Auf Eigentümer rollen rechtliche Probleme zu
Die Umsetzung der Energiewende im Gebäudesektor könnte zu langwierigen Rechtsstreitigkeiten führen. Auch ein Urteil des Obersten Gerichtshofes zu Indexklauseln sorgt für Ärger.
Zuckerbrot statt Peitsche: Die Bundesregierung setzt bei der Dekarbonisierung des Immobiliensektors statt auf Verbote und Strafen auf förderungsrechtliche Anreize. Allein im Neubau dürfen seit heuer keine Gasthermen mehr installiert werden, im Bestand sollen saftige Förderungen von – je nach Einkommen – bis zu 100 Prozent der entstehenden Kosten dafür sorgen, dass Österreich zu einem Wärmepumpen-Musterschüler Europas wird.
Rechtliche Fallen
Das Konzept ist nicht nur politisch umstritten, sondern auch rechtlich: „Aus wohnrechtlicher Perspektive ist dazu kritisch anzumerken, dass mangels Verpflichtungen der Normunterworfenen der Gesetzgeber wohl keinen unmittelbaren Druck sieht, das Wohnrecht für die Erreichung des Klimaschutzziels umbauen zu müssen“, sagt Christoph Kothbauer – der Universitätsund FH-Professor ist Konsulent für Wohn- und Immobilienrecht sowie Vortragender bei der ARS Akademie, Österreichs größtem privaten Fachseminaranbieter, der mit rund 20 Fachbereichen ein breites Spektrum an Seminarinhalten und Branchenthemen abdeckt.
„Damit besteht die Gefahr, dass Vermieter, Mieter, Eigentümergemeinschaften und Wohnungseigentümer und damit nicht zuletzt auch die Liegenschaftsverwalter – ungeachtet der in Aussicht gestellten Förderungen – beim Ausstieg aus den fossil betriebenen Wärmebereitstellungsanlagen erheblichen Rechtsunsicherheiten ausgesetzt sind.“
WEG-Novelle wirkt nach
Um Rechtssicherheit zu schaffen, hat der Gesetzgeber mit der WEGNovelle vor zwei Jahren die Mehrheitsfindung im Rahmen der gemeinschaftlichen Beschlussfassung im Sinne einer Erleichterung grundlegend reformiert. Dabei wurde auch die Bildung einer angemessenen Rücklage neu normiert.
Kothbauer befasst sich im Praxishandbuch „Fehlerfreie Beschlussfassung im Wohnungseigentum“, das im Shop des Fachinformationsanbieters LexisNexis erhältlich ist, auf mehr als 300 Seiten mit den Änderungen. Sein Fazit: Einfacher sind Sanierungsvorhaben auch mit der WEG-Novelle nicht unbedingt geworden. Empfehlenswert ist daher in den meisten Fällen eine umfassende und auf die individuelle Situation des Objekts zugeschnittene Rechtsberatung.
Die rechtlichen Fallen betreffen neben der Umstellung der Heizung Themen wie Kochstellen, aber auch die Anbringung von privaten PVAnlagen in der Form von Balkonkraftwerken sowie die Nachrüstung von E-Auto-Ladestationen. Bei all diesen Vorhaben geht nichts ohne umfassende juristische Beratung. Erschwerend wirkt, dass die Regierung bei der Umrüstung bestehender Anlagen bremst – die Länder jedoch das Tempo steigern.
So gibt es in Wien eine neue Förderung für die Bewohner von Mietwohnungen, wenn sie den Gasanschluss aufgeben. Das betrifft neben Heizungen auch E-Herde und könnte damit für Zehntausende Mieter interessant sein. Allerdings ist ein Tausch des Gasherds gegen einen E-Herd in einer Mietwohnung ohne Zustimmung des Vermieters rechtlich nicht möglich, zudem ist dafür meistens auch ein Aufstemmen der Wände und damit der Eingriff in Allgemeinflächen des Hauses notwendig, was das Streitpotenzial weiter erhöht.
Hoher Arbeitsaufwand
Eigentümer haben auch mit dieser Förderung wenig Freude: Sie scheuen sich vor langwierigen Rechtsstreitigkeiten mit den Mietern sowie vor hohen Investitionen. Denn während Mieter die Mietpreisbremse zumindest theoretisch schützen könnte, steigen die Betriebskosten munter weiter. Erst im November vergangenen Jahres wurde die gesetzliche Mindestrücklage von 90 Cent auf 1,06 Euro je Quadratmeter Gesamtnutzfläche und Monat angehoben.
