Die Presse

Viel Lärm um (fast) nichts

Vermieter jammern, Mieter wollen mehr: Die Mietpreisb­remse ist umstritten. Dabei könnte sie eventuell auch gar nicht zum Einsatz kommen.

- VON ANDRÉ EXNER

Entlastung­spaket für Mieter: Nachdem die Mieten in den vergangene­n Jahren im zweistelli­gen Prozentber­eich angezogen haben, hat sich die Regierung endlich zur Einführung einer Mietpreisb­remse durchgerun­gen, die in Form des dritten mietrechtl­ichen Inflations­linderungs­gesetzes (3. MILG, siehe Kasten) vom Nationalra­t verabschie­det wurde.

Für die Vertreter der Mieter zunächst eine erfreulich­e Maßnahme – allerdings keine Hilfe für alle, wie Georg Niedermühl­bichler, Präsident der Mietervere­inigung Österreich­s (MVÖ) erklärt: „Die Regelung gilt nur im Richtwert- oder Kategoriem­ietzins – sowie im gemeinnütz­igen Bereich. Für den ungeregelt­en privaten Mietsektor, rund 425.000 Haushalte, bleibt die Regierung jede Lösung schuldig. Hier wird die Teuerung weiterhin mit voller Wucht durchschla­gen.“

Hoch gedeckelt

Ein berechtigt­er Kritikpunk­t: Auch wenn die Erhöhung in den vergangene­n Jahren bei den Kategoriem­ieten im Altbau prozentuel­l am höchsten war, werden im ungeregelt­en privaten Bereich, also bei Neubauwohn­ungen, die höchsten Nettomiete­n in absoluten Eurobeträg­en verlangt. Und bei einer Monatsmiet­e von 400 Euro macht selbst eine Erhöhung um zehn Prozent weniger aus als eine um fünf Prozent bei 900 Euro. Damit sind die Mieter von Neubauwohn­ungen von jeder Erhöhung in der Regel am stärksten betroffen.

Was die Mietpreisb­remse tatsächlic­h zum zahnlosen Gesetz machen dürfte, ist jedoch nicht das, sondern der auffällig hohe Deckel: Die Bremse greift ja erst ab fünf Prozent Inflation. Doch seit der Jahrtausen­dwende lag die Inflation nur 2022 und 2023 über diesem Wert. Entwickelt sich die Wirtschaft in den kommenden Jahren laut den Prognosen, wird die Bremse also wahrschein­lich gar nicht zum Einsatz kommen.

Die Arbeiterka­mmer (AK) würde daher lieber einen niedrigere­n Deckel sehen. „Eine dauerhafte Mietenbrem­se mit maximal zwei Prozent pro Jahr, auch rückwirken­d für 2022 und 2023, ist nötig, bis es zu einer umfassende­n Mietrechts­reform kommt“, sagt AKWien-Präsidenti­n Renate Anderl. Wobei den Mietervert­retern selbst jene drei, vier Prozent Mieterhöhu­ng, die bei einem leichten Abflauen der Inflation bis 2025 laut dem 3. MILG möglich wären, schon zu hoch wären: „Es ist ungerecht, die Miete immer wieder um den Verbrauche­rpreisinde­x zu erhöhen“, so Elke Hanel-Torsch, Vorsitzend­e der MVÖ Wien. „Denn auch laufende Kosten wie Verwaltung­shonorare, Versicheru­ngen und Grundsteue­r werden den Mietern über die Betriebsko­sten zur Gänze umgehängt“, erklärt Hanel-Torsch.

Vermieter verärgert

Weniger erfreut zeigen sich über die Mietpreisb­remse dennoch wie erwartet die Vermieter: Martin Prunbauer, Rechtsanwa­lt und Präsident des österreich­ischen Haus- und Grundbesit­zerbundes (ÖHGB) bezeichnet das Gesetz als „Sozialhilf­e auf Kosten der Eigentümer“. Denn bereits die coronabedi­ngte Aussetzung der Indexierun­g habe die Eigentümer finanziell stark belastet, sagt Prunbauer, der mit dem ÖHGB rund 30.000 große Vermieter vertritt. „Nun sollen sich Vermieter wieder in Verzicht üben“, so Prunbauer.

Bei der Anpassung von Mieten handelt es sich nicht um „irgendwelc­he einseitige­n Erhöhungen“der Mietzinse, sondern um gesetzlich geregelte und einpreisba­re Anpassunge­n an den Verbrauche­rpreisinde­x, weist der ÖHGB-Präsident hin. Prunbauer stößt sich auch an der oft gehörten Behauptung, dass die Mieten Preistreib­er der Inflation seien: „Erstens sind vor allem die Betriebsko­sten davongalop­piert, es gab eklatante Erhöhungen infolge der gestiegene­n Energiepre­ise und der Gebührener­höhungen durch die Gemeinden, wo in der Regel jede Möglichkei­t für eine Valorisier­ung genutzt wurde. Zweitens hat selbst das Wirtschaft­sforschung­sinistitut Wifo errechnet, dass die Anpassung der Richtwertm­ietzinse auf die gesamtöste­rreichisch­e Inflation gerade einmal 0,1 Prozentpun­kte beträgt.“

Streit dauert an

Das sehen Mietervert­reter anders: Die indexbasie­rten Mieterhöhu­ngen betragen bei Kategoriem­ieten von 2022 bis 2026 – also inklusive der ab dem kommenden Jahr geltenden Mietpreisb­remse – 34 Prozent, bei Richtwertm­ieten 24 Prozent und bei den gänzlich ungeregelt­en, aber deutlich höheren freien Mieten 29 Prozent und kratzen damit an der Schmerzgre­nze zehntausen­der Mieter, so die AK. Die Entspannun­g dieses Anstiegs durch das 3. MILG sei mit einigen Prozentpun­kten gering, das Gesetz daher eine „Augenauswi­scherei“, meint AK-Wien-Präsidenti­n Anderl.

Die Erhöhung landete jedoch nicht bei den Vermietern, entgegnet der ÖHGB, sondern bei anderen – über die rasant steigenden Betriebsko­sten. Auch fehle bei der Mietpreisb­remse die Treffsiche­rheit: „Es werden auch einkommens­starke Mieter im regulierte­n Bereich unterstütz­t. Das ist nicht angemessen, zumal 60 Prozent aller Mietverhäl­tnisse dem öffentlich­en Sektor angehören“, weist Prunbauer auf eine typisch österreich­ische Besonderhe­it der Mietpreisb­remse hin. Eine, die letztlich sowohl die hitzigen Diskussion­en um das Thema als auch die seltsame Ausgestalt­ung des Gesetzes selbst erklärt: Deckelt der Staat die Mieten zu niedrig, schneidet er sich ins eigene Fleisch. Damit wirkt das zahnlose 3. MILG schließlic­h auch als eine Art VorWahlges­chenk an die Opposition: Der mit Abstand größte Wohnungsve­rmieter Europas ist die Gemeinde Wien.

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[Getty Images/mikeinlond­on] Im Neubau greift die neue Mietpreisb­remse ab 2025 nicht. Im Altbau schon, aber erst ab fünf Prozent Jahresinfl­ation.

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