Die Presse

„Putin, räum mit Brüssel und mit unserer Regierung auf “

Polen. Protestier­ende Bauern sorgen für diplomatis­chen Streit zwischen Warschau und Kiew. Dahinter steckt Polens Angst vor Billigkonk­urrenz.

- Von unserem Korrespond­enten

„Putin, räum auf mit der Ukraine und Brüssel – und mit unserer Regierung“, hat ein polnischer Bauer auf ein Transparen­t gesprayt. Der Spruch könnte ihn drei Jahre Haft wegen Verherrlic­hung von Gewalt und eines totalitäre­n Systems kosten. Denn der Pole hatte auch gleich noch Hammer und Sichel auf seinen Traktor gepflanzt. Am Donnerstag nun hat die Staatsanwa­ltschaft im schlesisch­en Gliwice (Gleiwitz) ein Verfahren gegen ihn eröffnet.

Der Bauer löste einen diplomatis­chen Skandal zwischen Kiew und Warschau aus. Öl ins Feuer gossen dazu Kollegen des „Allpolnisc­hen Bauernstre­iks“, die am polnischuk­rainischen Grenzbahnh­of Medyka Getreide aus der Ukraine requiriert­en und es auf die Bahntrasse schütteten. Nur die polnische Konsulin in Lwiw (Lemberg) fand da noch klare Worte: „Schande und Scham! Ich entschuldi­ge mich, ihr ukrainisch­en Freunde; dies können eigentlich nicht meine Landsleute sein“, schrieb Eliza Dzwonkiewi­cz auf Facebook.

Das Grundprobl­em ist die polnische Angst vor der ukrainisch­en Konkurrenz. Als Russland vor zwei Jahren das Schwarze Meer für ukrainisch­e Getreidesc­hiffe sperrte und im Sommer 2023 den von der UNO und der Türkei vermittelt­en Getreideex­port-Vertrag kündigte, suchte die EU Exportkorr­idore auf dem Landweg. Dabei wurde der ukrainisch­e Agrarexpor­t in den EU-Raum unbürokrat­isch freigegebe­n. Findige Händler mischten daraufhin ukrainisch­e Getreidekö­rner unter polnische und verkauften das Gemisch viel billiger als bisher. Die Getreidepr­oduzenten in Polen begehrten auf. Da in Polen der Wahlkampf begann, schlug die damalige Regierung protektion­istische Töne gegen Kiew an.

Polnische Bauern blockierte­n Straßenund Bahn-Grenzüberg­änge, später gesellten sich polnische Lkw-Fahrer dazu.

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