Das lange Hoffen auf die Trendwende
Die Immobilienwirtschaft hat den Rückwärtsgang eingelegt. Steuerliche und rechtliche Vereinfachungen könnten das ändern.
Die Bauwirtschaft schlägt Alarm: Die Hauspreise sind 2023 im Jahresvergleich um zwölf Prozent gefallen, der bei weitem stärkste Rückgang seit Beginn der Aufzeichnungen in den 1970er-Jahren – unter Berücksichtigung der Inflation betrug der Rückgang knapp 20 Prozent. Die Aktivität im Immobiliensektor ist so niedrig wie seit der großen Rezession 2008 nicht mehr: Das Investmentvolumen hat sich mehr als halbiert, die Beschäftigung sinkt.
Die Rede ist von Deutschland – aber auch in Österreich ist es nur mehr eine Frage von Monaten, bevor solche Horrorzahlen die Runde machen, warnt die Immobilienbranche einstimmig. Um die Politik zum Handeln zu bewegen, haben 18 führende Unternehmen und Institutionen der Bauwirtschaft und der Baustoffindustrie von Zementputzhersteller Baumit über Fensterproduzent Internorm bis zum Ziegel-Weltmarktführer Wienerberger die Initiative „Mehr Zuhaus’ in Österreich!“gegründet und einen Forderungskatalog ausgearbeitet. Denn es drohen massive Auftragseinbrüche und eine beispiellose Wohnungsnot, wie Torsten Kreft, Geschäftsleiter von hagebau Österreich, warnt: „Die Politik hat mit zu strengen Kreditvergaberichtlinien, überbordender Bürokratie und völlig verfehlten Fördersystemen maßgeblich zu dieser Situation beigetragen. Das muss jetzt korrigiert werden, sonst können wir den drohenden Wohnungsrückstand nicht mehr aufholen.“
Alarmierende Zahlen
In der Tat ist die Prognose alarmierend, so auch Robert Jägersberger, Bundesinnungsmeister der Bundesinnung Bau in der Wirtschaftskammer Österreich. Wurde 2019 noch der Bau von 69.900 Wohneinheiten im Neubau bewilligt, hat sich diese Zahl bis 2023 kontinuierlich in etwa halbiert. Heuer werden nur mehr rund 30.000 Baubewilligungen erwartet, nach dem besonders schwachen Jänner droht jedoch bereits ein Einbruch auf nur mehr rund 20.000.
„Die Ankündigungen der Bundesregierung sind grundsätzlich zu begrüßen, denn sie zeigen zumindest ein Problembewusstsein“, so der Bundesinnungsmeister. „Allerdings treffen diese Ideen nicht den Kern des Problems, nämlich die ausbleibende Baunachfrage. Um diese zu stabilisieren, braucht es zielgerichtete Maßnahmen.“Ohne politisches Gegensteuern seien zehntausende Jobs in Gefahr, warnt Jägersberger: Inklusive Bau und Dienstleistern hängt rund jeder zehnte Job in Österreich an der Immobilienwirtschaft.
Denn die meisten Neubauwohnungen wurden in den vergangenen Jahren nicht von Eigennutzern, sondern von institutionellen und privaten Investoren zur Vermietung gekauft. Und diese sind aufgrund der gestiegenen Zinsen vom Markt praktisch verschwunden. Zahlreiche Bauträger haben bereits fix geplante Projekte verschoben oder auf unbestimmte Zeit ausgesetzt – so hat Österreichs größter Bauträger Buwog bereits 2023 alle Neubauprojekte auf Eis gelegt und wird auch heuer keinen Spaten setzen.
