Viel Lärm um (fast) nichts
Vermieter jammern, Mieter wollen mehr: Die Mietpreisbremse ist umstritten. Dabei könnte sie eventuell auch gar nicht zum Einsatz kommen.
Entlastungspaket für Mieter: Nachdem die Mieten in den vergangenen Jahren im zweistelligen Prozentbereich angezogen haben, hat sich die Regierung endlich zur Einführung einer Mietpreisbremse durchgerungen, die in Form des dritten mietrechtlichen Inflationslinderungsgesetzes (3. MILG, siehe Kasten) vom Nationalrat verabschiedet wurde.
Für die Vertreter der Mieter zunächst eine erfreuliche Maßnahme – allerdings keine Hilfe für alle, wie Georg Niedermühlbichler, Präsident der Mietervereinigung Österreichs (MVÖ) erklärt: „Die Regelung gilt nur im Richtwert- oder Kategoriemietzins – sowie im gemeinnützigen Bereich. Für den ungeregelten privaten Mietsektor, rund 425.000 Haushalte, bleibt die Regierung jede Lösung schuldig. Hier wird die Teuerung weiterhin mit voller Wucht durchschlagen.“
Hoch gedeckelt
Ein berechtigter Kritikpunkt: Auch wenn die Erhöhung in den vergangenen Jahren bei den Kategoriemieten im Altbau prozentuell am höchsten war, werden im ungeregelten privaten Bereich, also bei Neubauwohnungen, die höchsten Nettomieten in absoluten Eurobeträgen verlangt. Und bei einer Monatsmiete von 400 Euro macht selbst eine Erhöhung um zehn Prozent weniger aus als eine um fünf Prozent bei 900 Euro. Damit sind die Mieter von Neubauwohnungen von jeder Erhöhung in der Regel am stärksten betroffen.
Was die Mietpreisbremse tatsächlich zum zahnlosen Gesetz machen dürfte, ist jedoch nicht das, sondern der auffällig hohe Deckel: Die Bremse greift ja erst ab fünf Prozent Inflation. Doch seit der Jahrtausendwende lag die Inflation nur 2022 und 2023 über diesem Wert. Entwickelt sich die Wirtschaft in den kommenden Jahren laut den Prognosen, wird die Bremse also wahrscheinlich gar nicht zum Einsatz kommen.
Die Arbeiterkammer (AK) würde daher lieber einen niedrigeren Deckel sehen. „Eine dauerhafte Mietenbremse mit maximal zwei Prozent pro Jahr, auch rückwirkend für 2022 und 2023, ist nötig, bis es zu einer umfassenden Mietrechtsreform kommt“, sagt AKWien-Präsidentin Renate Anderl. Wobei den Mietervertretern selbst jene drei, vier Prozent Mieterhöhung, die bei einem leichten Abflauen der Inflation bis 2025 laut dem 3. MILG möglich wären, schon zu hoch wären: „Es ist ungerecht, die Miete immer wieder um den Verbraucherpreisindex zu erhöhen“, so Elke Hanel-Torsch, Vorsitzende der MVÖ Wien. „Denn auch laufende Kosten wie Verwaltungshonorare, Versicherungen und Grundsteuer werden den Mietern über die Betriebskosten zur Gänze umgehängt“, erklärt Hanel-Torsch.
Vermieter verärgert
Weniger erfreut zeigen sich über die Mietpreisbremse dennoch wie erwartet die Vermieter: Martin Prunbauer, Rechtsanwalt und Präsident des österreichischen Haus- und Grundbesitzerbundes (ÖHGB) bezeichnet das Gesetz als „Sozialhilfe auf Kosten der Eigentümer“. Denn bereits die coronabedingte Aussetzung der Indexierung habe die Eigentümer finanziell stark belastet, sagt Prunbauer, der mit dem ÖHGB rund 30.000 große Vermieter vertritt. „Nun sollen sich Vermieter wieder in Verzicht üben“, so Prunbauer.
Bei der Anpassung von Mieten handelt es sich nicht um „irgendwelche einseitigen Erhöhungen“der Mietzinse, sondern um gesetzlich geregelte und einpreisbare Anpassungen an den Verbraucherpreisindex, weist der ÖHGB-Präsident hin. Prunbauer stößt sich auch an der oft gehörten Behauptung, dass die Mieten Preistreiber der Inflation seien: „Erstens sind vor allem die Betriebskosten davongaloppiert, es gab eklatante Erhöhungen infolge der gestiegenen Energiepreise und der Gebührenerhöhungen durch die Gemeinden, wo in der Regel jede Möglichkeit für eine Valorisierung genutzt wurde. Zweitens hat selbst das Wirtschaftsforschungsinistitut Wifo errechnet, dass die Anpassung der Richtwertmietzinse auf die gesamtösterreichische Inflation gerade einmal 0,1 Prozentpunkte beträgt.“
Streit dauert an
Das sehen Mietervertreter anders: Die indexbasierten Mieterhöhungen betragen bei Kategoriemieten von 2022 bis 2026 – also inklusive der ab dem kommenden Jahr geltenden Mietpreisbremse – 34 Prozent, bei Richtwertmieten 24 Prozent und bei den gänzlich ungeregelten, aber deutlich höheren freien Mieten 29 Prozent und kratzen damit an der Schmerzgrenze zehntausender Mieter, so die AK. Die Entspannung dieses Anstiegs durch das 3. MILG sei mit einigen Prozentpunkten gering, das Gesetz daher eine „Augenauswischerei“, meint AK-Wien-Präsidentin Anderl.
Die Erhöhung landete jedoch nicht bei den Vermietern, entgegnet der ÖHGB, sondern bei anderen – über die rasant steigenden Betriebskosten. Auch fehle bei der Mietpreisbremse die Treffsicherheit: „Es werden auch einkommensstarke Mieter im regulierten Bereich unterstützt. Das ist nicht angemessen, zumal 60 Prozent aller Mietverhältnisse dem öffentlichen Sektor angehören“, weist Prunbauer auf eine typisch österreichische Besonderheit der Mietpreisbremse hin. Eine, die letztlich sowohl die hitzigen Diskussionen um das Thema als auch die seltsame Ausgestaltung des Gesetzes selbst erklärt: Deckelt der Staat die Mieten zu niedrig, schneidet er sich ins eigene Fleisch. Damit wirkt das zahnlose 3. MILG schließlich auch als eine Art VorWahlgeschenk an die Opposition: Der mit Abstand größte Wohnungsvermieter Europas ist die Gemeinde Wien.