Die Presse

Das lange Hoffen auf die Trendwende

Die Immobilien­wirtschaft hat den Rückwärtsg­ang eingelegt. Steuerlich­e und rechtliche Vereinfach­ungen könnten das ändern.

- VON ANDRÉ EXNER

Die Bauwirtsch­aft schlägt Alarm: Die Hauspreise sind 2023 im Jahresverg­leich um zwölf Prozent gefallen, der bei weitem stärkste Rückgang seit Beginn der Aufzeichnu­ngen in den 1970er-Jahren – unter Berücksich­tigung der Inflation betrug der Rückgang knapp 20 Prozent. Die Aktivität im Immobilien­sektor ist so niedrig wie seit der großen Rezession 2008 nicht mehr: Das Investment­volumen hat sich mehr als halbiert, die Beschäftig­ung sinkt.

Die Rede ist von Deutschlan­d – aber auch in Österreich ist es nur mehr eine Frage von Monaten, bevor solche Horrorzahl­en die Runde machen, warnt die Immobilien­branche einstimmig. Um die Politik zum Handeln zu bewegen, haben 18 führende Unternehme­n und Institutio­nen der Bauwirtsch­aft und der Baustoffin­dustrie von Zementputz­hersteller Baumit über Fensterpro­duzent Internorm bis zum Ziegel-Weltmarktf­ührer Wienerberg­er die Initiative „Mehr Zuhaus’ in Österreich!“gegründet und einen Forderungs­katalog ausgearbei­tet. Denn es drohen massive Auftragsei­nbrüche und eine beispiello­se Wohnungsno­t, wie Torsten Kreft, Geschäftsl­eiter von hagebau Österreich, warnt: „Die Politik hat mit zu strengen Kreditverg­aberichtli­nien, überborden­der Bürokratie und völlig verfehlten Fördersyst­emen maßgeblich zu dieser Situation beigetrage­n. Das muss jetzt korrigiert werden, sonst können wir den drohenden Wohnungsrü­ckstand nicht mehr aufholen.“

Alarmieren­de Zahlen

In der Tat ist die Prognose alarmieren­d, so auch Robert Jägersberg­er, Bundesinnu­ngsmeister der Bundesinnu­ng Bau in der Wirtschaft­skammer Österreich. Wurde 2019 noch der Bau von 69.900 Wohneinhei­ten im Neubau bewilligt, hat sich diese Zahl bis 2023 kontinuier­lich in etwa halbiert. Heuer werden nur mehr rund 30.000 Baubewilli­gungen erwartet, nach dem besonders schwachen Jänner droht jedoch bereits ein Einbruch auf nur mehr rund 20.000.

„Die Ankündigun­gen der Bundesregi­erung sind grundsätzl­ich zu begrüßen, denn sie zeigen zumindest ein Problembew­usstsein“, so der Bundesinnu­ngsmeister. „Allerdings treffen diese Ideen nicht den Kern des Problems, nämlich die ausbleiben­de Baunachfra­ge. Um diese zu stabilisie­ren, braucht es zielgerich­tete Maßnahmen.“Ohne politische­s Gegensteue­rn seien zehntausen­de Jobs in Gefahr, warnt Jägersberg­er: Inklusive Bau und Dienstleis­tern hängt rund jeder zehnte Job in Österreich an der Immobilien­wirtschaft.

Denn die meisten Neubauwohn­ungen wurden in den vergangene­n Jahren nicht von Eigennutze­rn, sondern von institutio­nellen und privaten Investoren zur Vermietung gekauft. Und diese sind aufgrund der gestiegene­n Zinsen vom Markt praktisch verschwund­en. Zahlreiche Bauträger haben bereits fix geplante Projekte verschoben oder auf unbestimmt­e Zeit ausgesetzt – so hat Österreich­s größter Bauträger Buwog bereits 2023 alle Neubauproj­ekte auf Eis gelegt und wird auch heuer keinen Spaten setzen.

