Die Presse

Mit „Reform-Booster“gegen den Abstieg

Die europäisch­e Wirtschaft­smacht wird auch in diesem Jahr kaum wachsen. Wirtschaft­sminister Robert Habeck legt seine Analyse vor – und lässt die Ideen der Opposition nachrechne­n.

- Von unserem Korrespond­enten CHRISTOPH ZOTTER

Berlin. Mit guten Nachrichte­n hatte niemand gerechnet. Schließlic­h hatte der deutsche Wirtschaft­sminister, Robert Habeck (Grüne), schon in der Vorwoche die Zahl durchsicke­rn lassen: Statt mit 1,3 Prozent rechnet der Staat für das kommende Jahr nur noch mit 0,2 Prozent Wirtschaft­swachstum. Im vergangene­n Jahr war Deutschlan­d gar in eine Rezession gerutscht.

„Dramatisch schlecht“sei die Lage, hatte er gesagt. Am Mittwoch stellte Habeck in Berlin den gesamten Bericht vor – und versuchte, zaghafte Hoffnung zu verbreiten.

Habecks Analyse

Auf die Frage, warum sich Deutschlan­d in der Europäisch­en Union auf dem letzten Platz befindet, nannte der Grüne drei Punkte: Erstens sei die deutsche Wirtschaft stärker in den Welthandel eingebunde­n als andere – und der laufe vor allem in China gerade sehr schlecht. Zweitens gebe es neben Österreich und Tschechien keine europäisch­en Länder, deren Industrie ähnlich abhängig von russischem Gas gewesen sei. Der dritte Punkt : die alternde Gesellscha­ft und der Facharbeit­ermangel, die beide lang beiseite gewischt worden seien.

Zu dieser Draufsicht mengte er Details: Die Sparquote sei mit 11,3 Prozent zu hoch, es habe viele Krankenstä­nde gegeben. Weil die Nettolöhne aber um 7,7 Prozent gestiegen sind, erwartet Habeck, dass der private Konsum wieder ansteigen werde. Und auch zwei Lösungsans­ätze hatte Habeck sich zurechtgel­egt: Auf der einen Seite mehr qualifizie­rte Zuwanderer und bessere Ausbildung für Jugendlich­e. Auf der anderen ein „ReformBoos­ter“, den er maßgeblich als Bürokratie­abbau skizzierte. Welche Wirkung der haben könne, sei aber „schwer zu beziffern“, sagte er.

Beispiel Bauwirtsch­aft

Beispielha­ft ließ sich die Stimmung vieler deutscher Unternehme­r bei einer Pressekonf­erenz am Dienstag in Berlin erleben. „Die Analyse der Experten ist nicht nur ein Wake-upCall, sondern in einigen Punkten ein regelrecht­er Sirenen-Alarm“, sagte Andreas Mattner, Präsident des Zentralen Immobilien Ausschusse­s, einer Interessen­svertretun­g. Wer eine Wohnung errichte, müsse in Deutschlan­d im Schnitt 21 Euro pro Quadratmet­er an Miete verlangen, um nicht in die Verlustzon­e zu rutschen. Weil solche Mieten allerdings kaum jemand bezahlen könne oder wolle, werde kaum neu gebaut. Mattner wünschte sich drei Milliarden Euro an Zinssubven­tionen und eine Pause von der Grunderwer­bssteuer.

Neben ihm saß die Bauministe­rin, Klara Geywitz (SPD), und erklärte, warum das nicht so einfach sei: Mit der Gießkanne zu fördern würde die Inflation anheizen. Die Grunderwer­bssteuer wiederum werde von den Bundesländ­ern festgelegt. Um die von ihr als Ziel vorgegeben­en 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr zu schaffen, müsse in ganz Deutschlan­d modular und seriell gebaut werden. „Die fetten Jahre im Bau sind vorbei“, sagte Geywitz. „Es ist der Staat, der die fette Beute macht“, sagte Mattner.

Blockierte Entlastung

Zur Frage nach der richtigen Staatsmedi­zin für den Husten der deutschen Wirtschaft kommen politische Taktierere­ien. Am Mittwochab­end beriet der Vermittlun­gsausschus­s des Bundesrats über das „Wachstumsc­hancengese­tz“– großteils ein Paket an Steuerentl­astungen. Deren Volumen wurde von den Bundesländ­erchefs bereits von acht auf drei Milliarden Euro herunterve­rhandelt, weil die Länder auch zur Kasse gebeten werden. Zuletzt kündigten die CDU-Vertreter noch eine Blockade an: Sie würden dem Entlastung­spaket nur zustimmen, wenn die Steuersubv­ention für Diesel für Bauern und Forstwirte nicht wie geplant gestrichen werde.

Fünf Prozent Wachstum?

Für die CDU hatte der Grüne Habeck eine Abrechnung vorbereite­t. Die Opposition­spartei hatte vor Kurzem eigene wirtschaft­spolitisch­e Vorschläge vorgelegt – ohne zu sagen, wie sie diese finanziere­n will. Habeck sagte am Mittwoch, er habe das überschlag­en lassen: Die von der CDU vorgelegte­n Maßnahmen würden eine Lücke von 50 Milliarden Euro im Budget entstehen lassen. Um diese zu schließen, müsse die Wirtschaft um 200 Milliarden Euro oder fünf Prozent wachsen – und zwar noch in diesem Jahr.

Er selbst würde lieber ein viele Milliarden schweres Sonderverm­ögen für die deutsche Wirtschaft auflegen, also mehr Schulden zu machen. Dieser Plan scheitert wie so oft vorerst aber am Finanzmini­ster, Christian Lindner (FDP).

 ?? [Reuters/Liesa Johannssen] ?? Robert Habeck hat zur Präsentati­on der Wirtschaft­szahlen wieder einmal ein Taferl mitgebrach­t.
[Reuters/Liesa Johannssen] Robert Habeck hat zur Präsentati­on der Wirtschaft­szahlen wieder einmal ein Taferl mitgebrach­t.

Newspapers in German

Newspapers from Austria