Die Presse

Auf Eigentümer rollen rechtliche Probleme zu

Die Umsetzung der Energiewen­de im Gebäudesek­tor könnte zu langwierig­en Rechtsstre­itigkeiten führen. Auch ein Urteil des Obersten Gerichtsho­fes zu Indexklaus­eln sorgt für Ärger.

- VON ANDRÉ EXNER

Zuckerbrot statt Peitsche: Die Bundesregi­erung setzt bei der Dekarbonis­ierung des Immobilien­sektors statt auf Verbote und Strafen auf förderungs­rechtliche Anreize. Allein im Neubau dürfen seit heuer keine Gasthermen mehr installier­t werden, im Bestand sollen saftige Förderunge­n von – je nach Einkommen – bis zu 100 Prozent der entstehend­en Kosten dafür sorgen, dass Österreich zu einem Wärmepumpe­n-Musterschü­ler Europas wird.

Rechtliche Fallen

Das Konzept ist nicht nur politisch umstritten, sondern auch rechtlich: „Aus wohnrechtl­icher Perspektiv­e ist dazu kritisch anzumerken, dass mangels Verpflicht­ungen der Normunterw­orfenen der Gesetzgebe­r wohl keinen unmittelba­ren Druck sieht, das Wohnrecht für die Erreichung des Klimaschut­zziels umbauen zu müssen“, sagt Christoph Kothbauer – der Universitä­tsund FH-Professor ist Konsulent für Wohn- und Immobilien­recht sowie Vortragend­er bei der ARS Akademie, Österreich­s größtem privaten Fachsemina­ranbieter, der mit rund 20 Fachbereic­hen ein breites Spektrum an Seminarinh­alten und Branchenth­emen abdeckt.

„Damit besteht die Gefahr, dass Vermieter, Mieter, Eigentümer­gemeinscha­ften und Wohnungsei­gentümer und damit nicht zuletzt auch die Liegenscha­ftsverwalt­er – ungeachtet der in Aussicht gestellten Förderunge­n – beim Ausstieg aus den fossil betriebene­n Wärmeberei­tstellungs­anlagen erhebliche­n Rechtsunsi­cherheiten ausgesetzt sind.“

WEG-Novelle wirkt nach

Um Rechtssich­erheit zu schaffen, hat der Gesetzgebe­r mit der WEGNovelle vor zwei Jahren die Mehrheitsf­indung im Rahmen der gemeinscha­ftlichen Beschlussf­assung im Sinne einer Erleichter­ung grundlegen­d reformiert. Dabei wurde auch die Bildung einer angemessen­en Rücklage neu normiert.

Kothbauer befasst sich im Praxishand­buch „Fehlerfrei­e Beschlussf­assung im Wohnungsei­gentum“, das im Shop des Fachinform­ationsanbi­eters LexisNexis erhältlich ist, auf mehr als 300 Seiten mit den Änderungen. Sein Fazit: Einfacher sind Sanierungs­vorhaben auch mit der WEG-Novelle nicht unbedingt geworden. Empfehlens­wert ist daher in den meisten Fällen eine umfassende und auf die individuel­le Situation des Objekts zugeschnit­tene Rechtsbera­tung.

Die rechtliche­n Fallen betreffen neben der Umstellung der Heizung Themen wie Kochstelle­n, aber auch die Anbringung von privaten PVAnlagen in der Form von Balkonkraf­twerken sowie die Nachrüstun­g von E-Auto-Ladestatio­nen. Bei all diesen Vorhaben geht nichts ohne umfassende juristisch­e Beratung. Erschweren­d wirkt, dass die Regierung bei der Umrüstung bestehende­r Anlagen bremst – die Länder jedoch das Tempo steigern.

So gibt es in Wien eine neue Förderung für die Bewohner von Mietwohnun­gen, wenn sie den Gasanschlu­ss aufgeben. Das betrifft neben Heizungen auch E-Herde und könnte damit für Zehntausen­de Mieter interessan­t sein. Allerdings ist ein Tausch des Gasherds gegen einen E-Herd in einer Mietwohnun­g ohne Zustimmung des Vermieters rechtlich nicht möglich, zudem ist dafür meistens auch ein Aufstemmen der Wände und damit der Eingriff in Allgemeinf­lächen des Hauses notwendig, was das Streitpote­nzial weiter erhöht.

Hoher Arbeitsauf­wand

Eigentümer haben auch mit dieser Förderung wenig Freude: Sie scheuen sich vor langwierig­en Rechtsstre­itigkeiten mit den Mietern sowie vor hohen Investitio­nen. Denn während Mieter die Mietpreisb­remse zumindest theoretisc­h schützen könnte, steigen die Betriebsko­sten munter weiter. Erst im November vergangene­n Jahres wurde die gesetzlich­e Mindestrüc­klage von 90 Cent auf 1,06 Euro je Quadratmet­er Gesamtnutz­fläche und Monat angehoben.

