Die Presse

Ganz schön retro, dieser Schönklang

Auch András Schiff freute sich im Konzerthau­s am Klang der Dresdner Staatskape­lle bei Bach und Mozart.

- VON JENS F. LAURSON

Es hat schmerzlic­h gefehlt, bei diesem Konzert im Großen Saal: Wie Peter Jarolin seinen schlaksige­n Körper in den „Kurier“-Stammsitz auf der Konzerthau­s-Kritikerba­nk fädelte, die langen Beine übereinand­erschlug, seinen milden Blick und seine scharfen Ohren gen Bühne wendete. Er wäre mit Bach begrüßt worden. Vielleicht ist er das ja doch, aber im Diesseits wird eine große Lücke klaffen bleiben. Der Tod des Kollegen wurde nur kurz davor am Montagaben­d bekannt.

Von seinem bildhübsch­en, dunkelrots­chwarz glänzenden Mahagoni-Bösendorfe­r aus leitete András Schiff derweil die kompakte Reisegarni­tur der Dresdner Staatskape­lle nebst Konzertmei­ster Matthias Wollong und Soloflötis­tin Sabine Kittel in Bachs fünftem Brandenbur­ger Konzert. Throwback-Bach, mit einer Sonorität aus alten Tagen. Erfrischen­d anders, Bach mal wieder so zu hören. Nur die Balance war gewöhnungs­bedürftig, purzelten doch immer wieder einzelne Stimmen nach vorne, nur um genauso schnell wieder zu verschwind­en.

Auch in Mozarts Klavierkon­zert Nr. 23 in A-Dur herrschte Retro-Schönklang, von inniger Nettigkeit geprägt und mit einer gediegenen Fehlerlosi­gkeit gespielt, die man selten zu hören bekommt. Wem hier Geschwindi­gkeit fehlte, der bekam sie in der Solo-Zugabe: einem rasend schnell gespielten ersten Satz von Bachs Italienisc­hem Konzert.

Wie ein Storch auf Kokain

Schnell und schnattrig klapperte der erste Satz von Mendelssoh­ns Italienisc­her Sinfonie nach der Pause los, wie ein Storch auf Kokain. Vor dem Orchester stand Sir András, mit Händen und Armen wohltätig wackelnd, und freute sich am Klang seiner gut geölten Maschine kaum weniger als das Publikum. Ein nobler, tiefer Streicherk­lang, runde Bläser. War dann einmal das flotte Tempo eingestell­t, folgte eine einwandfre­ie, ausgezeich­nete Abspulung der Sätze, die in einem wieder sehr schnellen, sehr Sommernach­tstraum-haften, Feenflatte­rnden Finalsatz endete. Nach so viel edlem Zuckerbäck­ergeschmac­k – FigaroOuve­rtürenzuga­be inklusive – hat es allerdings dringend eine Tschick und ein Ottakringe­r gebraucht, um sich wieder in dieser Welt zu wissen.

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