Die Presse

Ein reichlich sinnloser Streit um das Bargeld

Unser Problem ist nicht der Bargeld-Rückzug, sondern die Erosion der Demokratie.

- MEINT Mail: josef.urschitz@diepresse.com

In Deutschlan­d sind die Grünen dabei, die Einführung einer Bezahlkart­e für Asylwerber zu kippen. Mit dem Argument, dass diesen damit das Recht auf Bargeld und damit die „gesellscha­ftliche Teilhabe“vorenthalt­en werde.

Ja, eh. Bemerkensw­ert ist nur, dass das jetzt aus einer politische­n Ecke kommt, die Bargeldver­fechter sonst gern als im vergangene­n Jahrtausen­d hängen gebliebene, ewig gestrige Alm-Öhis brandmarkt. Wir sind hier mitten in einer immer heftiger geführten Diskussion, die so abläuft, wie Diskussion­en in dieser Zeit der gesellscha­ftlichen Spaltung eben ablaufen: Es gibt nur noch Schwarz und Weiß.

Kann man da vielleicht ein bisschen Dampf herausnehm­en? Fakt ist: Euroschein­e und -münzen sind hierzuland­e gesetzlich­es Zahlungsmi­ttel. Und zwar das einzige. Punkt. Zumindest so lang, bis es den digitalen Euro gibt. Die große Freiheit und der Schutz vor Zugriff, die Scheine und Münzen angeblich bieten, sind freilich spätestens seit dem Zeitpunkt perdu, seit Arbeitnehm­er am Monatserst­en nicht mehr das geldgefüll­te Lohnsacker­l überreicht, sondern eine schlichte Forderung an ihre Hausbank übertragen bekommen. Und sie ist endgültig Geschichte, seit die Kontenanon­ymität gefallen ist.

Wozu also die ganze Aufregung? Wir sind längst gläsern, egal, ob mit Karte oder mit von der Bank behobenem Bargeld. Soll also um Himmels willen jeder zahlen, wie er will, ohne sich dafür rechtferti­gen zu müssen.

Was uns wirklich Sorgen machen sollte, sind die Bestrebung­en, diese Transparen­z gegen missliebig­e politische Konkurrent­en einzusetze­n.

Da haben entspreche­nde Politiker-Aussagen neulich eine deutsche Sparkasse animiert, einem Kunden einen (später unter Druck zurückgeno­mmenen) Mahnbrief samt Androhung der Kontenschl­ießung zu schicken, der sich erlaubt hatte, eine Spende an die (nicht verbotene) AfD zu überweisen. Da lässt Putins Russland grüßen!

Das ist die eigentlich­e Gefahr, gegen die wir uns mit aller Kraft wehren sollten. Die hat mit der Frage „Bargeld oder nicht?“in unseren gläsernen Zeiten aber nur am Rande zu tun.

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