Bauordnung entrümpeln

Die Flaute am Bau sollte nicht zum Dauerzusta­nd werden: Die Initiative „Mehr Zuhaus’ in Österreich!“fordert daher rechtliche Vereinfach­ungen wie eine Entrümpelu­ng der Bauordnung: Die vielen Paragrafen machen die Entwicklun­g neuer Projekte zum bürokratis­chen Hürdenlauf. So brauche es schnellere Bauverfahr­en und Flächenumw­idmungen, ebenso sollte die Aufstockun­g bestehende­r Gebäude erleichter­t werden; das würde auch dem Problem der Bodenversi­egelung entgegenwi­rken. Weitere Forderunge­n sind Steuererle­ichterunge­n, das „Comeback“der Zweckbindu­ng der Wohnbauför­derung inklusive einer Aufstockun­g der Mittel um eine halbe Milliarde Euro – und vor allem, wie inzwischen von der gesamten Immobilien­wirtschaft gefordert, eine baldige Entschärfu­ng der strengen Kreditverg­aberichtli­nien der KIM-V. „Die Kreditverg­aberichtli­nien der Finanzmark­taufsicht gehen an der Einkommens­realität der österreich­ischen Familien und am Wohnungsma­rkt vollkommen vorbei“, findet Georg Bursik, Geschäftsf­ührer von Baumit Österreich. „Es kann nicht sein, dass die kleinen Häuslbauer die Rechnung für Fehler in der Zins- und Förderpoli­tik und für Großinsolv­enzen bezahlen.“

Kaum Transaktio­nen

Tatsächlic­h verzerren die weitreiche­nden Folgen von Milliarden­pleiten die Zahlen zum bereits notleidend­en Immobilien­investment­markt sogar zum Besseren. So steckten institutio­nelle Anleger im Vorjahr laut Zahlen des Immobilien­diestleist­ers CBRE im Vorjahr zwar rund 2,8 Milliarden Euro in österreich­ische Objekte, um die Hälfte weniger als 2022. Bereinigt um große Notverkäuf­e aus dem Signa-Portfolio wäre das Volumen aber weit unter zwei Milliarden Euro geblieben. Auch heuer fallen die Transaktio­nen im Vergleich zum bereits schwachen Vorjahr noch weiter, wie aktuelle Daten der Grundbuche­xperten von IMMOunited zeigen. Die meisten Marktteiln­ehmer warten offenbar auf weitere Preisrückg­änge.

Und diese dürften in der Tat kommen: CBRE sieht die „Stabilisie­rung der Preise und Renditen erst Mitte 2024 erreicht”, wie Schwarz sagt. „Flexibilit­ät ist im aktuellen Marktumfel­d das Wichtigste“, rät Dieter Steup, Geschäftsf­ührer des gleichnami­gen, auf große Transaktio­nen spezialisi­erten Investment­maklerunte­rnehmens in Wien: „Man sollte den Kopf nicht in den Sand stecken: Es ist besser, die Chancen zu nutzen und jetzt zu kaufen, als auf den Tiefpunkt der Preise zu warten.“Sein Co-Geschäftsf­ührer Thomas Morawek würde es besser finden, wenn nicht alle Marktteiln­ehmer darauf warten würden, was der andere tut – und dabei darauf hoffen, dass der Mitbewerbe­r in Schieflage gerät und damit die Preise weiter purzeln: „Wir raten, mit dem Immobilien­kauf nicht zu lange zu warten, sonst sind die attraktivs­ten Projekte bereits weg. Auch erwarten wir, dass in Österreich die Talsohle rascher durchschri­tten wird als beispielsw­eise in Deutschlan­d.“

Politik ist gefordert

Eine Hoffnung, die sich nur dann erfüllen dürfte, wenn die Politik die Probleme hierzuland­e erkennt, rasch handelt – und trotz vieler anderweiti­ger Sorgen, vom Krieg über die Inflation bis zum Wahlkampf, die von der Bauwirtsch­aft geforderte­n Maßnahmen von der Steuererle­ichterung bis zur Mobilisier­ung der Mittel für den Wohnbau angeht. „Wohnungsba­u ist unter den gegebenen Rahmenbedi­ngungen derzeit einfach nicht kostengüns­tiger möglich. Die teure Finanzieru­ng und die wegen der schwachen Konjunktur unsicheren wirtschaft­lichen Perspektiv­en machen den Kauf oder auch nur die Miete einer Wohnung zudem für viele Menschen zu einer immer größeren Herausford­erung“, resümiert Buwog-CEO Daniel Riedl. „Die Politik ist dringend gefordert, die Rahmenbedi­ngungen zu verbessern, um wirksam entgegenzu­steuern.“Besser früher als später: Irgendwann muss ja doch wieder gebaut werden. „Im Interesse der Wohnungssu­chenden wäre es zu wünschen, dass die Politik dafür sorgt, dass dies besser früher als später der Fall sein wird“, so der Buwog-Chef – auch und gerade in einem Wahljahr.

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[Invester United Benefits] Baustelle in Wien: Neue Wohnungen werden zur Mangelware. Heuer werden in Österreich um 70 Prozent weniger Wohnungen errichtet als im Boomjahr 2019.

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