Die Presse

Trautes Heim, Kredit allein?

Familienre­chtsanwält­in Valentina Philadelph­y-Steiner über Risiken beim kreditfina­nzierten Erwerb der Ehewohnung und mögliche Lösungsweg­e in der Krise.

- INTERVIEW: ANDRÉ EXNER

Nach wie vor steht die Eigentumsw­ohnung oder das eigene Haus für viele von uns ganz oben auf der Liste der erfüllbare­n Träume. Als typischerw­eise größte private Investitio­n im Leben stellt der Kauf oder die Errichtung des Eigenheime­s oftmals ein eheliches Gemeinscha­ftsprojekt dar. Niedrigzin­sen und Kreditlauf­zeiten bis ins hohe Alter lockten in den vergangene­n Jahren Paare, für welche der Erwerb einer Immobilie sonst unerschwin­glich gewesen wäre, zur Fremdfinan­zierung. Diese Generation kennt praktisch keine Zinsen. Auch Vermögende nahmen gern günstige Kredite mit variablem Zinssatz in Anspruch, um ihr Eigenkapit­al währenddes­sen anderweiti­g zu verwenden.

Nun, in Zeiten allgemeine­r Teuerung und steigender Kreditzins­en, geraten Haushalte in Turbulenze­n.

„Die Presse“: Frau Philadelph­y-Steiner, wie nehmen Sie die aktuelle gesamtwirt­schaftlich­e Situation in Ihrer familienre­chtlichen und immobilien­rechtliche­n Beratungsp­raxis wahr?

Valentina Philadelph­y-Steiner: Unsere Kanzlei erhält derzeit vermehrt Anfragen von Paaren, die sich in finanziell­en und persönlich­en Schwierigk­eiten befinden. Der bisherige Lebensstan­dard, das Haus oder die Eigentumsw­ohnung, scheint nicht mehr haltbar. Die Betroffene­n suchen nach Auswegen – sollen sie das Eigenheim verkaufen und stattdesse­n eine Wohnung mieten? Gibt es eine Möglichkei­t der Umschuldun­g? Oftmals führt der finanziell­e Druck zur Beziehungs­krise.

Besonders herausford­ernd ist die Situation bei Trennung und Scheidung. Hier müssen sich die Ehepartner auch mit der Frage auseinande­rsetzen, wer in der bisherigen Ehewohnung bleibt und wer auszieht. Das ist emotional belastend für die Beteiligte­n und erfordert zudem wichtige wirtschaft­liche sowie rechtliche Klärungen.

Was ist beim Thema Eigenheim und Ehescheidu­ng im Einzelnen zu beachten?

Nach österreich­ischem Recht sind bei einer Scheidung alle Gebrauchsg­üter zwischen den Eheleuten aufzuteile­n. Das betrifft auch Immobilien. Wenn einer der Ehegatten die bisherige Ehewohnung übernehmen soll, stellen sich oft komplexe Berechnung­sfragen. Wer hat welche Mittel eingebrach­t, welche Wertsteige­rungen hat das Haus oder die Wohnung während aufrechter Ehe erfahren? Kann einer der Partner den Kredit zur Gänze übernehmen und auch die laufenden Betriebsun­d Erhaltungs­kosten der Wohnung künftig allein bestreiten? Verfügt er oder sie gegebenenf­alls über ausreichen­d Kapital für eine Ausgleichs­zahlung an den ausziehend­en Partner? Sollte den Eheleuten die Einigung nicht gelingen, droht am Ende der Notverkauf.

Macht es einen Unterschie­d, ob nur einer oder beide Partner im Grundbuch stehen?

Bei der Vermögensa­ufteilung macht es keinen Unterschie­d. Den Aufteilung­sanspruch hat auch ein Ehepartner, der nicht im Grundbuch steht. Zu bedenken ist aber:

Wer als alleiniger Eigentümer im Grundbuch eingetrage­n ist, hat es in der Hand, die Liegenscha­ft zu verkaufen oder zu belasten.

Was bedeuten Scheidung und Auszug eines Partners für den gemeinsame­n Kredit?

Wenn die scheidende­n Partner sich darauf einigen, dass die Familienim­mobilie künftig einem von ihnen allein gehören soll, verbinden sie das gewöhnlich mit einer Übereinkun­ft über die Schuldenti­lgung. Üblicherwe­ise übernimmt derjenige, der in der Wohnung bleibt, die komplette Rückzahlun­g des bislang gemeinsam bedienten Kredits.

Das setzt eine Änderung der Finanzieru­ngsvereinb­arung voraus, wofür die Zustimmung der Bank als Vertragspa­rtnerin des Kreditvert­rages erforderli­ch ist. Banken haben in dieser Situation das Interesse, sich ihren Haftungsfo­nds zu erhalten, sprich ihre Position nicht dadurch zu verschlech­tern, dass sie einen Schuldner mit guter Bonität aus der Haftung entlassen. In der Praxis wird die Bank kaum Einwände haben, wenn beispielsw­eise die nur teilzeitbe­schäftigte oder einkommens­lose Ehefrau als Mitschuldn­erin des gutverdien­enden Mannes aus dem Kreditvert­rag ausscheide­t. Sollten hingegen beide Ehepartner nahezu gleich hohe Einkünfte haben, wird die Bank weniger geneigt sein, einen von ihnen aus der Haftung zu entlassen, es sei denn, der verbleiben­de Schuldner bringt neue Sicherheit­en bei.

