Die Presse

Die EU steigert das Tempo bei Renovierun­gen

Die EU plant eine Sanierungs­offensive. Um die Sanierungs­quote nachhaltig zu steigern, braucht es jedoch auch rechtliche Schritte.

- VON ANDRÉ EXNER

Die Energiewen­de gewinnt an Fahrt: Bis 2050 soll die EU klimaneutr­al werden, vor allem beim Energiefre­sser Immobilien ist das Einsparung­spotenzial in Sachen CO2 enorm. Weil der Neubau in Sachen Energiever­brauch nur die Spitze des Eisbergs darstellt – und sowieso nur mehr mit umweltfreu­ndlichen Energiesys­temen errichtet werden darf –, liegt der Fokus daher auf Sanierunge­n.

Ehrgeizige Sanierungs­ziele

Die Sanierungs­ziele aus Brüssel sind ehrgeizig: Bis zum Jahr 2030 ist EU-weit die Renovierun­g von 16 Prozent der Gebäude mit der schlechtes­ten Energieeff­izienz vorgesehen und bis 2033 26 Prozent. Ausreden gelten nicht, denn den Regierunge­n der EU-Mitgliedsl­änder sind die Hände gebunden. So müssen die jeweiligen nationalen Maßnahmen sicherstel­len, dass der durchschni­ttliche Primärener­gieverbrau­ch um mindestens 55 Prozent bei den schlechtes­ten Gebäuden gesenkt wird.

Um diese Ziele zu erreichen, braucht es auch in Österreich eine deutliche Steigerung der Sanierungs­quote, die in den vergangene­n Jahren stets unter der ZweiProzen­t-Marke blieb. Dafür braucht es klare Regeln, damit die einzelnen Mieter und Wohnungsei­gentümer die Umstellung der Heizung auf ein zentrales klimafreun­dliches System akzeptiere­n können. „Wenn das gelingt, würde ein Ruck durch die Immobilien­wirtschaft gehen“, sagt Susanne Formanek, Vorstand und kaufmännis­che Projektlei­terin von Renowave.at, dem österreich­ischen Innovation­slabor für klimaneutr­ale Gebäude- und Quartierss­anierungen. „Die Sanierung und Heizungsum­stellung sehr vieler älterer Bauten von Gemeinden, Gemeinnütz­igen, Privaten und Eigentumsb­auten scheitert vielfach am Widerstand von Einzelpers­onen.“Deshalb sei es notwendig, dass auch die Kostentrag­ung rechtlich eindeutig geregelt wird. Dafür seien die Lebensbedi­ngungen einkommens­schwacher Bewohner sowie die Minderheit­enrechte und der Schutz der Eigentumsr­echte zu berücksich­tigen.

Rechtliche Eingriffe

Bereits dafür braucht es Eingriffe in das bestehende Miet- und Wohnrecht. Doch das ist erst der Anfang: Renowave rät generell, notwendige Maßnahmen, um Gebäude „enkelfit“zu machen – also zu dekarbonis­ieren –, wohnrechtl­ich als Erhaltung und nicht länger als Verbesseru­ng einzustufe­n. „Mit einer solchen kleinen Änderung könnten einige Knoten im Miet- und Wohnungsei­gentumsrec­ht gelöst werden“, so Formanek. Entscheide­nd ist zudem die Leistbarke­it: Die EUZiele können selbst nach den notwendige­n rechtliche­n Änderungen erst dann erfüllt werden, wenn die Zinsen wieder sinken.

Konnte vor einem Jahr eine größere Sanierung noch um 1,5 Prozent finanziert werden, ist der Zinssatz heute etwa dreimal so hoch. Hätte man vor zwei Jahren für eine umfassende Sanierung 100.000 Euro auf 20 Jahre finanziert, wäre sich das mit einer monatliche­n Rate unter 500 Euro ausgegange­n – heute ist das Doppelte fällig. Bis Finanzieru­ngen wieder günstiger werden, sind daher Förderunge­n umso wichtiger. Einfach das Geld vom Staat zu holen und „loszusanie­ren“, geht jedoch höchstens bei Einfamilie­nhäusern in Einzellage: Sobald mehrere Parteien involviert sind, ist eine rechtliche Vorprüfung der Vorhaben ratsam.

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