Trautes Heim, Kredit allein?
Familienrechtsanwältin Valentina Philadelphy-Steiner über Risiken beim kreditfinanzierten Erwerb der Ehewohnung und mögliche Lösungswege in der Krise.
Nach wie vor steht die Eigentumswohnung oder das eigene Haus für viele von uns ganz oben auf der Liste der erfüllbaren Träume. Als typischerweise größte private Investition im Leben stellt der Kauf oder die Errichtung des Eigenheimes oftmals ein eheliches Gemeinschaftsprojekt dar. Niedrigzinsen und Kreditlaufzeiten bis ins hohe Alter lockten in den vergangenen Jahren Paare, für welche der Erwerb einer Immobilie sonst unerschwinglich gewesen wäre, zur Fremdfinanzierung. Diese Generation kennt praktisch keine Zinsen. Auch Vermögende nahmen gern günstige Kredite mit variablem Zinssatz in Anspruch, um ihr Eigenkapital währenddessen anderweitig zu verwenden.
Nun, in Zeiten allgemeiner Teuerung und steigender Kreditzinsen, geraten Haushalte in Turbulenzen.
„Die Presse“: Frau Philadelphy-Steiner, wie nehmen Sie die aktuelle gesamtwirtschaftliche Situation in Ihrer familienrechtlichen und immobilienrechtlichen Beratungspraxis wahr?
Valentina Philadelphy-Steiner: Unsere Kanzlei erhält derzeit vermehrt Anfragen von Paaren, die sich in finanziellen und persönlichen Schwierigkeiten befinden. Der bisherige Lebensstandard, das Haus oder die Eigentumswohnung, scheint nicht mehr haltbar. Die Betroffenen suchen nach Auswegen – sollen sie das Eigenheim verkaufen und stattdessen eine Wohnung mieten? Gibt es eine Möglichkeit der Umschuldung? Oftmals führt der finanzielle Druck zur Beziehungskrise.
Besonders herausfordernd ist die Situation bei Trennung und Scheidung. Hier müssen sich die Ehepartner auch mit der Frage auseinandersetzen, wer in der bisherigen Ehewohnung bleibt und wer auszieht. Das ist emotional belastend für die Beteiligten und erfordert zudem wichtige wirtschaftliche sowie rechtliche Klärungen.
Was ist beim Thema Eigenheim und Ehescheidung im Einzelnen zu beachten?
Nach österreichischem Recht sind bei einer Scheidung alle Gebrauchsgüter zwischen den Eheleuten aufzuteilen. Das betrifft auch Immobilien. Wenn einer der Ehegatten die bisherige Ehewohnung übernehmen soll, stellen sich oft komplexe Berechnungsfragen. Wer hat welche Mittel eingebracht, welche Wertsteigerungen hat das Haus oder die Wohnung während aufrechter Ehe erfahren? Kann einer der Partner den Kredit zur Gänze übernehmen und auch die laufenden Betriebsund Erhaltungskosten der Wohnung künftig allein bestreiten? Verfügt er oder sie gegebenenfalls über ausreichend Kapital für eine Ausgleichszahlung an den ausziehenden Partner? Sollte den Eheleuten die Einigung nicht gelingen, droht am Ende der Notverkauf.
Macht es einen Unterschied, ob nur einer oder beide Partner im Grundbuch stehen?
Bei der Vermögensaufteilung macht es keinen Unterschied. Den Aufteilungsanspruch hat auch ein Ehepartner, der nicht im Grundbuch steht. Zu bedenken ist aber:
Wer als alleiniger Eigentümer im Grundbuch eingetragen ist, hat es in der Hand, die Liegenschaft zu verkaufen oder zu belasten.
Was bedeuten Scheidung und Auszug eines Partners für den gemeinsamen Kredit?
Wenn die scheidenden Partner sich darauf einigen, dass die Familienimmobilie künftig einem von ihnen allein gehören soll, verbinden sie das gewöhnlich mit einer Übereinkunft über die Schuldentilgung. Üblicherweise übernimmt derjenige, der in der Wohnung bleibt, die komplette Rückzahlung des bislang gemeinsam bedienten Kredits.
