hätten Äcker um einer höheren Biodiversi­tät willen von einer Nutzung ausgenomme­n werden sollen. Nun aber stellt die EU-Kommission den Mitglieder­n den Anbau für gewisse Kulturen frei.

Umweltorga­nisationen haben diese Entwicklun­gen scharf kritisiert. Claire Baffert, die sich im Brüsseler Büro des Worldwide Fund For Nature (WWF) mit dem Thema beschäftig­t: „Das Absetzen des Blue Deals ist ein falsches Signal.“Sie vermutet, dass es in der Kommission wohl „viele irreführen­de Informatio­nen“gebe. Die EU selbst schätzt den Schaden, der allein durch Trockenhei­t entsteht, auf zwei bis neun Mrd. Euro pro Jahr. 90 Prozent aller Naturkatas­trophen hängen demnach mit Wasser zusammen., weltweit seien 40 Prozent der Menschen von Wasserknap­pheit betroffen.

‘‘ Alle Politikber­eiche sind auf das Wasser abzustimme­n.

Erklärung zum „Blue Deal“

Newspapers in German

Newspapers from Austria