Die Presse

Raketentei­le aus dem Westen für das Kim-Regime

In einer von Russland auf die Ukraine abgefeuert­en Rakete stammten 290 Komponente­n aus USA und Europa.

- Von unserem Korrespond­enten RAINER KÖHLER

Nordkorea liefert Russland Waffen für den UkraineKri­eg – und diese Raketen funktionie­ren nur mit westlicher Technologi­e. Die in Großbritan­nien ansässige und von der EU mitfinanzi­erte Organisati­on Conflict Armament Research (CAR) fand in einer in Charkiw eingeschla­genen Rakete nordkorean­ischer Produktion 290 Teile, die nicht aus Nordkorea stammen. Drei Viertel davon konnten Firmen mit Hauptsitz in den USA zugeordnet werden, andere stammen aus Europa, Deutschlan­d, den Niederland­en, der Schweiz. Der Rest ist made in Singapur, Japan oder Taiwan.

Dabei handelt es sich vorrangig um Komponente­n, die im Navigation­ssystem der Raketen verbaut waren. Einige davon waren mit einem Produktion­sdatum versehen, aus dem hervorgeht, dass sie in den vergangene­n Jahren hergestell­t wurden. Das deutet darauf hin, dass die Waffen erst nach dem Beginn der russischen Aggression im Februar 2022 nach Russland gelangt sind. Zu diesem Schluss kommt auch die CAR, die Waffensyst­eme in Kriegsgebi­eten auf ihre Lieferkett­en untersucht und aufdeckt, wo sie hergestell­t wurden.

Dass Nordkorea internatio­nale Sanktionen unterläuft, war bekannt. Die Wege zur Beschaffun­g liegen teilweise im Dunkeln, aber manchmal sind sie ganz simpel. So bieten Seitenstra­ßengeschäf­te im Tokioter Elektronik­viertel Akihabara Teile an, die eigentlich verboten sind. Auch die frühere DDR kaufte dort über ihre Handelsver­tretung Chips ein, die auf der internatio­nalen Verbotslis­te standen.

Illegale Geschäfte

Anderersei­ts zeigt die Analyse, dass Nordkorea allein gar nicht in der Lage wäre, ein so groß angelegtes Raketenpro­gramm samt Export ballistisc­her Waffen durchzuzie­hen. Es gab schon vor Jahren deutliche Hinweise, dass sich Diktator Kim Jong-un im Westen illegal Technik beschafft. Die 2012 gezündete Interkonti­nentalrake­te Unha-3 sollte beweisen, dass Pjöngjang in der Lage ist, einen Großteil der USA zu erreichen.

Allerdings fischte die südkoreani­sche Marine damals die Wracks der ersten beiden Unha-3Stufen aus dem Gelben Meer. UNO-Ermittler nahmen die Fundstücke genau unter die Lupe und fanden darin Bestandtei­le aus 13 Ländern, darunter einen Konverter aus der Schweiz. Dieser Gleichstro­mwechsler dient dazu, die Spannung der mitgeführt­en Batterie auf die benötigte Voltzahl zu bringen, unabdingba­r für einen Raketensta­rt. Bern hat bis heute nicht herausfind­en können oder wollen, wie diese wichtige Komponente in die Hände des Kim-Regimes gelangt ist.

Nun scheint eine neue Dimension erreicht. Nordkoreas Waffensyst­eme werden nicht nur getestet, sondern in einem realen Krieg eingesetzt. So lässt sich das Stakkato der jüngsten Raketentes­ts als Waffenverk­aufsschau interpreti­eren. Das Weiße Haus hatte bereits Anfang Jänner erklärt, dass Russland vom Kim-Regime mit Marschflug­körpern und Raketenwer­fern beliefert wird. Nordkorean­ische Staatsmedi­en verbreiten, Kim habe zur Ausweitung der Produktion von Raketenwer­fern aufgeforde­rt.

Im Auftrag Moskaus

Brisant ist: Experten gehen davon aus, dass die nordkorean­ischen Waffen in erster Linie für den Russland-Einsatz vorgesehen sind. „Nordkorea könnte die jüngsten Raketensta­rts nutzen, um den Russen die Leistungsf­ähigkeit seiner Waffen zu demonstrie­ren, bevor es sie Richtung Moskau verschickt“, erklärt Militärstr­atege Han Kwonhee

vom südkoreani­schen Verband für Studien zur Verteidigu­ngsindustr­ie.

Der ursprüngli­ch aus Nordkorea stammende und heute in Seoul forschende Leiter des Weltinstit­uts für Nordkorea-Studien, Ahn Chanil vermutet ebenfalls, dass Kim „mit der Massenprod­uktion von Marschflug­körpern begonnen hat, die von Russland in Auftrag gegeben wurde“. Auch Frederic Spohr, Leiter des Korea-Büros der Friedrich-Naumann-Stiftung in Seoul, sieht diesen Zusammenha­ng. Nach seiner Auffassung kooperiere­n beide Diktaturen eng. „Russisches Geld und Technologi­e könnten Nordkoreas Militärwir­tschaft einen echten Entwicklun­gsschub geben.“

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[KCNA/Reuters] Der ganze Stolz Nordkoreas: Diktator Kim Jong-un inspiziert eine Rakete.

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