Bauordnung entrümpeln
Die Flaute am Bau sollte nicht zum Dauerzustand werden: Die Initiative „Mehr Zuhaus’ in Österreich!“fordert daher rechtliche Vereinfachungen wie eine Entrümpelung der Bauordnung: Die vielen Paragrafen machen die Entwicklung neuer Projekte zum bürokratischen Hürdenlauf. So brauche es schnellere Bauverfahren und Flächenumwidmungen, ebenso sollte die Aufstockung bestehender Gebäude erleichtert werden; das würde auch dem Problem der Bodenversiegelung entgegenwirken. Weitere Forderungen sind Steuererleichterungen, das „Comeback“der Zweckbindung der Wohnbauförderung inklusive einer Aufstockung der Mittel um eine halbe Milliarde Euro – und vor allem, wie inzwischen von der gesamten Immobilienwirtschaft gefordert, eine baldige Entschärfung der strengen Kreditvergaberichtlinien der KIM-V. „Die Kreditvergaberichtlinien der Finanzmarktaufsicht gehen an der Einkommensrealität der österreichischen Familien und am Wohnungsmarkt vollkommen vorbei“, findet Georg Bursik, Geschäftsführer von Baumit Österreich. „Es kann nicht sein, dass die kleinen Häuslbauer die Rechnung für Fehler in der Zins- und Förderpolitik und für Großinsolvenzen bezahlen.“
Kaum Transaktionen
Tatsächlich verzerren die weitreichenden Folgen von Milliardenpleiten die Zahlen zum bereits notleidenden Immobilieninvestmentmarkt sogar zum Besseren. So steckten institutionelle Anleger im Vorjahr laut Zahlen des Immobiliendiestleisters CBRE im Vorjahr zwar rund 2,8 Milliarden Euro in österreichische Objekte, um die Hälfte weniger als 2022. Bereinigt um große Notverkäufe aus dem Signa-Portfolio wäre das Volumen aber weit unter zwei Milliarden Euro geblieben. Auch heuer fallen die Transaktionen im Vergleich zum bereits schwachen Vorjahr noch weiter, wie aktuelle Daten der Grundbuchexperten von IMMOunited zeigen. Die meisten Marktteilnehmer warten offenbar auf weitere Preisrückgänge.
Und diese dürften in der Tat kommen: CBRE sieht die „Stabilisierung der Preise und Renditen erst Mitte 2024 erreicht”, wie Schwarz sagt. „Flexibilität ist im aktuellen Marktumfeld das Wichtigste“, rät Dieter Steup, Geschäftsführer des gleichnamigen, auf große Transaktionen spezialisierten Investmentmaklerunternehmens in Wien: „Man sollte den Kopf nicht in den Sand stecken: Es ist besser, die Chancen zu nutzen und jetzt zu kaufen, als auf den Tiefpunkt der Preise zu warten.“Sein Co-Geschäftsführer Thomas Morawek würde es besser finden, wenn nicht alle Marktteilnehmer darauf warten würden, was der andere tut – und dabei darauf hoffen, dass der Mitbewerber in Schieflage gerät und damit die Preise weiter purzeln: „Wir raten, mit dem Immobilienkauf nicht zu lange zu warten, sonst sind die attraktivsten Projekte bereits weg. Auch erwarten wir, dass in Österreich die Talsohle rascher durchschritten wird als beispielsweise in Deutschland.“
Politik ist gefordert
Eine Hoffnung, die sich nur dann erfüllen dürfte, wenn die Politik die Probleme hierzulande erkennt, rasch handelt – und trotz vieler anderweitiger Sorgen, vom Krieg über die Inflation bis zum Wahlkampf, die von der Bauwirtschaft geforderten Maßnahmen von der Steuererleichterung bis zur Mobilisierung der Mittel für den Wohnbau angeht. „Wohnungsbau ist unter den gegebenen Rahmenbedingungen derzeit einfach nicht kostengünstiger möglich. Die teure Finanzierung und die wegen der schwachen Konjunktur unsicheren wirtschaftlichen Perspektiven machen den Kauf oder auch nur die Miete einer Wohnung zudem für viele Menschen zu einer immer größeren Herausforderung“, resümiert Buwog-CEO Daniel Riedl. „Die Politik ist dringend gefordert, die Rahmenbedingungen zu verbessern, um wirksam entgegenzusteuern.“Besser früher als später: Irgendwann muss ja doch wieder gebaut werden. „Im Interesse der Wohnungssuchenden wäre es zu wünschen, dass die Politik dafür sorgt, dass dies besser früher als später der Fall sein wird“, so der Buwog-Chef – auch und gerade in einem Wahljahr.