Das setzt eine Änderung der Finanzierungsvereinbarung voraus, wofür die Zustimmung der Bank als Vertragspartnerin des Kreditvertrages erforderlich ist. Banken haben in dieser Situation das Interesse, sich ihren Haftungsfonds zu erhalten, sprich ihre Position nicht dadurch zu verschlechtern, dass sie einen Schuldner mit guter Bonität aus der Haftung entlassen. In der Praxis wird die Bank kaum Einwände haben, wenn beispielsweise die nur teilzeitbeschäftigte oder einkommenslose Ehefrau als Mitschuldnerin des gutverdienenden Mannes aus dem Kreditvertrag ausscheidet. Sollten hingegen beide Ehepartner nahezu gleich hohe Einkünfte haben, wird die Bank weniger geneigt sein, einen von ihnen aus der Haftung zu entlassen, es sei denn, der verbleibende Schuldner bringt neue Sicherheiten bei.
Und wenn eine einvernehmliche Änderung des Kreditvertrags nicht zustande kommt?
Das Ehegesetz gibt dem Gericht die Möglichkeit, mit Beschluss festzustellen, welcher Ehegatte Hauptschuldner und welcher nur noch sogenannter Ausfallsbürge sein soll. Der Ausfallsbürge kann nur wegen des Betrags belangt werden, den die Bank nicht in angemessener
Frist vom Hauptschuldner (nötigenfalls im Exekutionsweg) hereinbringt.
Das darf aber nicht als gänzliche Entlassung des Schuldners aus dem Kreditvertrag missverstanden werden. Schlimmstenfalls muss der Ausfallsbürge im Verwertungsverfahren für die aushaftende Restverbindlichkeit einstehen und an die Bank zahlen. Er bleibt insoweit dem Kredit verhaftet. Das bedeutet für ihn eine schlechtere Bonität, als es ohne die Ausfallsbürgschaft der Fall wäre, und somit eine nachteilige Ausgangsposition für einen wirtschaftlichen Neustart.
Haben Sie ein Fallbeispiel aus Ihrer Beratungstätigkeit für uns?
Ein Paar ließ sich scheiden. Die Frau übernahm das bis dahin gemeinsam bewohnte Haus, der Mann zog aus und erhielt eine Ausgleichszahlung. Die Bank entließ ihn nicht aus der Ausfallsbürgschaft. Als der Mann später einen Kredit zum Wohnungskauf mit seiner neuen Partnerin aufnehmen wollte, forderte die Bank zusätzliche Sicherheiten, weil der Mann aufgrund der aufrechten Ausfallsbürgschaft eine schlechte Bonität habe. Wir empfahlen der Frau, mit finanzieller Unterstützung ihrer Eltern eine Teiltilgung des Kredits vorzunehmen, was sie tat. Das verringerte den gesamt aushaftenden Kreditsaldo, sodass die Bank schließlich doch einwilligte, den Mann aus der Haftung zu entlassen.
Gibt es eine Möglichkeit, gegen solche ungeplante Entwicklungen Vorkehrungen zu treffen?
Gerade vor dem gemeinsamen Kauf einer Immobilie sollten Ehepaare nicht nur in finanziellen, sondern vor allem auch in juristischen Dingen professionelle Beratung in Anspruch nehmen. Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte können hinsichtlich möglicher Zukunftsszenarien – Trennung, Krankheit, Ableben und so weiter – präventiv aufklären, die rechtlichen Implikationen erläutern und passende vertragliche Gestaltungsmöglichkeiten aufzeigen.
Insbesondere sollten die Partner vor der Aufnahme eines Kredits zum Kauf des Eigenheimes gut überlegen, ob ihren Bedürfnissen besser gedient ist, wenn sie gemeinsam oder doch jeder separat einen Kredit aufnehmen.
Dazu ein weiteres Beispiel für ein möglichst zu vermeidendes Szenario: Ein Ehepaar, beide Partner Mitte 30, mit zwei kleinen Kindern, baute ein Einfamilienhaus. Der Mann hatte den dafür benötigten Kredit formal allein abgeschlossen, weil die Frau in Karenz war und kein eigenes Einkommen hatte. Der Mann hatte der Bank erfolgreich dargestellt, dass er den Kredit allein bedienen könne. Im Innenverhältnis hatten die Eheleute freilich vereinbart, den Kredit gemeinsam zurückzuzahlen. Die Frau verstarb bei einem Unfall. Sie hatte keine Lebensversicherung zur Besicherung der Kreditrückzahlung abgeschlossen. Infolge der tragischen Ereignisse musste der Ehemann fortan sowohl die Rückzahlungsraten des Kredits als auch die Lebenshaltungskosten der Familie eigenständig tragen.
‘‘ Die Teuerungen betreffen auch Scheidungen. In Zeiten allgemeiner Teuerung und steigender Kreditzinsen geraten Haushalte in Turbulenzen.
‘‘ Ehepartner, die nicht im Grundbuch stehen, haben dennoch Anspruch auf Aufteilung.