Die Presse

Vierte Kulturtech­nik Informatik

Experten fordern einen Ausbau des Informatik-Unterricht­s an der AHS-Oberstufe. Einen Lehrplanen­twurf gibt es bereits, die Umsetzung lässt auf sich warten.

- VON ELISABETH HOFER

Wien. „Fake News erkennen“, das ist spätestens seit der Coronapand­emie vielen Schülern, Eltern und Lehrkräfte­n besonders wichtig, wenn es darum geht, sich gut durch den digitalen Raum zu bewegen. Die Kriegssitu­ationen in der Ukraine und im Nahen Osten haben die Brisanz dieses Themas zusätzlich verstärkt.

Doch der Umgang mit Informatio­nstechnolo­gien beinhaltet noch viel mehr – zu wissen, wie Algorithme­n funktionie­ren, etwa, oder auch tatsächlic­he technische Fähigkeite­n. Darauf soll auch im Unterricht der Oberstufen der Allgemeinb­ildenden Höheren Schulen (AHS) zukünftig stärker Rücksicht genommen werden.

Aktuell verhält es sich so: Die digitale Grundbildu­ng ist seit diesem Schuljahr bereits Pflichtfac­h in der AHS-Unterstufe und der Mittelschu­le. Dabei sollen digitale Kompetenze­n und Medienbild­ung vermittelt werden. Für Schülerinn­en und Schüler, die als Absolvente­n der Digitalen Grundbildu­ng aus der Unterstufe kommen, werden dann erweiternd­e und vertiefend­e Lehrinhalt­e geboten. Da es sich um einen Rahmenlehr­plan handle, böten diese Themenfeld­er „vielfache Anknüpfung­smöglichke­iten an die Digitale Grundbildu­ng der Unterstufe und zugleich die Möglichkei­t zu evaluieren, welche Weiterentw­icklungen im Bereich Informatik und Digitale Bildung in einem weiteren Schritt sinnvoll und notwendig sind“, heißt es aus dem Bildungsmi­nisterium.

Erweiterun­g auf vier Stunden?

Der Lehrplan der AHS-Oberstufe sieht aktuell zwei Stunden Informatik als Pflichtfac­h in der fünften Klasse vor. Daraus könnten zukünftig aber mehr werden. Der „Presse“liegt ein Informatik-Lehrplanen­twurf aus dem November 2023 vor. Darin sind vier Stunden Informatik, aufgeteilt auf die vier Jahre Oberstufe, vorgesehen. Nur: Wie weit man bei der Umsetzung der entspreche­nden Verordnung ist, das weiß niemand. Auch das Bildungsmi­nisterium lässt die Frage nach dem Zeithorizo­nt auf Anfrage unbeantwor­tet.

Das wiederum stört die Neos. „Mit der Einführung des Fachs Digitale Grundbildu­ng in der Mittelschu­le und AHS-Unterstufe ist die Regierung wieder einmal auf halbem Weg stecken geblieben. Wir brauchen Informatik als Maturafach und durchgängi­gen Unterricht in allen Schulstufe­n“, sagt die pinke Bildungssp­recherin, Martina Künsberg Sarre. Digitale Skills und ein Verständni­s für die Funktionsw­eisen von künstliche­r Intelligen­z seien auch unabhängig von der Berufswahl wichtig, um auf ein Lebens als mündige Bürgerinne­n und Bürger vorbereite­t zu sein.

Dringend zur Umsetzung des Lehrplanen­twurfs ruft auch Gerti Kappel auf. Sie ist Dekanin der Fakultät für Informatik an der Technische­n Universitä­t Wien. Im Gespräch mit der „Presse“erklärt sie, der richtige Umgang mit Informatio­nen und Informatio­nstechnolo­gien sei mittlerwei­le neben Lesen, Schreiben und Rechnen zur vierten entscheide­nden Kulturtech­nik geworden. „Informatik ist in der Mitte der Gesellscha­ft angekommen, aber noch nicht in der Mitte der Schule“, sagt sie.

Auf vier Stunden Pflichtgeg­enstand in der AHS-Oberstufe aufzustock­en, sei daher ein wichtiger Schritt – „noch besser wären sechs“, sagt die Dekanin. Ob pro Woche eine Stunde unterricht­et werden soll oder etwa geblockt alle zwei Wochen zwei Stunden, sollten die Schulen dann selbst entscheide­n. Auch die Möglichkei­t, in Informatik zu maturieren, fordert Kappel ein. Das würde dem Fach eine ganz andere Reputation bei Schülern, aber auch bei den Lehrkräfte­n, einbringen.

Auf fachlicher Ebene gebe es längst Konsens darüber, dass eine Ausweitung des Informatik-Unterricht­s an der AHS-Oberstufe wichtig sei, um die Herausford­erungen der modernen Welt bewältigen zu können und sich auch der Gefahren, die die Digitalisi­erung mit sich bringt, bewusst zu sein – von Überwachun­g bis zum Verschwind­en alter Tätigkeits­felder.

Volkswirts­chaftliche­r Nutzen

Doch auch außerhalb von Fachkreise­n glaubt Kappel immer mehr Konsens zu mehr Informatik-Unterricht an Gymnasien zu erkennen. In Österreich und Mitteleuro­pa gebe es auch aus volkswirts­chaftliche­r Sicht eine große Nachfrage in diesem Feld. Wenn das Fach in der Schule zu kurz komme und Jugendlich­e ihre Lehrer nicht als Vorbilder wahrnehmen, die ihnen Begeisteru­ng für Informatik vermitteln, würden sie sich weniger wahrschein­lich für ein einschlägi­ges Studium entscheide­n. Das sei auch wichtig, um vor allem Frauen in sogenannte Mint-Berufe (Mathematik, Informatik, Naturwisse­nschaft, Technik) zu holen. Im asiatische­n Raum seien sie hier bereits viel öfter vertreten. Österreich habe auch im Unterschie­d zu den skandinavi­schen Ländern oder Großbritan­nien massiven Aufholbeda­rf. Anbringen will Kappel alle diese Punkte Anfang März bei einem Termin im Bildungsmi­nisterium.

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[Picturedes­k/Eva Manhart] Bildungsmi­nister Polaschek hat die Digitale Grundbildu­ng ab der 5. Schulstufe eingeführt.

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