„Der Arbeitsaufwand für ESG ist in etwa 40-mal höher als für die DSGVO“, vergleicht Stefan Jaitler, geschäftsführender Gesellschafter der Immobilienverwaltung Gutwerk die neuen ökologischen Normen mit einer anderen bekannten Rechtsvorschrift. „Doch inzwischen sind alle großen institutionellen Immobilieneigentümer gesetzlich dazu verpflichtet, die entsprechenden Daten zu erheben, auszuwerten und Sparpotenziale zu identifizieren. Wir müssen deswegen sehr viele Daten sammeln, die Bereiche vom Energieverbrauch bis zum Hausmüllaufkommen betreffen und einen hohen Kostenund Arbeitsaufwand verursachen.“Dazu komme das Problem, dass sich ESG- und DSGVO-Vorschriften in der Praxis oft widersprechen: So könnten Smart Meter automatisch abgelesen werden – das ist aber aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht erlaubt. „Deswegen müssen wir die Smart Meter persönlich fotografieren: Diese befinden sich ja im Allgemeinbereich des Hauses und sind deswegen zugänglich.“
Gutwerk betreut alle Objektarten von der Wohnung im Zinshaus bis zu Neubauten, Bürohäusern und Einkaufsoder Logistikflächen. Überall ist die Entwicklung eindeutig, so Jaitler: „Die ESG-Konformität ist für die Klienten sehr wichtig, aber auch die Rechtssicherheit.“Da kein Haus einem anderen gleiche, seien die Energieeinsparungspotenziale individuell zu definieren. Daher fragten viele Eigentümer von energetisch veralteten Bestandsobjekten beim Unternehmen an, wie sie ihre entsprechenden Ziele leichter und ohne rechtliche Probleme erreichen könnten. Gutwerk findet dafür stets eine Lösung, so der Gesellschafter: So könne es statt einem aufwendigen Kompletttausch der Heizungsanlage schon sehr viel bewirken, wenn eine veraltete Lüftungsanlage gegen eine neue getauscht wird. Auch dafür gibt es Förderungen, zudem können gewerbliche Vermieter die Kosten auf 15 Jahre abschreiben, was die Investitionsbereitschaft erhöht.
Indexklauseln im Kreuzfeuer
Damit das funktioniert und die Energiewende von den großen Vermietern vorangetrieben wird, braucht es vor allem eines: kalkulierbare Mieterträge. Doch gerade auf dieser Front tut sich derzeit eine weitere rechtliche Falle auf – die neben künftigen Erträgen auch früher erwirtschaftete rückwirkend betreffen kann: Aktuelle Urteile des Obersten Gerichtshofs (OGH) stellen die beliebten und in der Regel vertraglich vorgeschriebenen Inflationsanpassungen auf eine harte Probe.
Nach Ansicht des OGH sind viele dieser Indexklauseln rechtswidrig, da sie nicht den Regelungen des Konsumentenschutzgesetzes entsprechen. „Das bedeutet, dass je nach Ausgestaltung des Vertrages nur der ursprünglich vereinbarte Mietzins Gültigkeit hat. Der Mieter könnte die zu viel bezahlte Miete zurückverlangen und der Vermieter dürfte in Zukunft nur den ursprünglich laut Mietvertrag verlangten Mietzins vorschreiben“, warnt Kothbauer.
Bei vielen Vermietern tickt eine Zeitbombe, die vom Gesetzgeber entschärft werden muss.
Stefan Jaitler Gutwerk Immobilien
Klagen in Vorbereitung
Mit Hinblick auf die jüngsten OGHUrteile könnten so mehr als 100.000 Mietverträge mit ihren Indexklauseln in ganz Österreich rechtswidrig sein – es gibt bereits erste Rechtsanwaltskanzleien, die mit Rechtsschutzversicherungen und Prozesskostenfinanzierern zusammenarbeiten, um Mietkostenrückforderungen zu erwirken, die Jahrzehnte zurückreichen können. „Diese Situation ist der Rechtssicherheit nicht zuträglich, bei vielen Vermietern tickt daher eine Zeitbombe, die vom Gesetzgeber entschärft werden muss“, sagt Jaitler. Er sieht das Justizministerium am Ball und hofft, dass die Rechtsunsicherheit bald beseitigt wird.
Denn gerade internationale Immobilieninvestoren haben für rechtliche Probleme in Österreich wenig Verständnis – und könnten bei einer Eskalation dieses Problems Österreich auf die „schwarze Liste“setzen und von Neuinvestments jahrelang Abstand nehmen, was den bereits angespannten Immobilienmarkt weiter belasten dürfte. Das unterstreicht auch Georg Steindl-Tomschizek aus dem Immobilienteam der Kanzlei Brauneis Rechtsanwälte. Er warnt: „Schließlich orientieren sich Immobilienbewertungen im geplanten Verkaufsfall bei vermieteten Objekten auch an den zu erzielenden Mieteinnahmen.“