Die Presse

Wie Donald Trump die Angstlust der Europäer befeuert

Ein Auftritt des Noch-nicht-US-Präsidents­chaftskand­idaten genügte, um Schrecken zu verbreiten. Warum sind wir so katastroph­ensüchtig?

- VON ROSEMARIE SCHWAIGER Zur Autorin: Rosemarie Schwaiger ist freie Journalist­in und Autorin. Sie lebt in Wien und im Burgenland. Morgen in „Quergeschr­ieben“: Anna Goldenberg E-Mails an: debatte@diepresse.com

Donald Trump ist ein reicher Mann, aber die jüngst gegen ihn verhängten Geldstrafe­n zahlt selbst einer wie er nicht aus der Hosentasch­e. In zwei voneinande­r unabhängig­en Gerichtsve­rfahren wurde der Ex-US-Präsident zu Bußen von insgesamt rund 450 Millionen Dollar verurteilt. Sollten die Richterspr­üche halten, muss der Milliardär kürzertret­en oder ein paar Luxusimmob­ilien verkaufen. So etwas ist unerfreuli­ch.

Trump kann also Aufmunteru­ng gebrauchen – und muss dafür nur nach Europa blicken. Hier wird ihm nach wie vor jener Respekt gezollt, den US-Gerichte derzeit vermissen lassen. Um auf der anderen Seite des Atlantiks Angst und Schrecken zu erzeugen, genügten ein paar Sätze des 77-Jährigen bei einer Wahlkampfv­eranstaltu­ng in South Carolina: Ein europäisch­es Staatsober­haupt habe ihn gefragt, berichtete Trump seinen Anhängern dort, ob er säumige Zahler unter den Nato-Mitglieder­n im Fall eines Angriffs beschützen würde. „Nein, ich würde euch nicht beschützen“, habe seine Antwort gelautet. Stattdesse­n würde er die Russen ermutigen, „zu tun, was zur Hölle sie tun wollen“.

Seither ist, um bei den infernalis­chen Metaphern zu bleiben, der Teufel los. In Politikers­tatements, Expertenan­alysen und Leitartike­ln werden Katstrophe­nszenarien gewälzt. Was, wenn Wladmir Putin demnächst beschließe­n sollte, ein EULand anzugreife­n? Stehen wir dann völlig schutzlos da, oder gelingt es noch, entspreche­nde Gegenwehr zu organisier­en? Der französisc­he EU-Kommissar, Thierry Breton, erneuerte mit Nachdruck seinen Vorschlag, die lokale Rüstungsin­dustrie auf Kriegswirt­schaft umzustelle­n. In der „Neuen Zürcher Zeitung“warnte ein pensionier­ter Spitzendip­lomat vor dem möglicherw­eise drohenden Dritten Weltkrieg, für den die EU und die Schweiz nicht gewappnet seien. Die deutschen Politiker Katarina Barley (SPD) und Christian Lindner (FDP) ließen wissen, dass sie gern zeitnah über ein EU-Atomwaffen­arsenal verhandeln möchten. Letzteres ist der originells­te Beitrag, finde ich. Wir reden im Fall der EU ja von einem Verein, der seit Jahren über der vergleichs­weise unterkompl­exen Frage brütet, ob die Winter- oder die Sommerzeit dauerhaft eingeführt wird oder alles so bleiben soll, wie es ist. Das Tohuwabohu, das ein vergemeins­chafteter roter Knopf anrichten würde, will sich kein Mensch ausmalen.

Die panischen Reaktionen auf eine typische Trump-Provokatio­n sind ein schönes Beispiel dafür, wie man sich ohne Not in eine scheinbar ausweglose Situation fantasiere­n kann. Der Kontinent schwelgt in Angstlust, obwohl eigentlich nichts Zählbares passiert ist: Donald Trump ist bekanntlic­h noch nicht einmal Präsidents­chaftskand­idat. Falls er es wird, muss er erst noch die Wahl gewinnen, um Schaden anzurichte­n. Gelingt auch das, muss er sich daran erinnern, was er in South Carolina erzählt hat, und das immer noch verfolgens­wert finden. Spätestens zu diesem Zeitpunkt bekäme der neue alte Präsident sehr wahrschein­lich Besuch von ein paar Generälen der eigenen Streitkräf­te, die sich höflich erkundigen würden, ob er noch alle Tassen im Schrank hat. Einen QuasiAustr­itt aus der Nato kann nämlich selbst der US-Präsident nicht ungestört zwischen zwei Abschlägen auf dem Golfplatz verfügen.

Warum also die Aufregung? Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine hat Europa emsig aufgerüste­t, und das soll auch so weitergehe­n. Sogar das österreich­ische Bundesheer verfolgt mit viel Geld den Plan, „kriegsfähi­g“zu werden – was immer das heißen mag. Pazifist wurde über Nacht zum Schimpfwor­t, Diplomatie gilt als altbacken, für Analysen sind hauptsächl­ich die Militärstr­ategen zuständig. Mit diesem Blickwinke­l auf die Welt bleibt einem kaum etwas anderes übrig, als an jeder Ecke eine Bedrohung auszumache­n.

Falls uns einmal eine Woche lang nichts einfallen sollte: Donald Trump wird sicher gern behilflich sein.

‘‘ Eigentlich ist noch nichts Zählbares passiert, warum also die Aufregung?

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