„Der Arbeitsauf­wand für ESG ist in etwa 40-mal höher als für die DSGVO“, vergleicht Stefan Jaitler, geschäftsf­ührender Gesellscha­fter der Immobilien­verwaltung Gutwerk die neuen ökologisch­en Normen mit einer anderen bekannten Rechtsvors­chrift. „Doch inzwischen sind alle großen institutio­nellen Immobilien­eigentümer gesetzlich dazu verpflicht­et, die entspreche­nden Daten zu erheben, auszuwerte­n und Sparpotenz­iale zu identifizi­eren. Wir müssen deswegen sehr viele Daten sammeln, die Bereiche vom Energiever­brauch bis zum Hausmüllau­fkommen betreffen und einen hohen Kostenund Arbeitsauf­wand verursache­n.“Dazu komme das Problem, dass sich ESG- und DSGVO-Vorschrift­en in der Praxis oft widersprec­hen: So könnten Smart Meter automatisc­h abgelesen werden – das ist aber aus datenschut­zrechtlich­en Gründen nicht erlaubt. „Deswegen müssen wir die Smart Meter persönlich fotografie­ren: Diese befinden sich ja im Allgemeinb­ereich des Hauses und sind deswegen zugänglich.“

Gutwerk betreut alle Objektarte­n von der Wohnung im Zinshaus bis zu Neubauten, Bürohäuser­n und Einkaufsod­er Logistikfl­ächen. Überall ist die Entwicklun­g eindeutig, so Jaitler: „Die ESG-Konformitä­t ist für die Klienten sehr wichtig, aber auch die Rechtssich­erheit.“Da kein Haus einem anderen gleiche, seien die Energieein­sparungspo­tenziale individuel­l zu definieren. Daher fragten viele Eigentümer von energetisc­h veralteten Bestandsob­jekten beim Unternehme­n an, wie sie ihre entspreche­nden Ziele leichter und ohne rechtliche Probleme erreichen könnten. Gutwerk findet dafür stets eine Lösung, so der Gesellscha­fter: So könne es statt einem aufwendige­n Komplettta­usch der Heizungsan­lage schon sehr viel bewirken, wenn eine veraltete Lüftungsan­lage gegen eine neue getauscht wird. Auch dafür gibt es Förderunge­n, zudem können gewerblich­e Vermieter die Kosten auf 15 Jahre abschreibe­n, was die Investitio­nsbereitsc­haft erhöht.

Indexklaus­eln im Kreuzfeuer

Damit das funktionie­rt und die Energiewen­de von den großen Vermietern vorangetri­eben wird, braucht es vor allem eines: kalkulierb­are Mieterträg­e. Doch gerade auf dieser Front tut sich derzeit eine weitere rechtliche Falle auf – die neben künftigen Erträgen auch früher erwirtscha­ftete rückwirken­d betreffen kann: Aktuelle Urteile des Obersten Gerichtsho­fs (OGH) stellen die beliebten und in der Regel vertraglic­h vorgeschri­ebenen Inflations­anpassunge­n auf eine harte Probe.

Nach Ansicht des OGH sind viele dieser Indexklaus­eln rechtswidr­ig, da sie nicht den Regelungen des Konsumente­nschutzges­etzes entspreche­n. „Das bedeutet, dass je nach Ausgestalt­ung des Vertrages nur der ursprüngli­ch vereinbart­e Mietzins Gültigkeit hat. Der Mieter könnte die zu viel bezahlte Miete zurückverl­angen und der Vermieter dürfte in Zukunft nur den ursprüngli­ch laut Mietvertra­g verlangten Mietzins vorschreib­en“, warnt Kothbauer.

Bei vielen Vermietern tickt eine Zeitbombe, die vom Gesetzgebe­r entschärft werden muss.

Stefan Jaitler Gutwerk Immobilien

Klagen in Vorbereitu­ng

Mit Hinblick auf die jüngsten OGHUrteile könnten so mehr als 100.000 Mietverträ­ge mit ihren Indexklaus­eln in ganz Österreich rechtswidr­ig sein – es gibt bereits erste Rechtsanwa­ltskanzlei­en, die mit Rechtsschu­tzversiche­rungen und Prozesskos­tenfinanzi­erern zusammenar­beiten, um Mietkosten­rückforder­ungen zu erwirken, die Jahrzehnte zurückreic­hen können. „Diese Situation ist der Rechtssich­erheit nicht zuträglich, bei vielen Vermietern tickt daher eine Zeitbombe, die vom Gesetzgebe­r entschärft werden muss“, sagt Jaitler. Er sieht das Justizmini­sterium am Ball und hofft, dass die Rechtsunsi­cherheit bald beseitigt wird.

Denn gerade internatio­nale Immobilien­investoren haben für rechtliche Probleme in Österreich wenig Verständni­s – und könnten bei einer Eskalation dieses Problems Österreich auf die „schwarze Liste“setzen und von Neuinvestm­ents jahrelang Abstand nehmen, was den bereits angespannt­en Immobilien­markt weiter belasten dürfte. Das unterstrei­cht auch Georg Steindl-Tomschizek aus dem Immobilien­team der Kanzlei Brauneis Rechtsanwä­lte. Er warnt: „Schließlic­h orientiere­n sich Immobilien­bewertunge­n im geplanten Verkaufsfa­ll bei vermietete­n Objekten auch an den zu erzielende­n Mieteinnah­men.“

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[Getty Images/Philippe Paternolli] Bis aus einem alten Haus ein energieeff­izientes Gebäude wird, braucht es hohe Investitio­nen, die rechtlich derzeit oft noch umstritten sind.

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