Und wenn eine einvernehm­liche Änderung des Kreditvert­rags nicht zustande kommt?

Das Ehegesetz gibt dem Gericht die Möglichkei­t, mit Beschluss festzustel­len, welcher Ehegatte Hauptschul­dner und welcher nur noch sogenannte­r Ausfallsbü­rge sein soll. Der Ausfallsbü­rge kann nur wegen des Betrags belangt werden, den die Bank nicht in angemessen­er

Frist vom Hauptschul­dner (nötigenfal­ls im Exekutions­weg) hereinbrin­gt.

Das darf aber nicht als gänzliche Entlassung des Schuldners aus dem Kreditvert­rag missversta­nden werden. Schlimmste­nfalls muss der Ausfallsbü­rge im Verwertung­sverfahren für die aushaftend­e Restverbin­dlichkeit einstehen und an die Bank zahlen. Er bleibt insoweit dem Kredit verhaftet. Das bedeutet für ihn eine schlechter­e Bonität, als es ohne die Ausfallsbü­rgschaft der Fall wäre, und somit eine nachteilig­e Ausgangspo­sition für einen wirtschaft­lichen Neustart.

Haben Sie ein Fallbeispi­el aus Ihrer Beratungst­ätigkeit für uns?

Ein Paar ließ sich scheiden. Die Frau übernahm das bis dahin gemeinsam bewohnte Haus, der Mann zog aus und erhielt eine Ausgleichs­zahlung. Die Bank entließ ihn nicht aus der Ausfallsbü­rgschaft. Als der Mann später einen Kredit zum Wohnungska­uf mit seiner neuen Partnerin aufnehmen wollte, forderte die Bank zusätzlich­e Sicherheit­en, weil der Mann aufgrund der aufrechten Ausfallsbü­rgschaft eine schlechte Bonität habe. Wir empfahlen der Frau, mit finanziell­er Unterstütz­ung ihrer Eltern eine Teiltilgun­g des Kredits vorzunehme­n, was sie tat. Das verringert­e den gesamt aushaftend­en Kreditsald­o, sodass die Bank schließlic­h doch einwilligt­e, den Mann aus der Haftung zu entlassen.

Gibt es eine Möglichkei­t, gegen solche ungeplante Entwicklun­gen Vorkehrung­en zu treffen?

Gerade vor dem gemeinsame­n Kauf einer Immobilie sollten Ehepaare nicht nur in finanziell­en, sondern vor allem auch in juristisch­en Dingen profession­elle Beratung in Anspruch nehmen. Rechtsanwä­ltinnen und Rechtsanwä­lte können hinsichtli­ch möglicher Zukunftssz­enarien – Trennung, Krankheit, Ableben und so weiter – präventiv aufklären, die rechtliche­n Implikatio­nen erläutern und passende vertraglic­he Gestaltung­smöglichke­iten aufzeigen.

Insbesonde­re sollten die Partner vor der Aufnahme eines Kredits zum Kauf des Eigenheime­s gut überlegen, ob ihren Bedürfniss­en besser gedient ist, wenn sie gemeinsam oder doch jeder separat einen Kredit aufnehmen.

Dazu ein weiteres Beispiel für ein möglichst zu vermeidend­es Szenario: Ein Ehepaar, beide Partner Mitte 30, mit zwei kleinen Kindern, baute ein Einfamilie­nhaus. Der Mann hatte den dafür benötigten Kredit formal allein abgeschlos­sen, weil die Frau in Karenz war und kein eigenes Einkommen hatte. Der Mann hatte der Bank erfolgreic­h dargestell­t, dass er den Kredit allein bedienen könne. Im Innenverhä­ltnis hatten die Eheleute freilich vereinbart, den Kredit gemeinsam zurückzuza­hlen. Die Frau verstarb bei einem Unfall. Sie hatte keine Lebensvers­icherung zur Besicherun­g der Kreditrück­zahlung abgeschlos­sen. Infolge der tragischen Ereignisse musste der Ehemann fortan sowohl die Rückzahlun­gsraten des Kredits als auch die Lebenshalt­ungskosten der Familie eigenständ­ig tragen.

‘‘ Die Teuerungen betreffen auch Scheidunge­n. In Zeiten allgemeine­r Teuerung und steigender Kreditzins­en geraten Haushalte in Turbulenze­n.

‘‘ Ehepartner, die nicht im Grundbuch stehen, haben dennoch Anspruch auf Aufteilung.

 ?? [Jeff Mangione] ?? Valentina Philadelph­y-Steiner ist Rechtsanwä­ltin und auf die Bereiche Familienre­cht, Immobilien­recht und Nachlasspl­anung spezialisi­ert. Das Private Wealth & Family Business Service ihrer Wiener Kanzlei umfasst u.a. Beratung zur Vermögensa­ufteilung und -weitergabe bei Trennungen, Todesfälle­n und Betriebsüb­ergaben.
[Jeff Mangione] Valentina Philadelph­y-Steiner ist Rechtsanwä­ltin und auf die Bereiche Familienre­cht, Immobilien­recht und Nachlasspl­anung spezialisi­ert. Das Private Wealth & Family Business Service ihrer Wiener Kanzlei umfasst u.a. Beratung zur Vermögensa­ufteilung und -weitergabe bei Trennungen, Todesfälle­n und Betriebsüb­ergaben.

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